Video als Beweis für Kriegsverbrechen

Öffentliches Interesse contra sensationeller Berichterstattung

In seinen Sitzungen im Dezember 2009 hat der Deutsche Presserat sechs Rügen, 15 Missbilligungen und 29 Hinweise ausgesprochen. Insgesamt wurden in den zwei Ausschüssen 102 Beschwerden behandelt.


Eine Beschwerde war gegen SpiegelOnline gerichtet. Es galt, der Frage nachzugehen, wie die Abwägung zwischen öffentlichem Interesse und unangemessener sensationeller Berichterstattung gelingen kann, ohne den Pressekodex zu verletzen. „Kopfschuss, Gelächter, Genickschuss“ titelt SpiegelOnline. In dem Beitrag geht es um ein Video, das Kriegsverbrechen in Sri Lanka beweisen soll. Der von einem Soldaten der Regierungsarmee mit Handy aufgenommene Film zeigt die Tötung von nackten Gefangenen. Am Ende des Beitrages weist die Redaktion auf einen Link mit der Überschrift „Hinrichtungsvideo aus Sri Lanka: Die Armee bestreitet jede Verantwortung“ hin. SpiegelOnline teilt mit, dass Journalisten der Zugang zu der umkämpften Region verweigert worden sei. Das Video sei über die Organisation „Journalists for democracy“ an die internationale Presse weitergegeben worden.
Zwei Nutzer von SpiegelOnline sehen sowohl im Beitrag als auch im Video einen Verstoß gegen die Ziffern 8 (Persönlichkeitsrechte) und 11 (Sensationsberichterstattung, Jugendschutz) des Pressekodex. Nach ihrer Meinung sollten solche Bilder nicht öffentlich gezeigt werden, wenn es sich um ein Propaganda-Video handeln könnte.
Das Nachrichtenmagazin ist jedoch der Meinung, dass in diesem Fall zwischen dem journalistischen Auftrag, auch die Grausamkeit von Kriegen in Text und Bild darzustellen, und den Anforderungen der Ziffern 8 und 11 abgewogen werden müsse. Statistiken allein könnten kein angemessenes journalistisches Bild von Krieg und Gewalt vermitteln. Im Video seien die Betroffenen nicht zu identifizieren. Die Tötungsszenen würden nicht gezeigt.
Der Beschwerdeausschuss folgt dieser Argumentation und kommt zu dem Schluss, dass SpiegelOnline nicht gegen ethische Grundsätze verstoßen hat. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Frage, ob es zulässig ist, die Bilder zu zeigen, obwohl dessen Wahrheitsgehalt nicht erwiesen ist. Danach ergibt sich gerade aus dem Problem, dass Journalisten nicht vor Ort sein konnten, ein öffentliches Interesse an dem Material und die Redaktion thematisiert das Problem der unklaren Quellenlage. So kann der Leser die Aufnahmen kritisch einordnen.

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