Wie Pinocchio & Co Fakten checken

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Die Washington Post verteilt Pinocchios mit Lügennase für Fake News, die ARD entlarvt sie mit dem Faktenfinder. „Fact-Checking“. Die Überprüfung von Informationen gehört zu den journalistischen Kernaufgaben, doch mittlerweile machen das nicht nur Medien, sondern auch zivilgesellschaftliche Initiativen. Edda Humprecht, Medienforscherin an der Universität Zürich, hat untersucht, wie professionell Faktenchecker_innen in den USA und in Europa arbeiten.

Während des Wahlkampfs 2016 hatte Donald Trump behauptet, Drogendealer, die tausende von Menschen töteten, kämen nur für 30 Tage ins Gefängnis. Für dieses „rhetorische Framing“ bekam er von den Washington-Post-Faktencheckern vier Pinocchios, denn in Wirklichkeit gilt das nur für eine Handvoll von Kleindealern, die keineswegs so viele Menschen auf dem Gewissen haben. In den USA habe sich der Faktencheck aber schon lange vor der Trump-Wahl, zu Beginn des Jahrtausends etabliert, so Humprecht in ihrem Vortrag auf der  Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft in Mannheim. In Deutschland und anderen europäischen Ländern gebe es den Faktencheck vermehrt erst seit Ende 2010.

In den USA hätten die Menschen schon früher ein Problembewusstsein für Fake News entwickelt – nicht zuletzt durch das dort verbreitete „negative campaigning“, die bewusste Verunglimpfung der politischen Konkurrenz im Wahlkampf. Auch das führte zu einem sinkenden Vertrauen in Massenmedien, die als Kanäle instrumentalisiert wurden. Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang ist die „professionell objectivity“, das Verständnis von ausgewogener Berichterstattung, nach der zum Beispiel genauso häufig über die Republikanische wie über die Demokratische Partei berichtet werden sollte. Wenn aber Leugner_innen des Klimawandels genauso oft zu Wort kommen wie Wissenschaftler_innen, die in ihn belegen, dann widerspricht das der faktischen Realität, der „scientific objectivity“ und unterhöhlt die Glaubwürdigkeit der Medien.

Beim Fact-Checking unterscheidet man zwischen dem „Newsroom-Model“, das zumeist bei traditionellen Medien angesiedelt ist und dem „NGO-Model“, das Aktivitäten zivilgesellschaftlicher Organisationen bezeichnet. Wie professionell diese Faktenprüfer_innen arbeiten, erforschte Humprecht anhand ihrer Quellentransparenz, die zentral ist für die Glaubwürdigkeit. Sie analysierte, wie jeweils zwei Fact-Checking-Websites in den USA, Großbritannien, Österreich und Deutschland die Berichterstattung über Wahlen und Referenden 2016/17 unter die Lupe nahmen – durch Verlinkung mit Quellen und Dokumenten oder der Nachrichtenseite, mit Infografiken oder Infoboxen. Für Deutschland wählte Humprecht den ARD-Faktenfinder als ein publizistisches Medium und das gemeinnützige Recherchezentrum Correct!v als unabhängige Organisation aus.

Im Ländervergleich schnitten die USA in Sachen Quellentransparenz am besten ab, gefolgt von Großbritannien und Deutschland, wobei Infoboxen sich „als besondere Spezialität“ des ARD-Faktenfinders entpuppten. Schlusslicht war Österreich. Humprecht fragte nun danach, welche Faktoren die Quellentransparenz beeinflussen und kam zu dem Schluss, dass inhaltliche Aspekte –   Politker_innen als Agierende, negative Bewertungen – keine Rolle spielen, sehr wohl aber die journalistische Professionalität und die Organisationsform. Bis auf die Washington Post, die kurz vor der US-amerikanischen „Politifact“ lag, profilierten die „NGO-Modelle“ sich vor den publizistischen Medien bei der Quellenoffenlegung: Full Fact vor dem Guardian, Correct!v vor dem ARD-Faktenfinder und das österreichische „Mimikama“ vor „Die Presse Faktencheck“, die kein einziges Mal auf ein externes Dokument verlinkte. Fazit: Das Fact-Checking ist in Europa weniger etabliert als in den USA, nach dem NGO-Modell organisierte Faktenchecker verlinken häufiger auf Dokumente und Nachrichtenseiten als die Newsroom-Modelle publizistischer Medien.

In der anschließenden Diskussionsrunde wurde zu bedenken gegeben, dass es sich beim Fact-Checking aber nur um eine „suggerierte Objektivität“ handelt, weil die Kontextualisierung und Interpretation von Fakten eine Sache der Perspektive ist: Ist ein Glas halb voll oder halb leer? „Nutzern ist das nicht bewusst“, so Humprecht. Allerdings sei es „eine wichtige Frage, ob diese Richtigstellungen auch beim Zielpublikum ankommen. Aus der Forschung wissen wir, dass Menschen dazu tendieren, Informationen zu glauben, die ihre eigene Meinung bestätigen, auch wenn diese Informationen falsch sind. Umgekehrt haben es Richtigstellungen bei diesen Personen schwer. Wenn Informationen der individuellen Meinung widersprechen, werden sie eher ablehnt. Ist man also beispielsweise davon überzeugt, dass Ausländer meist kriminell sind, dann wird man eine entsprechende Falschmeldung eher glauben und die Richtigstellung als Propaganda abtun. Um trotzdem Gehör zu finden, müssen die Quellen von Faktenchecks glaubhaft sein und dies erreichen Organisationen unter anderem durch Transparenz.“

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