Fusion von ARD und ZDF bedeutet weniger Wettbewerb

Die ARD lehnt die Forderung des bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer nach einer Fusion von ARD und ZDF ab. Eine solche Fusion bedeutet aus unserer Sicht ein Weniger an publizistischer Vielfalt ´, ein Weniger an Meinungsvielfalt und natürlich auch ein ganzes Stück Weniger an publizistischem Wettbewerb“, sagte die ARD-Vorsitzende und MDR-Intendantin Karola Wille am Mittwoch (14.9.) nach der Intendantenkonferenz in Berlin. Wille: „Es sei gegenwärtig wichtiger denn je, die Gesellschaft und die in ihr vertretenen Meinungen angemessen abzubilden. Dagegen spreche manches dafür, die Kooperation der öffentlich-rechtlichen Sendersysteme weiter zu verstärken.

Dies sei zuletzt bei der Berichterstattung über die Olympischen Spiele in Rio vorbildlich gelungen. Zum Stand der Verhandlungen um die Übertragungsrechte für die Olympischen Winterspiele 2018 in Pjöngyang (Südkorea) und Sommerspiele 2020 in Tokio bemerkte Wille, ARD und ZDF bemühten sich um eine Sublizenzierung beim Rechteinhaber Discovery. Noch in dieser Woche werde es weitere Gespräche geben, es sei allerdings kurzfristig „kein Abschluss in Sicht“. ARD-Programmdirektor Volker Herres ergänzte, die Öffentlich-Rechtlichen würden sich „an den Wirtschaftlichkeitskriterien orientieren, die wir auch in der Vergangenheit bei sportlichen Großveranstaltungen angelegt haben“.

Die ARD-Berichterstattung über die jüngsten Terroranschläge beurteilte Herres überwiegend positiv. Das Erste habe in der Nacht des Münchner Amoklaufs bewiesen, dass es in der Lage sei, sich bei Bedarf „bei solchen Ereignissen in einen News-Channel zu verwandeln“. De facto sei ein solcher Kanal mit „tagesschau24“ bereits vorhanden, ARD aktuell sei inzwischen „als Gemeinschaftseinrichtung so ausgestattet, dass es als Nachrichtenkanal funktionieren kann“. Kritik an der Redundanz der Berichterstattung wehrte Herres ab. Eine solche Situation sei eine „Riesenherausforderung“ angesichts des großen Informationshungers des Publikums. „Hinterher ist man vorher immer schlauer“, sagte der Programmchef. Redundanzen seien unvermeidbar, aber auch wichtig, weil immer wieder neue Zuschauer dazu kämen. Nicht gut sei allerdings, wenn die Berichterstattung ins „Spekulative“ abgleite, räumte Herres ein.

Selbstkritisch äußerte sich Herres auch zur Berichterstattung über den gescheiterten Militärputsch in der Türkei. Anstatt eine Wiederholung zu senden, hätte das Erste „intensiver“ berichten sollen. Zum umstrittenen Interview des BR-Chefredakteurs Sigmund Gottlieb mit dem türkischen Präsidenten Erdogan bemerkte er, der BR sei in der ARD zuständig für die Berichterstattung aus der Türkei.

Die ARD-Intendanten haben sich auf ihrer Sitzung in Berlin auf eine Neuregelung des Finanzausgleichs geeinigt. „Wir sind froh und erleichtert, diese Frage trotz der in allen Häusern diskutierten Sparmaßnahmen aus eigener Kraft gestemmt zu haben“, sagte die ARD-Vorsitzende Karola Wille. Die Neuverhandlungen waren nötig geworden, da mit dem 16. Rundfunkänderungsstaatsvertrag die so genannte Finanzausgleichsmasse von bisher 1,0 auf 1,6 Prozent erhöht wurde. Nach dem Wechsel zu einem neuen Beitragsmodell zählen ab 2017 auch der RBB und der HR zu den Geberanstalten. Der WDR wird aufgrund geringerer Werbeeinnahmen im Rahmen des Ausgleichs entlastet. Als einzige Nehmeranstalten verbleiben somit Radio Bremen und der Saarländische Rundfunk.

Zum zweiten Mal nach 2015 legt der Senderverbund einen Produzentenbericht vor. Gegenüber 2014 stieg der Gesamtwert aller Auftrags-, Ko- und Mischproduktionen der ARD-Anstalten und der Degeto demnach um vier Prozent auf rund 711 Millionen Euro. Davon gingen mit 514 Mio. Euro mehr als zwei Drittel an unabhängige Produzenten. Die erstmals ausgewiesenen Kosten für Lizenzankäufe betrugen 44,4 Mio. Euro. Mit 34 Mio. Euro gingen auch hier mehr als zwei Drittel an Unabhängige.

Zum öffentlichen Streit um die personelle Besetzung der „Berliner Runde“ sagte Herres, man sei mit dem ZDF und den politischen Parteien darüber im Gespräch. Er selbst würde die Runde gern „auf der Ebene der Fraktionsvorsitzenden“ stattfinden lassen. Aber: Die Sender könnten niemanden „vorladen“. Was die Repräsentanz angehe, so seien traditionell die im Bundestag in Fraktionsstärke vertreten Parteien entsendungsberechtigt. Bei den jüngsten Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern sei das starke Abschneiden der AfD die Top-News gewesen. Da sie aber nicht im Bundestag vertreten sei, habe sie in der Runde gefehlt. Eine solche Situation sei „journalistisch gelegentlich unbefriedigend“.

 

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