Die Widerspruchsfrist ist verstrichen. Für die Beschäftigten der Rheinischen Redaktionsgemeinschaft (RRG) in Köln gilt der Schlichtungsspruch zu ihrem neuen Haustarifvertrag. Die Mitglieder der dju in ver.di und des DJV in der RRG hatten bereits vor Wochen mehr als eindeutig für die Annahme des Schlichtungsergebnisses votiert, mit dem tarifliche Regelungen für alle 115 Redakteur_innen und Verlagsbeschäftigten der RRG getroffen oder wiederherstellt werden. Mehr noch: Sie liegen fast auf dem Niveau der Flächentarifverträge.
„Der Erfolg zeigt, auch nach Zerschlagung von Verlagsbetrieben und gegen klare Arbeitgeber-Strategien zur Tarifflucht lässt sich mit gewerkschaftlichem Zusammenhalt viel erreichen und das lohnt sich am Ende auch im Geldbeutel der Kolleginnen und Kollegen“, erklärte der Verhandlungsführer für die dju in ver.di Willi Vogt.
„Wir sind mit diesen Tarifregelungen für Redakteurinnen, Redakteure und Volontäre sowie die Sekretärinnen wirklich bei oder sehr nah an den Regelungen des Flächentarifvertrages. Das ist toll. Vor allem profitieren ehemalige Pauschalist_innen und seit 2016 neu Eingestellte. Aber es ist ein großer Erfolg für uns alle“, freut sich Peter Freitag, Mitglied der RRG-Tarifkommission und Vize-dju-Bundesvorsitzender. Wichtigste Vereinbarung im Eckpunktepapier der nordrhein-westfälischen Landesschlichterin: Ab 1. Januar 2019 sollen alle einschlägigen Flächentarife der Branche für die Redaktionsgemeinschaft gelten. Ohne Einschränkungen trifft das für die Redakteur_innen und Verlagsangestellten zu, die 2014 per Betriebsübergang in die Redaktionsgemeinschaft gewechselt waren. Die bis Ende Juni dieses Jahres Eingestellten müssen Abstriche beim Urlaubs- und Weihnachtsgeld hinnehmen. Doch erhielten sie bislang gar keine solchen Zahlungen. Auch durch Arbeitszeitverkürzung auf 36,5 Stunden und Aufnahme in die Presseversorgung gewinnen sie gegenüber dem tariflosen Zustand deutlich. Für alle Beschäftigten, die ab dem 1. Juli 2018 eingestellt wurden und werden, liegen die monatlichen Bezüge – je nach Eingruppierung – nur zwischen 96 und 92 Prozent der in den Flächentarifen genannten Beträge.
Zu den Zugeständnissen der Gewerkschaften zählt auch, dass die meisten finanziellen Verbesserungen erst ab Jahresbeginn 2019 greifen. Das verschafft dem Arbeitgeber mehr Zeit. Doch „im Paket“, so die gewerkschaftliche Einschätzung, bringen die Tarifregelungen allen Beschäftigten deutliche Verbesserungen und längerfristige Sicherheit, da der Haustarif für drei Jahre gelten soll.
Keine Mehrklassen-Belegschaft mehr
Der Streit um die Tarifbindung hatte sich über eineinhalb Jahre hingezogen und war von Seiten der RRG-Beschäftigten mit Aktionen und mehreren Warnstreiks verbunden. Sie richteten sich auch gegen die in der Rheinischen Redaktionsgemeinschaft von den Gesellschaftern etablierte Mehrklassen-Hierarchie. Dafür muss man die Hintergründe kennen.
Die Rheinische Redaktionsgemeinschaft war vor vier Jahren als Zweckehe zwischen dem Medienkonzern DuMont Schauberg und dem Heinen-Verlag gegründet worden, vorrangig um Kosten zu sparen. Vier Millionen jährlich waren erklärtes Ziel. Dazu lagerten die Verlage im Juni 2014 ihre Lokalredaktionen von Kölnischem Stadtanzeiger und Kölnischer Rundschau in eine gemeinsame Tochtergesellschaft aus. 67 redaktionelle Mitarbeiter_innen sollten dort künftig arbeiten – unklar zunächst, wie viele Festangestellte oder arbeitnehmerähnliche Freie. 30 Redakteursstellen wurden im Zuge der Fusion sofort abgebaut, zahlreiche Pauschalist_innen mussten gehen.
Tariflosigkeit war ein weiterer Gründungsbaustein. Der griff im Wesentlichen bei Neueinstellungen. Für die etwa 70 Prozent der Beschäftigten, die einen Betriebsübergang nach § 613a BGB mitmachten, wirkte die Tarifbindung zwar nach. Doch Neue bekamen keine Tarifgehälter, hatten eine 40-Stunden-Woche, erhielten weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld noch Leistungen der Presseversorgung. Das schürte Unmut. „Wir wollen Tarif!“ war deshalb die Losung, hinter der sich Redakteur_innen und Sekretärinnen der RRG bald für eine einheitliche kollektive Regelung zusammenfanden. Noch bis zum Februar 2017 dauerte es aber, dass sich die Arbeitgeberseite überhaupt zu Gesprächen bereitfand. Und auch dann sollte es nur um „innerbetriebliche Vereinbarungen“ oder „Entgeltordnungen“ gehen, die man mit dem Betriebsrat intern verhandeln wollte. Erst nach etlichen Runden und einem Warnstreik im Sommer 2017 war klar: Es wird mit den Gewerkschaften über Tarifbindung für alle Beschäftigten verhandelt.
Mit der Geschlossenheit aller Berufsgruppen
„Eine Re-Tarifierung ist wahrlich nichts Alltägliches in der deutschen Zeitungslandschaft“, weiß Peter Freitag. Man sehe sich deshalb als Vorreiter: „Das ging nur mit guter gewerkschaftlicher Organisation und Geschlossenheit über alle Berufsgruppen hinweg.“ Von Verlegerseite bekomme man „wahrlich nichts geschenkt, alles ist eine Frage von Verhandlungsmacht“. Die Forderungen der Gewerkschaften für Redakteur_innen und Sekretär_innen der RRG waren von Beginn an klar: Es ging um die Anerkennung von Mantel- und Gehaltstarifverträgen für Redakteur_innen an Tageszeitungen sowie die Übernahme der entsprechenden Tarifregelungen für die Verlagsangestellten. Das sei bezahlbar, hatten die gewerkschaftlichen Verhandler der Geschäftsleitung schon früh vorgerechnet. Längerfristig werde das in der RRG angesichts des bevorstehenden Generationenwechsels nicht einmal dazu führen, dass Personalkosten steigen. „Wir erwarten, dass sich endlich etwas bewegt“, wurde Christof Büttner, Verhandlungsführer für die dju in ver.di, nach wiederholten Warnstreiks vor der fünften Verhandlungsrunde im Herbst 2017 ungeduldig. Doch noch im Februar 2018 beharrte die Geschäftsführung darauf, „Gehälter, die von den Regelungen der Flächentarife deutlich abweichen zu zementieren“, wie Büttner damals kritisierte. Selbst das gewerkschaftliche Angebot, Tarifverträge in der Redaktionsgemeinschaft zeitlich versetzt einzuführen, änderte zunächst nichts.
Doch stimmten mehr als drei Viertel aller Gewerkschaftsmitglieder in der RRG bei einer Urabstimmung am 5. Februar 2018 für die Fortsetzung der Tarifauseinandersetzung. Die Gewerkschaften schlugen in der zehnten Runde vor, die Landesschlichterin einzuschalten. Das brachte schließlich den Durchbruch. Nach intensiven Verhandlungen konnte Landesschlichterin Yvonne Sachtje am 30. Juli ein Tarifergebnis vorlegen, für das jedoch eine lange Erklärungsfrist bis zum 17. September vereinbart wurde. Keine Seite hat widersprochen. Nun muss der endgültige Tarifvertrag noch ausformuliert und unterzeichnet werden.