Filmtipp: Die Unbeugsamen 2

Foto: © Majestic/Deutsche Fotothek/Gerhard Weber

Torsten Körners Dokumentarfilm „Die Unbeugsamen“ war eine Collage aus zeitgenössischen Aufnahmen und aktuellen Interviews mit all’ jenen Frauen, die Angela Merkel einst in der Bonner Republik den Weg ins Kanzleramt geebnet haben. Schon damals war Körner klar: Das ist nur die halbe Wahrheit. Mit der Fortsetzung präsentiert er das Gegenstück. Nun geht es um mächtige Frauen aus der DDR.

Filmplakat
»Die Unbeugsamen 2«

Anders als im Westen waren ostdeutsche Frauen bereits ab 1950 gleichberechtigt; zumindest auf dem Papier. Die Interviewaussagen verdeutlichen allerdings, dass die Umsetzung der Theorie in der Praxis auf viele Vorbehalte stieß. Zwar gelang es einigen tatsächlich, Führungspositionen zu erobern, aber die Anerkennung der Männer mussten sie sich erst erkämpfen. An die Schaltstellen der Macht gelangten sie ohnehin nicht.

„Guten Morgen, ihr Schönen!“

Wie der erste Film ist auch der zweite – für den Titelzusatz „Guten Morgen, ihr Schönen!“ hat sich Körner bei Maxie Wanders fast gleichnamigem Porträtbuch bedient – eine gerade dank vieler DDR-Hits kurzweilige Kombination aus TV- und Spielfilmausschnitten sowie Gesprächen mit einstigen Arbeiterinnen und Politikerinnen. Interessant ist dabei vor allem der Blick der Töchter, viele von ihnen Künstlerinnen, die verdeutlichen, welchen Preis ihre Mütter für die Gleichberechtigung zahlen mussten. Sie waren zwar voll berufstätig und daher finanziell unabhängig, aber Haushalt und Kindererziehung blieben trotzdem Frauensache. So kommt der unkommentierte Film zu der überraschenden Erkenntnis, dass sich die weiblichen Träume vom kleinen Urlaubsglück hüben und drüben gar nicht so sehr unterschieden. Davon abgesehen war die Vollbeschäftigung keineswegs das Resultat von männlicher Solidaritä. Hätten die Frauen nicht gearbeitet, wäre die DDR viel früher pleite gewesen.

Rückblick ohne Verklärung

Körner, Jahrgang 1965, ist gebürtiger Oldenburger, was ihm womöglich den Vorwurf einbringt, es sei anmaßend, sich mit der Historie eines Landes auseinanderzusetzen, in dem er nicht aufgewachsen ist. Auf die Auswahl der Ausschnitte mag das zutreffen, aber es sind ja die Zeitzeuginnen, die die Geschichte erzählen, und das tun sie größtenteils ohne Zorn. Nach der Wiedervereinigung war der westlich-arrogante Blick auf die DDR von der Frage geprägt, wie die Ostdeutschen ein richtiges Leben im falschen führen konnten. Wobei die Menschen im Westen gern vergaßen, dass Demokratisierung und Wohlstand ein Geschenk der Westmächte waren.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Während TV-Dokumentationen über die DDR in der Regel nie ohne das Thema Stasi auskommen, wird es hier nur am Rande erwähnt, als Amrei Bauer berichtet, dass die Paranoia ihrer Mutter, der Malerin Annemirl Bauer, keineswegs ein Hirngespinst war. Die Berichte sind zwar weit davon entfernt, die Vergangenheit ostalgisch zu verklären, doch die Schilderungen lassen vermuten, dass Frauen zumindest aus ihrer subjektiven Sicht ganz andere Selbstverwirklichungsmöglichkeiten hatten als im Westen; selbst wenn die Emanzipation in der Gesellschaft noch längst nicht so weit war, wie es das auch im Westen sehr beachtete letzte Werk von Konrad Wolf, „Solo Sunny“ (1980), nahelegte.

Heldinnen der Arbeit

Körner setzt ohnehin gern Reizpunkte, indem er die offizielle Geschichtsschreibung durch die Richtigstellungen der ausnahmslos meinungsstarken Frauen konterkariert. Manchmal ist das durchaus witzig, mitunter betrüblich, aber nie verbittert. Sehr überzeugend ist auch das repräsentierte Spektrum: Hier die Heldinnen der Arbeit, dort die Politikerinnen, dazwischen unter anderem Schauspielerin Katrin Sass. Besonders beeindruckend sind die Ausführungen der Schriftstellerin Katja Lange-Müller, die von einem „unhandlichen Leben“ spricht.

Eine signifikante Leerstelle des ersten Films war die fehlende Verknüpfung mit der Gegenwart. Das ist diesmal anders, weil die Frauen nach der Wiedervereinigung feststellen mussten, dass der Westen in Sachen Gleichberechtigung deutlich hinterher hinkte. Erschütternder war für viele jedoch eine andere Erfahrung, die bis heute nachwirkt. Katrin Seyfarth, einst LPG-Vorsitzende, findet dafür eine treffende Metapher: Sie hatte die DDR immer als großen, starken Baum gesehen. Als er 1989 umfiel, musste sie erkennen: „Der hatte keine Wurzeln.“ Die DDR war ein Traumland, das in Wirklichkeit nie existiert hat.


Ab 29. August im Kino

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Was tun gegen defekte Debatten

Das Land steckt in der Krise und mit ihm die Diskussionskultur. Themen wie Krieg und Pandemie, Migration und Rechtsextremismus polarisieren die politische Öffentlichkeit. In ihrem Buch „Defekte Debatten: Warum wir als Gesellschaft besser streiten müssen“ suchen Julia Reuschenbach, Politikwissenschaftlerin an der FU Berlin und Korbinian Frenzel, Journalist und Redaktionsleiter Prime Time bei Deutschlandfunk Kultur, nach Auswegen aus der diskursiven Sackgasse.
mehr »

Content, Streaming und Transformation

Medienkonvergenz erfordert neue Geschäftskonzepte und eine funktionierende Infrastruktur. Doch beides ist eine Herausforderung, die es zu meistern gilt. Wie? Das wurde auf einer der weltgrößten Telekommunikationsmessen diskutiert: Der Anga Com in Köln. Auf der Kongressmesse für Breitband, Fernsehen und Online wird auch das neue Digitalministerium in die Pflicht genommen.
mehr »

Breiter Protest gegen Radiokürzungen

Als die Bundesländer im vergangenen September Reformvorschläge für ARD, ZDF und Deutschlandfunk vorgelegt haben, war klar: Diese beinhalten starke Kürzungen. Die ARD-Häuser müssen im Auftrag der Politik über die Verringerung von Radiowellen entscheiden. Die Anzahl der regionalen Hörfunkprogramme in der ARD soll demnach von rund 70 Wellen auf 53 sinken. Dagegen regt sich breiter Protest.
mehr »

Filmtipp: Code der Angst

Der Filmemacher Appolain Siewe spürt in seinem Film „Code der Angst“ der Ermordung des kamerunischen Journalisten Eric Lembembe nach. 2013 wird der junge Journalist und LGBTI*-Aktivist Lembembe in Kamerun ermordet. Dieses und weitere Verbrechen gegen Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, lassen Appolain Siewe keine Ruhe. Der Filmemacher ist in Kamerun geboren und aufgewachsen und lebt heute in Berlin.
mehr »