Weiterhin keine Einigung im ÖRR

Streik beim WDR im Köln.

Streik beim WDR im Köln. Foto: ver.di

Die Fronten sind verhärtet wie nie in der Tarifauseinandersetzung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR). Seit nunmehr mehr als neun Verhandlungsrunden streiten Gewerkschaften – allen voran ver.di und nachgelagert DJV und unisono – mit den Intendanten der Rundfunkanstalten der Länder um bessere Löhne, Gehälter und Honorare. Mehr noch: Es geht letztlich auch um das Fortbestehen der qualitativ hochwertigen Programm- und Angebotspalette im ÖRR. Dafür bestreiken die Gewerkschaften in noch nicht erlebten Streiks die ARD.

Nach festgefahrenen Verhandlungen, die seit mehr als neun Monaten laufen, stand bis Ende September eine unabhängige Schlichtung im Raum. Diese haben die Gewerkschaften angeregt. Der aktuelle ARD-Vorsitzende und Intendant des SWR, Kai Gniffke, hat diesen Vorschlag abgelehnt. Zuvor hatten die Gewerkschaften bereits Anfang September das Scheitern der Verhandlungen im SWR erklärt und eine Schlichtung vorgeschlagen. Auch ein vertrauliches Treffen, zu dem es schließlich am  am 1. Oktober kam, brachte keine Einigung.

Stattdessen hatte die ARD eine bislang nicht in diesen Schlichtungsvorschlag involvierte vierte Organisation abrupt ins Spiel gebracht. Hierbei handelt es sich um die Vereinigung der Rundfunk-, Film- und Fernsehschaffenden (VRFF). Sie vertritt nach eigenen Angaben seit mehr als 60 Jahren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowohl von Rundfunk-, Film- und Fernsehanstalten als auch in Produktionsstätten. Die VRFF versteht sich als Fachgewerkschaft unter dem Dach des „dbb beamtenbund und tarifunion“.

ver.di kritisiert Verhandlungsstrategie

Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und unisono hatten daraufhin zunächst die Teilnahme an dem geplanten Gespräch abgesagt. Der für Medien zuständige ver.di-Bundesvorstand Christoph Schmitz-Dethlefsen erklärte dazu: „Die ARD-Verantwortlichen mauern sich in ihrer Verhandlungsstrategie ein und öffnen sich keinem möglichen Blick von neutralen Vermittlerinnen oder Vermittlern, um den Tarifkonflikt lösen zu können.“ Auch in anderen ARD-Rundfunkanstalten und im ZDF sind die Verhandlungen festgefahren und führten im Laufe der vergangenen Woche zu bundesweiten Streiks.

Ver.di fordert konkret 10,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt sowie Mindesterhöhungen von 500 Euro für die Beschäftigten und 250 Euro für Auszubildende über eine Laufzeit von 12 Monate. Angesichts der zuletzt guten Ergebnisse aus dem öffentlichen Dienst der Länder und von „immensen Kaufkraftverlusten“ der Vergütungen – nicht nur beim SWR – in den vergangenen zwei Jahren sei dieses Angebot gerechtfertigt, meint ver.di in einer Stellungnahme.

„Mit den bisherigen Tarifangeboten liegt die ARD weit abseits der Forderungen und Vorstellungen der Gewerkschaftsmitglieder.“

„Angemessene Tariferhöhungen werden abgelehnt, und eine faire Verteilung von möglichen Einkommenssteigerungen durch soziale Komponenten für niedrigere Tarifgruppen werden kategorisch ausgeschlossen“, erklärt Schmitz-Dethlefsen weiter.

Abkopplung der Tarifentwicklung

Es geht laut ver.di um die Grundsatzfrage der Abkopplung von der Tarifentwicklung des öffentlichen Diensts, was ver.di scharf kritisiert. „Das wäre historisch einmalig, wenn die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst (der Länder) sich nicht auch auf die Gehälter, Löhne und Honorare der Beschäftigten im ÖRR auswirken“, so Schmitz-Dethlefsen.

Die Landesrundfunkanstalten bieten deutlich weniger an als von ver.di gefordert. Zuletzt sah das verbesserte Angebot des SWR etwa im Volumen eine dauerhafte Erhöhung von 7,5 Prozent vor. „7,3 Prozent in zwei Stufen sowie strukturelle Komponenten und zusätzliche Einmalzahlungen in Höhe von 6.400 Euro für die unteren Vergütungsgruppen und Honorarstufen und 2.000 Euro für die übrigen Tarifbeschäftigten“, teilt der SWR auf Anfrage mit. Und: Der SWR gehe mit diesem Angebot an die Grenze des finanziell Möglichen. Würde der SWR einem Tarifabschluss, so wie die Gewerkschaften fordern, zustimmen, könnte dies zusätzlichen Personalabbau oder Auswirkungen auf die Programme und Angebote auslösen, sagt der Sender. Im Zuge der inzwischen neun Verhandlungsrunden und drei Tarifführergesprächen hat der SWR sein Angebot dennoch mehrfach nachgebessert.

WDR und NDR machen Angebote

Auch der WDR und der NDR sehen das gewerkschaftliche Angebot als zu hoch an und bieten eine Gehaltserhöhung von insgesamt mehr als sieben Prozent für drei Jahre und einer Einmalzahlung an. „Die Gewerkschaftsforderungen von mehr als zehn Prozent Steigerung nur für 2024 sind weit von der finanziellen Realität im WDR entfernt und würden zu jährlichen Mehrkosten von rund 50 Millionen Euro führen“, heißt es aus Köln auf Nachfrage.

Parallel zu den Tarifverhandlungen verhandelt der WDR mit den Gewerkschaften ver.di und DJV über einen neuen Honorarrahmen für freie Mitarbeitende. Zudem steht der WDR weiterhin dazu, dass der Honoraretat gleichbleiben wird. „Ziel ist neben der Abbildung neuer Arbeitsweisen auch eine Umschichtung der Honorare ins Digitale, die den WDR zukunftsfest macht. Dabei werden auch lineare Ausspielwege weiterhin gut und fair bezahlt“, beteuert der WDR in Hinblick auf die so wichtigen freien Mitarbeiter*innen, die viele Schichten, auch an Wochenenden oder abends, übernehmen, und so maßgeblich zur immer noch großen Programmvielfalt und zu den hochwertigen Inhalten beitragen.

Ganz ähnlich äußert sich der NDR aus Hamburg. „Der NDR ist dem Gebot der Wirtschaftlichkeit verpflichtet und darf keine unverhältnismäßigen Zusagen machen. Seinen Beschäftigten bietet der NDR mit dem aktuellen Angebot verlässlich Honorar- und Gehaltssteigerungen an – unabhängig davon, ob und wann die Beitragsanpassung umgesetzt wird.“

Allen Sendern ist überdies gemein, dass sie „von den Gewerkschaften Signale des Entgegenkommens“ erwarten. Die Forderungen der drei Gewerkschaften werden als „unrealistisch“ zurückgewiesen – insbesondere bei der Erhöhung der Gehälter und Honorare.

Rundfunkabgabe ist maßgeblich

Argumentiert wird von den jeweiligen Sendern mit „begrenzten finanziellen Rahmenbedingungen“. Diese würden den Sendern der Allgemeinen Rundfunkanstalten Deutschlands von der zuständigen Kommission KEF vorgegeben. „Diese finanzielle Situation macht es dieses Mal so schwierig, denn noch nie lagen die Forderungen der Gewerkschaften und die finanziellen Mittel der Rundfunkanstalten so weit auseinander wie 2024“, erklärt etwa der SWR.

Dabei gibt es von der KEF die Empfehlung, die Rundfunkabgabe zu erhöhen. Sie ist laut ver.di die maßgebliche Referenzgröße. Hier ist auch die Landespolitik gefragt. Schmitz-Dethlefsen: „Politik in den Ländern muss sich in gleicher Weise mit steigenden Personalkosten im Rundfunk befassen wie sie es in ihren eigenen Landeshaushalten auch täten.“

Schließlich müssten gute Arbeit und steigende Ansprüche an öffentlich-rechtliche Medien mit Angeboten in Radio, Fernsehen, Social Media, Mediatheken, Onlineauftritten der Sender sowie deren Rundfunkorchestern und Chören mit „angemessenen Tariferhöhungen von Gehältern und Honoraren bedacht werden“, schreibt das Bundesvorstandmitglied von ver.di weiter. Genau dafür brauche es eine höhere Rundfunkabgabe. Denn die bis dato kalkulierten zusätzlichen 58 Cent ab kommendem Jahr reichen laut Verdi nicht aus und „führen zum Programmabbau“.

„Mit dieser Kompromisslosigkeit steuern die Intendantinnen und Intendanten der ARD auf einen sich nur noch verschärfenden Tarifkonflikt zu, den wir mit unseren Mitgliedern in den Rundfunkanstalten annehmen werden“, erklärt Schmitz-Dethlefsen. Heißt: Es wird weiter gestreikt werden.

Zuletzt berichteten mehrere Medien übereinstimmend darüber, dass das ebenfalls öffentlich-rechtliche ZDF seinen beliebten Sender 3.Sat einstellen und in den deutsch-französischen Kultursender ARTE aufgehen lassen will.

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