„Wir müssen kein finanziell konkurrenzfähiges Produkt herstellen, sondern können mit Texten und Design experimentieren. Unsere Herausforderung ist, jedes Mal ein spannendes und ansprechendes Heft zu konzipieren“, so Thomas Susanka, Chefredakteur des Wissenschaftsmagazins „Science Notes“. Seit 2018 erscheint es als gedrucktes Heft mit Online-Kostproben – mit dem Ziel, Wissenschaft verständlich und erfahrbar zu machen.
„Science Notes“ ist ein Projekt des Seminars für Allgemeine Rhetorik an der Universität Tübingen, das Dr. Thomas Susanka, der über Kriegsfotografie promovierte, leitet. Im Gespräch mit M erzählt er, die Idee zum Magazin entstand 2013 aus einer Veranstaltungsreihe, in der Wissenschaftler*innen in Clubatmosphäre mit Musik über ihre Forschung, etwa zu Klimawandel, berichteten. Auf den langen Zugfahrten zu den Clubs der Republik sei er auf die Idee gekommen, die erfolgreiche Bühneninszenierung in ein „Magazin zu überführen, das man gerne liest.“
„Science Notes“ erscheint zweimal im Jahr und kostet sechs Euro. Das Magazin in unterschiedlichen Formaten mit 60 bis über 100 Seiten ist immer ein Unikat. Die erste Ausgabe „Optimal“ vom Februar 2018 ist bereits ausverkauft. Dort geht es um das „Optimum“: die aromatischsten Erdbeeren, ideal angepasste invasive Arten, innovative Anbaumethoden oder das optimale Fußballspiel. In jedem Heft wird ein Thema aus verschiedenen Forschungsperspektiven umkreist. So ist die optimale Entscheidung nicht immer die beste, wie ein Beitrag über wissenschaftliche Erkenntnisse aus Ökonomie, Mathematik, Psychologie, Verhaltensökonomie und Spieltheorie zeigt. Ende März dieses Jahres erscheint nun die „Science Notes“ Nr. 10 mit dem Thema „Über Nacht“ und Heft 2/2023 wird sich mit „Wachsen“ befassen.
Auf die Frage nach den erfolgreichsten Heften, nennt Susanka die inzwischen auch vergriffene Ausgabe zum Thema „Graben“, die für ihre innovative Gestaltung vom Deutschen Designer Club ausgezeichnet wurde. Nominiert für diesen Preis wurde auch „Wildnis“, das die Sehnsucht vieler Menschen nach Natur berühre. Auf besonders große Resonanz sei die Nr. 9 „Was ist Frau?“ gestoßen – „ein sehr politisches Thema“, so Susanka. Das Beitragsspektrum reicht von „Mythos rosa Gehirn“ bis zum Kampf von Feministinnen rund um den Globus.
Der Fokus liege auf Naturwissenschaften, aber es gebe auch philosophische, politische Texte. Für ihn persönlich sei ein literarischer Beitrag pro Heft wichtig, umreißt Chefredakteur Susanka das inhaltliche Konzept. Außer ihm gibt es zurzeit drei fest angestellte Redakteur*innen bei „Science Notes“, freie Wissenschaftsjournalist*innen und Gestalter*innen, die alle „gut und fair bezahlt“ würden.
Das sei möglich, weil die Klaus-Tschira-Stiftung das Magazin als Modellprojekt für einen stiftungsfinanzierten Wissenschaftsjournalismus jeweils für drei Jahre fördere, um es dann zu evaluieren. Auf die Frage, ob das nicht Abhängigkeiten schaffe, meint Susanka, eine Finanzierung durch Medienverlage sei noch unsicherer, wie das Schicksal von Geo Wissen zeige, dessen Einstellung Gruner + Jahr im Februar 2023 verkündete. Er betrachtet die Stiftungsfinanzierung als „wahnsinnige Chance“.
Obwohl „Science Notes“ keine Werbung macht und das Heft fast nur über Bahnhofskioske verkauft wird, ist die Zahl der Abos mittlerweile auf 4.000 gestiegen. Das „Science Notes“-Publikum bestehe zum Großteil aus jungen Männern und vor allem Frauen zwischen 25 und 35 Jahren mit einem Bildungshintergrund, die „Lust auf Wissenschaft haben“.