Madrid: EFE setzt auf digitalen Umbau

Fernando Garea Direktor der spanischen Nachrichtenagentur EFE in Madrid
Foto: Reiner Wandler

Die spanische Nachrichtenagentur EFE steckt in der Krise. Mit 180 Büros in 120 Ländern und über 2000 Kunden weltweit ist die 80 Jahre alte Agentur unumstrittene Nummer 1 auf dem spanischsprachigen Markt. Doch die Medienlandschaft verändert sich. Anpassen oder untergehen, ist deshalb die Herausforderung, der sich die neue Direktion stellen muss, nicht ohne damit Debatten auszulösen.

„Digitale Transformation“, heißt das Schlagwort unter dem Fernando Garea seine Pläne für die Agentur EFE zusammenfasst. Der 56-jährige Journalist, der in Medien wie der größten Tageszeitung Spaniens El País oder der konservativen Online-Zeitung elconfidencial.com gearbeitet hat, wurde vergangenen Juni unter dem per Misstrauensvotum an die Macht gekommen Sozialisten Pedro Sánchez Direktor der Nachrichtenagentur EFE. „Wir wollen das Angebot an Inhalten und Produkten für unsere Kunden modernisieren“, erklärt Garea, der von seinem Büro im 15 Stockwerk halb Madrid überblickt.

Millionen-Verluste in den letzten Jahren

EFE steckt wie die meisten Medien in der Krise. Allein zwischen 2012 und 2018 ging der Umsatz um 7,4 Millionen Euro zurück. Bis 2023 werden es weitere 4,5 Millionen Euro sein, sollte der Plan Gareas nicht funktionieren. EFE gehört zu 100 Prozent der Staatsholding SEPI. Rund die Hälfte der Betriebskosten kommen aus dem Staatshaushalt. Dennoch verschuldet sich die Agentur ständig. In den Jahren der Krise ging die Zahl der Kunden zurück und die, die blieben, drückten die Preise für das, was sie an Nachrichten und Fotos ankauften. „Unsere Kunden setzen immer mehr auf Online und weniger auf Print, daran müssen wir uns anpassen“, sagt Garea.

Er geht von einem mehrere Jahre dauernden Umbau der Agentur aus, die neben dem Hauptgeschäft auf Spanisch, ihre Produkte auch auf Englisch, Arabisch und Portugiesisch vermarktet. „Wir müssen neue Märkte erschließen“, sagt Garea und hat dabei Medien in Weltregionen, wie zum Beispiel Asien im Blick, aber auch eine „neue Art von Abnehmern“. Das Geschäft mit gutgemachten Nachrichtenprodukten sei „breiter als die eigentliche Medienbranche“, deshalb sollte man darüber hinaus Unternehmen und Institutionen ins Visier nehmen.

Multimedia-Produkte als Herzstück jeder Abteilung

Künftig sollen Multimedia-Pakete bestehend aus Video, Fotos, Text Infografiken und Podcast-Elementen im Mittelpunkt stehen. Das soll zum Herzstück einer jeder Abteilung werden. „Es macht keinen Sinn, alles in einzelne Abteilungen aufzuspalten“, meint Garea. Die Redaktion wird entsprechend umgestaltet.

Der Kronjuwel wird „EFE 360″. Es ist ein Dienst, der Kultur, Freizeit, Unterhaltung, Videospiele, Wissenschaft, Technologie, Gesundheit, Umwelt und Feminismus umfasst. Nur Inland, Ausland, Wirtschaft und Sport bleiben weiterhin eigenständig. „Aber auch hier werden wir den Sprung von traditionellen Produkten, bestehend aus Text und Foto, hin zu einer anderen Art von Journalismus vollziehen“, sagt Garea. Das heißt, dass Korrespondenten im Ausland, wenn möglich, mit ihrem Smartphone die ganze Multimediapalette zugleich bedienen.

Garea macht sich mit diesen Plänen nicht nur Freunde. Für Jon Galocha, Betriebsrat der Gewerkschaft CCOO ist EFE 360 „ein Produkt der schöngeistigen Inhalte“, das zu Lasten des „harten, ehrlichen Journalismus“ gehe. „Und Multimedia aus dem Smartphone, was bedeutet das? Will uns die Direktion zum Orchester-Journalisten machen?“ fragt der 52-Jährige. Er hat dabei einen jener Straßenmusiker im Sinn, der singt, Gitarre spielt und zugleich mit den Füssen ein Schlagzeug auf dem Rücken bedient.

Gewerkschaften kritisieren Mangel an Ausrüstung und Personal

Sandra Fernández von der Gewerkschaft UGT und Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates bedauert eine mangelnde Informationspolitik seitens der Direktion. „Sie haben uns keinen Wirtschaftsplan vorgelegt“, sagt sie. Ohne neue Einstellungen sei ein „interessantes Produkt wie EFE 360″ kaum ordentlich umzusetzen, „ohne dass dies zu Lasten des Kerngeschäfts geht“, befürchtet sie. Vor allem im Inland würden Personal und Ressourcen abgezogen. „Wir haben einen öffentlichen Auftrag zu erfüllen“, mahnt die 49-jährige Journalistin aus dem Regionalbüro im nordwestspanischen Baskenland. Dabei fehle es nach einem Jahrzehnt der Krisenwirtschaft an allen Ecken und Enden an Ausrüstung und an Personal. Über 200 Stellen wurden in den vergangenen Jahren abgebaut. „Das Durchschnittsalter der Belegschaft liegt bei 52 Jahren, in den Aussenbüros sogar noch höher“, erklärt die Betriebsratschefin.

Auch wenn die Situation nicht optimal sei, müsse der Umbau angegangen werden, antwortet Garea auf diese Befürchtungen. Er verspricht einen Plan für digitale Weiterbildung. Der Internetgigant Google soll dies übernehmen, so sieht es ein weitläufiges Abkommen vor. Außerdem wird Google das kostbare Fotoarchiv der EFE – das beste in Spanien und der spanischsprachigen Welt – digitalisieren. Inwiefern Google das Ergebnis für eigene Zwecke nutzen kann, darüber schweigt sich die Direktion bei EFE aus.

Ohne Reform, Entlassungen befürchtet

„Die Verunsicherung der Belegschaft in Zeiten des Wandels“ ist für Garea „völlig normal“. Auch er selbst weiß nicht zu sagen, ob er seinen Plan tatsächlich umsetzten kann. Denn Spanien befindet sich in einer Phase der politischen Unsicherheit. Die Regierung Sánchez bekam keine Parlamentsmehrheit für den Haushalt 2019, in dem unter anderem 56 Millionen Euro für EFE vorgesehen waren. Der Sozialist reagierte mit vorgezogenen Neuwahlen für den 28. April. Es ist alles andere als sicher, ob Sánchez danach weiterregieren wird, oder die Rechtsparteien ihn ablösen. Das brächte dann wohl einen erneuten Wechsel an der EFE-Spitze mit sich. „Die politische Instabilität beeinflusst uns ganz entscheidend“, sagt Garea, der für den Fall, dass die Agentur nicht reformiert wird, für spätestens 2023 Massenentlassungen prophezeit.

 

 

 

 

 

 

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