Der KiKa müsste neue Formate entwickeln

Die Maus wird 50! Das muss gefeiert werden, meinen hier (v.l.n.r) Jana Forkel, André Gatzke und Clarissa Correa da Silva.
Foto: WDR/Annika Fusswinkel

Am 7. März wird die „Sendung mit der Maus“ fünfzig Jahre alt. Armin Maiwald ist einer der „Väter“ des Klassikers im Kinderfernsehen, der Kindern mit Lach- und Sachgeschichten seit 1971 im „Ersten“ die Welt erklärt. Der Maus-Miterfinder ist für die Sachgeschichten zuständig. Sie werden, wie er zum Jubiläum eröffnete, vor der Ausstrahlung keinem einzigen Kind gezeigt. Doch will Maiwald mehr Aufmerksamkeit für ein Fernsehen, das sich wirklich um die Bedürfnisse der Kinder kümmert.

Armin Maiwald, unter anderem mit dem Grimme-Preis mit Gold (1988) und dem Bundesverdienstkreuz (1995) geehrt, macht mit seiner Kölner Produktionsfirma Flashfilm, die er seit 2009 gemeinsam mit seinem langjährigen Mitarbeiter Jan Marschner führt, noch immer fast ein Dutzend Sachgeschichten-Filme pro Jahr. M sprach mit dem 81-Jährigen.

M: Herr Maiwald, wie sehr hat sich das Kinderfernsehen in den fünfzig Jahren, seit es die „Sendung mit der Maus“ gibt, verändert?

Armin Maiwald: Die größte Veränderung hat sicherlich im ersten Programm stattgefunden. In den Siebzigern und Achtzigern, zum Teil auch bis in die Neunziger, hatte das Kinderfernsehen unendlich viele Sendeplätze und ein großes dokumentarisches Angebot. Heute gibt’s im „Ersten“ fast nur noch die „Maus“.

Armin Maiwald
Foto: WDR/Annika Fußwinkel,

Wie steht es um die Qualität?

Bei den Privatsendern braucht man die Qualitätsfrage gar nicht erst stellen, aber im öffentlich-rechtlichen Fernsehen hat sie meiner Ansicht nach ebenfalls stark nachgelassen.

Ihr früherer Auftraggeber beim WDR, Gert K. Müntefering, hat vor einigen Jahren bemängelt, dass das Kinderfernsehen in der Öffentlichkeit keine Rolle mehr spiele. Ist es nicht mehr der Rede wert?

Diese Feststellung trifft ja nicht nur fürs Fernsehen zu. Kinder haben in unserem Land keine Lobby und sind nur dann Thema, wenn ein Missbrauchsfall für Schlagzeilen sorgt. Ihre Probleme kommen viel zu selten zur Sprache. Da ist es doch keine Überraschung, dass sich niemand fürs Kinderprogramm interessiert. Das Fernsehen, auch das Kinderfernsehen, ist schließlich ein Spiegel der Gesellschaft.

Und die sah in den Siebzigern anders aus?

Damals war das Fernsehen noch ein relativ junges Medium, man hatte Zeit, Geduld und Muße, um Dinge auszuprobieren. Wir durften auch sehr viel mutiger sein. Ich erinnere mich an einen Film über die Frage, wie ein geschlachtetes Rind verarbeitet wird. Der Beitrag begann mit dem Bolzenschuss im Schlachthof und endete mit dem Steak auf dem Teller. Das würde heute keine Redaktion mehr abnehmen. In den Sendern war die Bereitschaft größer, Zuschauerproteste auszuhalten und dazu zu stehen, dass unsere Filme die Wirklichkeit abbilden. Der aufbegehrende, um nicht zu sagen revolutionäre Charakter dieser Anfangszeit des Kinderfernsehens ist verloren gegangen.

Lässt sich so auch das Desinteresse an innovativen Ansätzen erklären?

Ja, es geht vor allem darum, dass Bewährte zu bewahren. Bloß keine Experimente, denn sie könnten ja schiefgehen. Ich sehe keine große Bereitschaft, mal was völlig Neues auszuprobieren.

Finden Sie es eigentlich gut, dass das öffentlich-rechtliche Kinderfernsehen seinen eigenen Sender hat?

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde: toll, dass es ihn gibt. Das Programm ist mir zu aufgesetzt, zu dauerfröhlich. Der Kika müsste ein Sender sein, der sich ausschließlich um die Bedürfnisse der Kinder kümmert und neue Formate entwickelt. Das war aber offenbar nie der Plan. Der Sender sollte von Anfang bloß Abspielstation für die Produktionen von ARD und ZDF sein.

Immerhin hat die „Sendung mit der Maus“ dort einen garantierten Sendeplatz. Hätten Sie je geglaubt, dass sie mal fünfzig wird?

Nein, das ist für mich wie ein Wunder, genauso wie die vielen positiven Zuschriften, die wir immer noch bekommen. Menschen jedes Alters fühlen sich nach wie vor gut bei uns aufgehoben, das ist ein sehr schönes Gefühl.

Weil die „Maus“ auch heute noch nach dem klassischen Rezept funktioniert? Oder erzählen Sie Ihre Geschichten anders als in den Anfangsjahren?

Zu Beginn sind unsere Filme komplett ohne Kommentar ausgekommen. Dann haben wir angefangen, gelegentlich Stichwörter oder Halbsätze einzustreuen, weil Kinder bestimmte Dinge sonst nicht verstanden hätten. Mittlerweile sind die Filme von vorn bis hinten durcherzählt, weil sich auch die Themen geändert haben. Versuchen Sie mal ohne Worte zu erklären, wie ein Smartphone funktioniert.

Hat sich auch Ihre eigene Herangehensweise gewandelt?

Nein, die orientiert sich wie schon vor fünfzig Jahren an drei Punkten. Am Anfang steht eine saubere Recherche. Wir recherchieren, bis es weh tut. Die eigentliche Herausforderung besteht aber darin, eine Dramaturgie hinzubekommen, damit tatsächlich eine Geschichte draus wird, die nicht langweilt. Danach gehen wir, drittens, in logischen Schritten vor, wobei diese Schritte kleiner sind als für Erwachsene. Wir versuchen immer vom Bekannten ins Unbekannte vorzustoßen, oft auch über Umwege, die eine Geschichte aber meist erst richtig spannend und interessant machen.

Sind Sie auch mal woanders gelandet als geplant?

Na klar, aber Fehlversuche ergeben oft ebenfalls gute Geschichten. Außerdem kennen die Kinder das aus ihrem eigenen Leben, da klappt ja auch nicht immer alles beim ersten Mal. Wir haben mal drei Jahre lang vergeblich versucht, eine bestimmte seltene Blume dabei zu filmen, wie sie ihre Blüte öffnet. Kinder können aus solchen Misserfolgen lernen, dass es immer auch die Möglichkeit des Scheiterns gibt; das muss man sportlich sehen.

Welche Sachgeschichten sind Ihnen in besonders guter Erinnerung geblieben?

Vor allem zwei, weil beide außerordentlich schwierig zu realisieren waren. In der „Nachkriegs-Maus“ habe ich versucht zu erzählen, wie die Welt ausgesehen hat, als ich 1946 mein erstes Schuljahr erlebt habe. Ich war kurz davor aufzugeben, weil ich das Gefühl hatte, nur an der Oberfläche kratzen zu können. Und die „Geschichte von Katharina“ war das Porträt eines Mädchens, das in der Nacht zum 25. Geburtstag der „Maus“ gestorben war. Dies war einer der ganz wenigen Filme, bei denen ich nur mit Gesprächen gearbeitet habe; Interviews sind bei uns eigentlich tabu, auch wenn in Ausnahmefällen mal der eine oder andere Experte auftritt.

Sie wirken sehr mit sich im Reinen. Haben Sie nie bereut, in Ihrem Berufsleben nichts anderes als die Sachgeschichten gemacht zu haben?

Nein, die Frage habe ich mir nie gestellt. Gerade in den ersten zwanzig Jahren hat uns die Redaktion regelmäßig mit neuen Herausforderungen konfrontiert, was Form und Inhalt unserer Filme anging, deshalb war auch immer Abwechslung garantiert. Wenn ich jemals festgestellt hätte, dass meine Neugier und meine Motivation nachlassen, hätte ich mit den Sachgeschichten aufgehört.

Sie sind jetzt 81. Keine Lust auf Ruhestand?

Ich trete schon seit einiger Zeit etwas kürzer. Aber bevor ich zuhause sitze und meiner Frau auf die Nerven gehe, drehe ich doch lieber noch zehn oder zwölf Filme pro Jahr, solange Körper und Geist mitmachen.


So wird der runde „Maus-Geburtstag“ gefeiert:

Bereits am 6. März läuft „Frag doch mal die Maus – Die große Geburtstagsshow“ um 20.15 Uhr in der ARD.

„Die Geburtstagssendung mit der Maus – Hallo Zukunft“ ist am Jubiläumssonntag zu sehen. Sie läuft im Ersten um 9 Uhr, bei KiKa um 11.30 Uhr. Auf KiKa gibt es danach um 14:00 Uhr „Die Maus wird 50!“ mit den liebsten Sach- und Lachgeschichten, für die die jungen Zuschauer*innen selbst abgestimmt haben.

Weitere Jubiläumsbeiträge von Bastelideen bis „Geburtstagssong“ finden sich hier.

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