Mit dem Kauf des Senders N24 auf dem Weg zum multimedial vernetzten Medienkonzern
Mit dem Kauf von N24 will Springer endlich den lang gehegten Traum vom multimedial vernetzten Medienkonzern verwirklichen. Wie genau die Fusion des TV-Kanals mit der „Welt“-Gruppe aussehen könnte, ist noch unklar. Die Gewerkschaften drängen auf Tarifbindung.
Es ist gerade mal sieben Jahre her, dass Springer mit hochtrabenden Plänen für einen Multimedia-Konzern scheiterte. Damals vereitelten Bundeskartellamt und die Kontrolleure der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) die Übernahme von ProSiebenSat.1. Gemessen an den damaligen Ansprüchen ist die Übernahme des einstigen ProSiebenSat.1-Senders N24 ein vergleichsweise unspektakulärer Schritt. Denn anders als von manchen Medien suggeriert, handelt es sich bei N24 keinesfalls um eine Art deutsches CNN. Im Grunde ist schon die Bezeichnung „Nachrichtenkanal“ der pure Euphemismus. Dem Sender hängt zu Recht das Image einer Plattform für billige Panzer- und Katastrophen-Dokus an. Wer zur Prime Time einschaltet, kann regelmäßig Perlen wie „Miami County Jail – Hinter Gittern im Sunshine State“ sehen, gefolgt von „Wärterinnen im Miami County Jail“. Aus dieser – dem Vernehmen nach immer noch defizitären – Resteverwertungsrampe einen ernst zu nehmenden News-Kanal zu machen, dürfte nicht einfach sein.
„Das Digitalzeitalter hat alle Chancen, zum Goldenen Zeitalter des Journalismus zu werden.“ So tönte Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner noch vor wenigen Monaten zum nicht geringen Erstaunen der Branche (M 6/13). Erstaunen deshalb, weil Deutschlands größtes Zeitungshaus sich zum gleichen Zeitpunkt anschickte, den Kern seiner publizistischen Produktion abzustoßen. Mit dem Verkauf des Hamburger Abendblatts, der Berliner Morgenpost, der HörZu und anderer Traditionstitel signalisierte Springer für viele, dass ihm der Glaube an die digitale Zukunft des Journalismus abhanden gekommen war. Insofern kommt die Übernahme von N24 und die gleichzeitige Verpflichtung einer Reihe namhafter Autoren wie Stefan Aust, Henryk M. Broder und Matthias Matussek einigermaßen überraschend.
Der TV-Sender soll „ein zentraler Bewegtbildlieferant für alle Marken von Axel Springer werden“, verkündete Springer-Vorstandsmitglied Jan Bayer unmittelbar nach Bekanntwerden des Deals. Die Digitalredaktion von N24 soll mit der Redaktion der Welt-Gruppe verzahnt werden. Die Welt ist das publizistische Projekt im Hause Springer, das seit Jahrzehnten rote Zahlen schreibt. Weshalb der Verlag seit Jahr und Tag nur die wirtschaftlichen Ergebnisse der gesamten Welt-Gruppe ausweist. Bis vor kurzem noch versuchte Döpfner, die Probleme des Flaggschiffs Welt durch Zusammenlegung mit dem Hamburger Abendblatt und Berliner Morgenpost zu lösen. Angeblich mit Erfolg. Doch mit dem Verkauf der Regionalblätter an die Funke-Gruppe heißt es nun wieder: Rolle rückwärts! Entflechtung, statt dessen: Integration mit N24.
N24-Geschäftsführer Torsten Rossmann gibt sich vor der noch unter kartellrechtlichem Vorbehalt stehenden Fusion selbstbewusst. Man habe sich innerhalb der dreieinhalbjährigen Eigenständigkeit die Marktführerschaft im Nachrichtenfernsehen „souverän behauptet“. Zudem sei man als Produzent von ProSieben, Sat.1 und Kabel Eins ein professioneller Partner der ProSieben.Sat.1-Gruppe. Beleg sei die vorzeitige Verlängerung des Vertrags über Nachrichtenzulieferung um weitere drei Jahre bis Ende 2019. Zur „langfristigen Sicherung“ und angesichts der digitalen Herausforderung sei der Verkauf an Springer die beste Zukunftsoption, so Rossmann in einer Mitteilung an die „lieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“.
Unter den rund 300 Beschäftigten von N24 ist die Stimmung allerdings nicht einhellig positiv. Manch einer beklagt den bevorstehenden Verlust der Eigenständigkeit. Andererseits arbeitet N24 schon seit Jahren reibungslos mit Springer zusammen. Auf bild.de tauchen regelmäßig Livestreams des TV-Senders auf. Nicht wenige hoffen, perspektivisch von den nach wie vor besseren materiellen Konditionen im Hause Springer zu profitieren. Tarifliche Bindungen existieren bei N24 längst nicht mehr. Doch auch die Fusion zu einer gemeinsamen Multimedia-Redaktion mit der Welt-Gruppe dürfte kaum ohne Einsparungen über die Bühne gehen. „Im Interesse der Beschäftigten erwarten wir“, so der vorsorgliche Hinweis des stellvertretenden ver.di-Vorsitzenden Frank Werneke, „dass Axel Springer diese Umstrukturierung auch tarifvertraglich absichert und alle beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Print, Online, Produktion und Vertrieb in den Schutz von Tarifverträgen einbezieht“.
Bei aller Umtriebigkeit des Springer-Konzerns: Etwas wirklich Kreatives wie etwa die Gründung einer eigenen neuen Medienmarke hat Döpfner bislang nicht geschafft. Um dennoch den Eindruck zu erwecken, es ginge ernsthaft um Journalismus, hat er jetzt eine Handvoll bekannter Journalisten verpflichtet. Bei aller Wertschätzung der Fähigkeiten und Verdienste eines Stefan Aust: Man hätte dem einstigen Spiegel-Chef einen würdigeren Abschluss seiner beruflichen Vita gewünscht, als ausgerechnet auf der Payroll von Springer zu landen, und sei es als Herausgeber der Welt.