Achtung Kontrolle: den Ausweis bitte!

Portrait von Jasper Prigge

Jasper Prigge, Rechtsanwalt für Urheber- und Medienrecht in Düsseldorf Foto: Kay Herschelmann

Journalist*innen kommen bei ihrer Arbeit immer wieder in Kontakt mit der Polizei. Unangenehm kann es werden, wenn die Beamt*innen polizeiliche Maßnahmen ergreifen, beispielsweise durch eine Kontrolle des Ausweises und eine Abfrage der Daten bei der Dienststelle. Wann darf die Polizei die Identität feststellen und wie sollten sich Journalist*innen in dieser Situation verhalten?

Für eine Kontrolle braucht es einen bestimmten Anlass. Wenn die Polizei den Verdacht hat, dass eine Person eine Straftat begangen hat, kann sie diese zu ihren Personalien befragen (§ 163b Abs. 1 der Strafprozessordnung – StPO). Im Allgemeinen sind der Name, Geburtstag und -ort, Familienstand, Beruf, Adresse und Staatsangehörigkeit zu nennen. Das gilt natürlich auch für Journalist*innen, die sich mit ihrem Presseausweis als solche zu erkennen geben.

Die Identitätsfeststellung dient hier der Aufklärung des Sachverhalts und der Durchführung des Strafverfahrens. Eine Verweigerung oder falsche Angaben können als Ordnungswidrigkeit geahndet werden und ein Bußgeld nach sich ziehen (§ 111 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz – OWiG). Es besteht aber keine Verpflichtung, etwas zum Tatvorwurf zu sagen, und die Polizei muss die betroffene Person über ihr Schweigerecht auch belehren.

Zur Überprüfung der Angaben kann die Polizei auch Ausweisdokumente verlangen. Darüber hinaus darf sie die verdächtige Person und die von ihr mitgeführten Gegenstände durchsuchen, wenn die Identität sonst nicht festgestellt werden kann. Ist eine Feststellung der Identität vor Ort nicht möglich, können die Beamt*innen die betroffene Person auch zur Wache mitnehmen und bis zu 12 Stunden festhalten.

Es kommt mitunter vor, dass Anzeigen gegen Journalist*innen gezielt genutzt werden, um sie in ihrer beruflichen Tätigkeit zu behindern. So wird von Teilnehmenden an Versammlungen mitunter behauptet, von ihnen seien unzulässigerweise Porträtaufnahmen gefertigt worden. In diesen Situationen sollten Journalist*innen versuchen, den Beamt*innen ruhig und sachlich zu erläutern, dass ihre berufliche Tätigkeit vor Ort erlaubt ist und keine Gefahr besteht, dass Foto- oder Videoaufnahmen unter Verstoß gegen das Recht am eigenen Bild veröffentlicht werden. Es hat sich bewährt, sich bei der Pressestelle vorab anzukündigen, um im Ernstfall eine*n Ansprechpartner*in zu haben.

Werden Journalist*innen nicht verdächtigt, sondern können möglicherweise als Zeug*innen zur Aufklärung einer Straftat beitragen, ist eine Identitätsfeststellung ebenfalls zulässig. Auch an dieser Stelle sind Angaben zur Sache aber nicht zwingend notwendig. Denn es gibt auch für Zeug*innen keine generelle Pflicht, Fragen der Polizei zur Sache zu beantworten. Eine Ausnahme gilt bei einer Vorladung durch die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft. Antworten sind ferner verpflichtend bei einer Befragung durch die Staatsanwaltschaft oder einen Richter. Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StPO können Journalist*innen aber auch in diesen Fällen die Angaben verweigern, soweit beispielsweise ihre Informanten oder „berufsbezogene Wahrnehmungen“ (eigene Beobachtungen oder Recherchegespräche …) betroffen sind.

Übrigens: Besteht die Besorgnis, dass Dritte die Adresse in Erfahrung bringen können, sollten Journalist*innen bereits vor Ort darum bitten, dass sie im Falle einer Akteneinsicht geschwärzt wird. Diese Bitte sollte im Nachgang gegenüber der zuständigen Staatsanwaltschaft wiederholt werden.

Abseits eines Ermittlungsverfahrens ist eine Identitätsfeststellung auch möglich, wenn hierdurch eine Gefahr abgewehrt werden soll. Dies richtet sich nach den Polizeigesetzen von Bund und Ländern. Bereits ausreichen kann, dass sich die betroffene Person an einem Ort aufhält, an dem Straftaten verabredet, vorbereitet oder verübt werden.

Fragt die Polizei nach dem Ausweis, sollten sich Journalist*innen zunächst nach dem Grund erkundigen. Geht es um strafrechtliche Ermittlungen, werde ich einer Tat beschuldigt? Als Beschuldigte*r ist eine Äußerung zur Sache in keinem Falle zu empfehlen. Vielmehr sollte im Nachgang eine Akteneinsicht über eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt beantragt werden. Denn eine vorschnelle Äußerung kann die Verteidigungsmöglichkeiten später deutlich einschränken. Erst durch die Einsicht in die Ermittlungsakte wird eine „Waffengleichheit“ zu den Ermittlungsbehörden hergestellt, vorher erfolgt jede Einlassung im Blindflug.

Werden Journalist*innen als Zeugen um ihre Personalien gebeten, sollten sie gegebenenfalls auf ihre berufliche Tätigkeit und das ihnen zustehende Zeugnisverweigerungsrecht hinweisen. Einer Durchsicht von Foto- und Videomaterial sowie einer Beschlagnahme von Datenträgern sollten sie widersprechen.

Erfolgt die Identitätsfeststellung zum Zwecke der Gefahrenabwehr, können Journalist*innen eine schriftliche Bestätigung der Maßnahme verlangen (§ 37 Abs. 2 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG). Voraussetzung ist, dass dies unverzüglich geschieht und sie geltend machen, das Vorgehen rechtlich prüfen lassen zu wollen. Es empfiehlt sich, die Bitte um Bestätigung im Nachgang per E-Mail unter Angabe des Zeitpunkts und des Orts der Kontrolle gegenüber der Behörde zu wiederholen.

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