Buchtipp: Die DDR und die Westmedien

Franziska Kuschel: "Schwarzhörer, Schwarzseher und heimliche Leser. Die DDR und die Westmedien." Wallstein Verlag, Göttingen 2016, 329 Seiten – 34,90 EUR, E-Book - 27,99 EUR

Unter dem Titel „Schwarzhörer, Schwarzseher und heimliche Leser“ untersucht Franziska Kuschel die Strategie der DDR, den Konsum der Medien aus der Bundesrepublik zu verhindern oder wenigstens zu kontrollieren und einzudämmen. Das galt vor allem in den 1950er und 60er Jahren, wo die Seher_innen von Westfernsehen als geistige Grenzgänger kriminalisiert wurden. In der DDR waren sogar Hans-Joachim Kulenkampff-TV Shows und auch das christliche „Wort zum Sonntag“ als gefährliche Indoktrination eingestuft. Dabei konnten rund 85 Prozent der DDR-Bürger das Westfernsehen empfangen. Die große Ausnahme waren Teile in Sachsen und Dresden – im „Tal der Ahnungslosen“.Die Autorin Franziska Kuschel, 1980 in Lübz in der DDR geboren, promovierte 2015 an der Humboldt-Universität Berlin. Sie hatte sich bereits in ihrem Studium wie auch als Referentin der Enquetekommission zur Aufarbeitung der DDR-Diktatur des Brandenburger Landtags mit der Medienpolitik der DDR beschäftigt. Im Vorwort schreibt die Autorin: „Die Ost-Berliner Partei und Staatsführung beanspruchte, die öffentliche Kommunikation in der DDR vollständig zu kontrollieren. Dabei spielten Medien für die SED-Spitze eine zentrale Rolle: Sie sollten bei der Durchsetzung des Herrschaftsanspruchs und der Machtsicherung helfen, insofern sie ein wichtiges Mittel waren, die eigenen Ideen zu verbreiten, die Menschen zu mobilisieren und zu erziehen.“ – So die SED mit ihrer Begründung in der Tradition von Lenin.
Das änderte sich nach der Ablösung von Walter Ulbricht durch Erich Honecker. Die Autorin zitiert Honecker, der im Mai 1973 im Zentralkomitee sagte, dass „ jeder bei uns nach Belieben“ die Hörfunk- und TV-Programme der Bundesrepublik ein und ausschalten könne. Doch diese Äußerung habe zur Verwirrung im Lande beigetragen. Nun habe keiner gewusst, was erlaubt oder verboten war. Auch wenn man im Hause die Bundesliga sah, sei es strikt verboten gewesen, seinen Nachbarn einzuladen oder davon am Arbeitsplatz den Kolleg_innen zu erzählen. Die Bürger gerieten sofort in Gefahr, wegen der Verbreitung „staatsfeindlicher Hetze“ vor ein Gericht zu kommen und verurteilt zu werden. Die „geheimen Verführer aus dem Westen“ haben nie als harmlos gegolten. Nach Auffassung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) konnte jede Hörfunk- und Fernsehsendung im Sinne der politischen wie ideologischen Diversion wirksam werden.
Ob es nun nach Franziskas Kuschel allein die DDR-Medien und ihre staatlich verordnete Medienpolitik allein war, die zur Erosion des Sozialismus und zum Untergang der DDR beitrugen, müsste noch untersucht werden. Mit diesem Band erhalten die Leser_innen auf jeden Fall Einblick in den Kontrollwahn der DDR.

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Klimaprotest erreicht Abendprogramm

Am 20. August 2018, setzte sich die damals 15jährige Greta Thunberg mit dem Schild “Skolstrejk för Klimatet“ vor das Parlament in Stockholm. Das war die Geburtsstunde von Fridays for Future (FFF) – einer Bewegung, die nach ersten Medienberichten international schnell anwuchs. Drei Jahre zuvor hatte sich die Staatengemeinschaft auf der Pariser Klimakonferenz (COP 21) völkerrechtlich verbindlich darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
mehr »

Mediatheken löschen ihre Inhalte

In Zeiten von Video-on-demand, Streaming und Mediatheken haben sich Sehgewohnheiten verändert. Zuschauer*innen  gucken wie selbstverständlich Filme, Serien, Dokus oder Nachrichten online. Private und öffentlich-rechtliche Fernsehsender pflegen daher inzwischen umfangreiche Mediatheken. Sendung verpasst? In den Online-Videotheken der TV-Anstalten gibt es nahezu alle Medieninhalte, um sie zu einem passenden Zeitpunkt anzuschauen, anzuhören oder nachzulesen. Irgendwann werden sie dann aber gelöscht.
mehr »

Fehlender Schutz für Journalistinnen

Anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen fordert die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di von der Politik und Arbeitgebern endlich mehr Schutz für Frauen in den Medien. Die Zahlen von Gewalttaten an Frauen sind sowohl online als auch offline gestiegen. Der Lagebericht 2023 der Bundesregierung zu geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichteten Straftaten zeigt: Besonders hoch ist der Anstieg bei frauenfeindlichen Straftaten im Zusammenhang mit politisch motivierter Kriminalität - 322 Straftaten - 56,3 Prozent mehr als noch in 2022.
mehr »

Neues vom Deutschlandfunk

Auch beim Deutschlandfunk wird an einer Programmreform gearbeitet. Es gehe etwa darum, „vertiefte Information und Hintergrund“ weiter auszubauen sowie „Radio und digitale Produkte zusammen zu denken“, erklärte ein Sprecher des Deutschlandradios auf Nachfrage. Damit wolle man auch „auf veränderte Hörgewohnheiten“ reagieren.
mehr »