Der Deutsche Presserat hat nach den Sitzungen seines Beschwerdeausschusses zwischen dem 8. und 10. September sowie am 14. September insgesamt 15 öffentliche Rügen ausgesprochen, darunter gehen allein sechs auf das Konto von „Bild“ oder „Bild.de“. Das Boulevardblatt bleibt damit weiterhin unangefochtener All-Time-Spitzenreiter im Rügen-Ranking. Seit 1986 hat der Presserat 797 Rügen ausgesprochen. 219 davon, also mehr als ein Viertel, kassierte „Bild“.
Insgesamt hat das Gremium der freiwilligen Selbstkontrolle der Presse 149 Beschwerden behandelt, von denen 80 als begründet und 53 als unbegründet erachtet wurden. Zu den Maßnahmen zählen neben den 15 Rügen auch 22 Missbilligungen und 35 Hinweise. Unter den als unbegründet zurückgewiesenen Beschwerden ist etwa auch die über die umstrittene taz-Kolumne „Abschaffung der Polizei: All cops are berufsunfähig“. Nach Ansicht des Presserats sei das „Gedankenspiel der Autorin“ von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die Polizei als Teil der Exekutive müsse sich „gefallen lassen, von der Presse scharf kritisiert zu werden“, und sei „zudem eine gesellschaftlich anerkannte Berufsgruppe, die nicht unter den Diskriminierungsschutz nach Ziffer 12 des Pressekodex fällt, anders als etwa Angehörige von religiösen oder ethnischen Minderheiten“, urteilte der Presserat.
„Bild“: Verstöße gegen Sorgfaltspflicht, Opferschutz und Pflicht zur Zitatwahrheit
Eine der sechs Rügen kassierte „Bild“ für den Bericht über die angeblich „grob falsche“ Corona-Studie des Virologen Christian Drosten. Nach Auffassung der Mitglieder des Beschwerdeausschusses sei die Formulierung „grob falsch“ von den zitierten Expertenmeinungen im Text nicht gedeckt. Weiter habe der Artikel nicht erwähnt, dass es sich bei der „Studie“ um eine Vor-Veröffentlichung handelte. Zudem habe die Redaktion die Studie unsauber zitiert und behauptet, Kinder „können“ so ansteckend sein wie Erwachsene, während der betreffende Abschnitt im englischen Original viel vager mit „könnten“ formuliert gewesen sei. Außerdem habe der Artikel unterstellt, Drosten habe womöglich Tatsachen unterdrückt.
Darüber hinaus wurde „Bild“ für die Veröffentlichung eines Videos, indem wiederholt die Erschießung eines Passanten in New York gezeigt wird, gerügt, die Vorverurteilung eines vermeintlichen Täters, der in Wahrheit selbst Opfer war sowie die Veröffentlichung von Fotos eines Vergewaltigungsopfers und eines Mordopfers. Nach seiner zusätzlichen Video-Sitzung am 14. September, in der über Beschwerden beraten wurde, die in der Woche zuvor aus zeitlichen Gründen nicht mehr behandelt werden konnten, rügte der Presserat „Bild“ außerdem wegen eines Verstoßes gegen die Ziffern 1 und 2 des Pressekodex in einem Bericht über die Hongkonger Demokratie-Aktivisten. Unter der Überschrift „Wir stehen zu Hongkong“ habe es dort geheißen, der Demokratie-Aktivist Joshua Wong appelliere an Deutschland: „Ich bitte die deutsche Regierung: Schaut auf Hongkong, seht, was hier passiert und nennt das Unrecht beim Namen!“ Wong selbst habe jedoch über Twitter bestritten, dass er der Redaktion in diesem Kontext ein Interview gegeben habe. Nach Ansicht des Beschwerdeausschusses des Presserats habe „Bild“ hie deshalb nicht nur gegen die Pflicht zur Zitatwahrheit und –klarheit verstoßen, sondern der Dissident werde durch die ihm zugeschriebene, kritische Äußerung über die chinesische Staatsmacht auch gefährdet.
Weitere Rügen unter anderem für Frauenmagazine
Vier der neun übrigen Rügen hat der Presserat gegenüber Frauen- und Mädchen-Magazinen ausgesprochen. So kassierte etwa „Freizeit Spaß“ eine Rüge für die Berichterstattung über Prinzessin Diana unter der Überschrift „Das ist ihre heimliche Tochter“. Darin wird die komplett erfundene Geschichte um eine angebliche Tochter der verstorbenen Prinzessin erzählt. Weitere Rügen gingen an „Maedchen.de“, „Petra“ und „Gala“.
Darüber hinaus wurden gerügt: „Derwesten.de“, „Nordkurier.de“, „Off Road“ und die „B.Z.“. Letztere für die Berichterstattung über eine Gasexplosion in einem arabischen Restaurant, bei der vier Personen zum Teil schwer verletzt wurden. Der Presserat sah in der Überschrift des Artikels, „Flambierter Döner? Schnellimbiss in der Sonnenallee explodiert“, eine Lächerlichmachung des Leids der Opfer und damit eine schwere Verletzung des Ansehens der Presse nach Ziffer 1 des Pressekodex.