„Wir haben dazu keine Statistik.“ „Der Mitarbeiter kann sich nicht erinnern.“ „Sie werden Verständnis dafür haben, dass wir hierzu keine Auskunft geben können.“ So können gängige Antworten von behördlichen Presseabteilungen klingen, wenn diese Fragen von Journalistinnen und Journalisten als unangenehm empfinden. Wie man an Informationen kommt, wenn sich Behörden quer stellen, und was sich auf rechtlicher Ebene verbessern ließe, diskutierten Tina Groll, Hans-Martin Tillack und Jost Müller-Neuhof in der Medienwerkstatt von dju in ver.di, DJV Berlin und meko factory am 30. Mai im taz Café.
An Informationen für journalistische Recherchen zu gelangen, kann manchmal zur langwierigen Mammutaufgabe werden. Denn obwohl die deutschen Behörden eigentlich zur Auskunft gegenüber Journalist_innen verpflichtet sind, wird das Herausgeben von Informationen immer wieder vehement verweigert.
Man kann und sollte klagen
Hans-Martin Tillack kann als langjähriger Investigativ-Journalist beim Magazin Stern von dieser Praxis ein Lied singen: Seitenweise geschwärzte Dokumente, absurde Begründungen und Pressesprecher, die mit Klagen drohen, sind nur einige Beispiele aus seinem Erfahrungs-Nähkästchen. Jedoch eins sei für Journalistinnen und Journalisten in Ablehnungsfällen wichtig, zu wissen: „Es gibt nichts Generelles, nichts Grundlegendes, wonach Informationen zurückgehalten werden dürfen“, sagte Jost Müller-Neuhof, rechtspolitischer Korrespondent des Tagesspiegel. Er sah hinter der Verweigerung eher „Amtsverschwiegenheit und Tradition“ als bösen Willen: „Wir sind die Guten und die sind die Guten.“ Trotzdem: Gegen die Ablehnung von Informationsanfragen kann – und sollte – man klagen, da sind sich Tillack und Müller-Neuhof einig.
Angela Merkels SMS
Zwei rechtliche Grundlagen gibt es in Deutschland, die die Informations- und Transparenzpflicht von Ämtern regeln: Das Presseauskunftsrecht auf Landesebene, welches Behörden verpflichtet, auf Anfragen von Pressevertreterinnen und -vertretern zu antworten. Als zweites Instrument berechtigen Informationsfreiheitsgesetze (IFG), sowohl auf Bundesebene als auch in einigen Ländern, jede Bürgerin und jeden Bürger, Auskunft und Einsicht in amtliche Dokumente zu nehmen, sofern keine triftigen Gründe, beispielsweise der Datenschutz, dagegensprechen.
Hans-Martin Tillack stellt Anfragen an Behörden gern nach dem Informationsfreiheitsgesetz, weil er Dokumente als belastbare Quelle schätzt. Das IFG umfasse nicht nur offizielle Akten, sondern auch Einsicht in E-Mail-Verkehr und alle weiteren schriftlichen Vorgänge. „Dazu gehören unter Umständen auch die SMS-Nachrichten von Angela Merkel“, sagt Tillack.
Chancen, wirksam Druck auszubauen
Jost Müller-Neuhof sieht das IFG kritischer: Einerseits führe es dazu, dass viele Abläufe in Ämtern nicht mehr dokumentiert würden, um der Transparenzpflicht im Nachhinein zu entgehen. Andererseits sei eine Klage nach dem IFG zu langwierig, im schlimmsten Fall könne der Weg bis zum Urteil fünf Jahre dauern – was dem täglichen Zeitdruck von Journalist_innen entgegenstehe. Das Presseauskunftsrecht wird Müller-Neuhof zufolge oft unterschätzt. „Es bietet aber die Chance, wirksam Druck aufzubauen.“ Eine Anfrage könne mit einer Frist von wenigen Tagen gestellt werden. Bei Verweigerung dauere das Gerichtsverfahren vor dem Verwaltungsgericht höchstens fünf bis sechs Monate. Das ist zumutbar bei Klage nach einem IFG.
Ein Problem: Deutschland hat auf Bundesebene kein gesetzlich verankertes Presseauskunftsrecht. Bundesbehörden versuchen sich deshalb oft mit dem Argument herauszureden, das Landesgesetz habe für sie keine Geltung. Das Bundesverfassungsgericht habe zwar schon vor Jahren die Ausarbeitung eines Bundespresseauskunftsgesetzes aufgetragen, dies sei aber nie passiert, erzählt Müller-Neuhof: „Die Bundesregierung hat natürlich kein Interesse an so einem Gesetz.“
Die richtigen Fragen stellen
Deshalb ist es für Tillack und Müller-Neuhof umso wichtiger, die richtigen Fragen zu stellen. Man könne lernen, diese möglichst präzise zuzuschneiden. „Journalisten stellen überhaupt zu wenige Fragen“, findet Müller-Neuhof. Viele arbeiteten hauptsächlich mit Informationen, die ungefragt zur Verfügung gestellt werden. So werde aber nur bekannt, was Behörden von selbst preisgeben wollen. Journalist_innen würden mit Informationen „fast überflutet“, was sie vom Fragenstellen abhalte. Stattdessen müssten auf mehr Informationen aber auch mehr Fragen folgen, ist Müller-Neuhof überzeugt.
Journalisten in Opportunismusgefahr
Ein weiteres Problem ergibt sich für Tillack aus einer „ständigen Opportunismusgefahr“ für Journalistinnen und Journalisten. Viele wollten sich mit Pressesprecherinnen und Pressesprechern gut stellen, um besser an Informationen zu kommen. Dass dies manchmal auch gelinge, zeige die bevorzugte Weitergabe von Informationen an „auserwählte“ Journalisten, die im Zweifel weniger kritisch berichten. Auch Müller-Neuhof kennt solche Fälle und plädiert für eine unbequemere journalistische Kultur: „Wir sollten die Haltung in unseren Redaktionen implementieren, dass wir uns mit den Ämtern anlegen.“ Nur dann könnten Verlage auch überzeugt werden, Geld für Klagen auszugeben, obwohl dafür überall wenig Geld zur Verfügung stehe.
Hart ins Gericht geht Müller-Neuhof mit den öffentlich-rechtlichen Medien: Diese hätten die nötigen Ressourcen für einen Rechtsstreit um Informationen, nutzen diesen aber nicht aus. Das sei eine „veritable Geldverschwendung“, findet Müller Neuhof: „Statt einer Folge Rosenheim Cops lieber mal eine Klage vor dem Verwaltungsgericht, damit wäre der Allgemeinheit ein größerer Dienst erwiesen.“
dju in ver.di fordert Bundespresseauskunftsgesetz:
https://mmm.verdi.de/medienpolitik/nicht-weniger-als-digitale-weltspitze-49211
https://mmm.verdi.de/beruf/pressefreiheit-taeglich-neu-erkaempfen-41005
https://mmm.verdi.de/beruf/gesetzesinitiative-der-gruenen-zum-presseauskunftsrecht-begruesst-35093