Beruf Datenjournalist: Marco Lehner

Die Mischung ist das  Spannende

In diesen Tagen geht es bei Marco Lehner um Fußball, genauer: um Fußball-Fans. Er macht ein Praktikum beim Interaktiv-Team der Funke-Zentralredaktion. Das Team erstellt derzeit eine Übersicht über die Wohnorte von Schalke-Fans. Lehner hat dafür vom Verein eine Liste mit den Mitgliedern pro Postleitzahl bekommen. Seine Aufgabe ist es, die Liste so aufzubereiten, dass die Entwickler und -Designer im Team damit arbeiten können. Dazu recherchiert er die Einwohnerzahlen eines Postleitzahlgebiets und rechnet aus, wie hoch der Prozentsatz der Schalker in diesem Bereich ist.

Marco Lehner ist Datenjournalist. Ein Beruf, den es noch gar nicht so lange gibt, der sich aber in den vergangenen Jahren auch in Deutschland immer stärker etabliert hat. Zahlreiche Medienhäuser leisten sich mittlerweile eigene Daten-Teams und aufwendige Projekte. Bevor er zu Funke Interaktiv kam, absolvierte der 28jährige ein Praktikum beim datenjournalistischen Team des Bayerischen Rundfunks, wo er unter anderem in ein Crowd-sourcing-Projekt zu Wahlplakaten in Bayern eingebunden war.

Als Datenjournalist, sagt Lehner, könne er sich die Daten, die er für ein Thema braucht, selbst besorgen. Er müsse sich nicht auf Angaben von anderen verlassen. „Damit habe ich etwas Objektives, Handfestes. Darauf kann ich in der Berichterstattung aufbauen“, sagt er im Gespräch mit M.

Während seines Bachelorstudiums hat er erstmals mitbekommen, „dass es so etwas wie -Datenjournalismus gibt“. Zu diesem Zeitpunkt studierte er Technikjournalismus / Technik-PR in Nürnberg. Informatik war ein Bereich, der ihn schon immer interessiert hatte, und er suchte nach einem Weg, dieses Inte-resse mit Journalismus zu verbinden. Doch im Studium ging es eher um Fachwissen in Maschinenbau oder Chemie, die Informatik kam ihm zu kurz.

Also bildete er sich neben dem Studium -weiter, belegte Online-Kurse zur explorativen Datenanalyse und zur Anwendung von R, einer Programmiersprache für statistische Berechnungen und Grafiken, die er auch jetzt für das Fußball-Projekt nutzt. Mittlerweile studiert er in Bamberg „Computing in the Humanities“, ein Masterstudiengang, der sich an Absolvent*innen aus den Geistes- und Humanwissenschaften richtet und Inhalte im Bereich Informatik und Angewandte Informatik vermittelt.

Ein Informatik-Fan als Journalist – inwiefern trifft das Klischee des Nerds zu, der sich am liebsten in seinen Daten vergräbt? „Ich sehe mich nicht als Nerd“, sagt Lehner. „Ich finde es schön, nicht darauf festgelegt zu sein, den ganzen Tag am PC zu sitzen.“ Die Daten seien die Grundlage für ein Thema. Doch sie müssten auch eingeordnet werden. Interviews führen, mit den Menschen ins Gespräch kommen – auch das kann zur Arbeit von Datenjournalist*innen gehören. Außerdem sei es eine Herausforderung, ein datenlastiges Thema so zu vermitteln, dass die Menschen es auch verstehen. Dabei sei Kreativität gefragt. Die Mischung dieser unterschiedlichen Aufgaben macht den Beruf für Lehner so spannend.

Ein Datenprojekt, das ihn besonders beeindruckt hat, sind die Veröffentlichungen zu den Panama Papers, an denen Journalist*innen weltweit beteiligt waren. Ihre Enthüllungen sind für Lehner ein strahlendes Beispiel für die Verbindung aus Datenjournalismus und investigativer Arbeit.

Nach seinem Praktikum geht es für ihn erst mal zurück an die Uni. Und zu einem Projekt namens Hedwig, an dem er derzeit mit drei Freund*innen tüftelt. Die Software soll dabei helfen, sich in Online-Archiven umfassend über ein Thema zu informieren. Die Zielgruppe: Journalist*innen. Auch hier sucht Lehner also wieder die Verbindung zwischen Informatik und Journalismus.

Übrigens: Die höchste Dichte an Schalke-Fans hat – wenig überraschend – Gelsenkirchen.

 

 

 

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Snowden und die große Datenmisshandlung

Zehn Jahre nach Beginn der bedeutenden Enthüllungen über die globale Überwachung durch Geheimdienste ist die journalistische Auswertung der von Edward Snowden bereitgestellten Dateien unbefriedigend. Große Medien haben sich dem Druck der betroffenen Regierungen gebeugt und die Auswertung der Dokumente abgebrochen oder sogar behindert.
mehr »

Fenster zur Welt: RAW Photo Triennale

In ihrer vierten Ausgabe zeigt die RAW Photo Triennale Worpswede unter dem Thema „Turning Point. Turning World“ noch bis zum 11. Juni die Welt im Wandel. In den vier Häusern des Worpsweder Museumsverbundes gibt es vier Hauptausstellungen: „#EGO“ bietet künstlerische Positionen im Dialog, die von der Suche nach sich selbst erzählen. Bei „#FAKE“ geht es um die Suche nach Wahrhaftigkeit. „#NEXT“ dreht sich um aktuelle sozioökologische Fragestellungen und „#RISK“ verhandelt aktuelle politische und gesellschaftliche Themen. Festivaldirektor Jürgen Strasser über die Schau und den Mythos Worpswede.
mehr »

Dreyeckland: Der Link ist rechtens

Das Landgericht Karlsruhe entschied gestern, die Anklage gegen einen Redakteur des Senders Radio Dreyeckland (RDL) nicht zuzulassen. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, in einem RDL-Artikel auf die Archivseite der verbotenen Plattform linksunten.indymedia verlinkt und damit eine verbotene Organisation unterstützt zu haben. Das Gericht entschied nun, dass die Verlinkung Teil der journalistischen Aufgaben sei und daher keine strafbare Unterstützung einer verbotenen Vereinigung.
mehr »

Neues Netzwerk hilft Medienschaffenden

Gefährdete Journalist*innen, vor allem aus Afghanistan, der Ukraine, Russland und Belarus, finden Unterstützung bei der Hannah-Arendt-Initiative (HAI). Die noch junge Plattform für NGOs wird aus Töpfen des Auswärtigen Amtes und der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien finanziert. Zu den Partnerorganisationen gehören das European Center for Press and Media Freedom ECPMF, die DW Akademie, der European Fund for Journalism in Exile (JX Fund) und MiCT – Media in Cooperation and Transition.
mehr »