Beruf Festivalarbeiter: Ludwig Sporrer

Ludwig Sporrer Foto: Laura Meschede

Überzeugungstäter

Etwa 2.500 Filme hat Ludwig Sporrer in seinem Leben schon gesehen. Und es kommen fast jeden Tag neue hinzu: Sporrer ist Festivalarbeiter. Ein Beruf, den es offiziell gar nicht gibt. Und der deswegen ganz vieles ist: Eventmanagement, Öffentlichkeitsarbeit, Personalverwaltung – und Selbstausbeutung.

„Einen richtig guten Film”, sagt Ludwig Sporror, „erkennt man oft daran, dass er an den eigenen Grundfesten rüttelt.” Er muss es wissen: Sporrer entscheidet mit, welche Filme gut genug sind, um es auf die große Bühne zu schaffen. Auf Filmfestivals wie das DOK.fest, kleinere Spartenfilmfestivals oder das Queer Film Festival München. Aktuell sucht er gemeinsam mit einigen anderen die Dokumentarfilme aus, die im Mai auf dem DOK.fest München zu sehen sein werden.

Festivalarbeiter ist ein Beruf, den es offiziell nicht gibt. „Offiziell” arbeitet Sporrer als Programmmacher, Kurator, Eventmanager, Promoter und noch vieles mehr. All das eben, was auf Filmfestivals so gebraucht wird. „Filmfestivals sind im kulturellen Bereich noch ein relativ junges Phänomen”, sagt Sporrer. „Deswegen gibt es den Festivalarbeiter als richtige Berufsbezeichnung noch nicht.” Was es aber durchaus gibt, sind Menschen, die ausschließlich für Festivals arbeiten. Und dort die verschiedensten Aufgaben erfüllen. So wie Sporrer: Er wählt Filme aus, schreibt Texte für die Programmhefte und koordiniert Abläufe. „Auf großen Festivals übernimmt man meistens nur eine dieser Aufgaben, bei kleineren auch mal mehrere gleichzeitig”, sagt er. „Das ist schön – aber auch anstrengend.”

Ludwig Sporrer hat schon als Student angefangen, auf Filmfestivals zu arbeiten. Als „Volontär”, um Teil der Festivals sein zu können. Ein klassischer Einstieg in den Beruf. „Fast alle, die auf Filmfestivals arbeiten, sind Überzeugungstäter”, sagt er. „Menschen, die Kino und Filme wirklich lieben.”

Obwohl Sporrer 200–300 Filme im Jahr sieht, ist er ihrer nie überdrüssig geworden. „Bei wirklich bewegenden Szenen muss ich schon immer noch weinen”, sagt er. „Und wenn ich noch die Zeit hätte, dann würde ich auch in meiner Freizeit noch ins Kino gehen.” Aber die Zeit dafür bleibt selten. Festivalarbeiter ist ein Job mit einer hohen Belastungsgrenze. „Es gab schon Zeiten, in denen habe ich 270 Stunden im Monat gearbeitet”, sagt Sporrer. „Und dann ist der Job ja oft auch noch sehr hektisch – wenn man mit Stress nicht umgehen kann, dann sollte man das besser lassen.”

Grundsätzlich, so erklärt er, gilt die Faustregel: Je näher das Festival zeitlich rückt, desto stressiger werden die Tage. „Fast alles läuft da knapp auf knapp”, sagt Sporrer. „Und häufig passieren irgendwelche Pannen, da muss man dann improvisieren.” Zum Beispiel, wenn Filme mit einem englischen Untertitel angekündigt waren und sich dann kurz vor Vorführungsbeginn herausstellt, dass sie stattdessen deutsch untertitelt sind. Oder wenn der angekündigte Regisseur nicht zum Publikumsgespräch erscheint oder die Technik hängt, ein Film ein paar Minuten später startet. „Auf Filmfestivals sind oft Leute, die ihren ganzen Tag nach dem Programm durchgeplant haben und sehr böse werden, wenn sich etwas um ein paar Minuten verzögert.” Da hilft nur: „Lässig bleiben. Eine Kernkompetenz”, findet Sporrer.

Das größte Problem der Festivalarbeiter ist aber nicht der Stress – es ist die Bezahlung. Weil das Berufsfeld nicht klar definiert ist, gibt es auch keinen festen Tarif. Überhaupt werden nur in den seltensten Fällen Menschen fest angestellt. Die meisten arbeiten freiberuflich, so wie Sporrer, oder in Werkverträgen. „Ein Teil des Prob­lems ist, dass Förderungsgelder immer nur für ein Jahr vergeben werden”, sagt er. „Da wird dann argumentiert: Wenn wir unsere Einnahmen nicht fest planen können, können wir auch niemanden fest anstellen.” Richtig findet er das nicht. Deswegen hat Sporrer mit einigen Kolleg_innen eine Initiative gegründet: Für eine fairere Bezahlung und sicherere Anstellungsverhältnisse bei Festivalarbeiter­_innen. Denn Selbstausbeutung, findet er, muss nun wirklich nicht sein. Auch nicht in einem Beruf für Überzeugungstäter.


Mehr Infos:

mmm.verdi.de/tarife-und-honorare/festivalarbeit-kreativitaet-braucht-soziale-sicherheit-35959

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Medienhäuser müssen Journalisten schützen

„Die Pressefreiheit ist auch in Deutschland zunehmend bedroht”, kritisiert die Bundesvorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) in ver.di, Tina Groll, zum Internationalen Tag der Pressefreiheit. Die dju in ver.di verzeichne mit großer Sorge eine wachsende Anzahl der Angriffe, die die Gewerkschaft für Medienschaffende in einem internen Monitoring festhält.
mehr »

Spanien: Als Terrorist beschuldigt

Der katalanische Investigativjournalist Jesús Rodríguez hat Spanien verlassen, um ins Exil in die Schweiz zu gehen. Ihm wird von Ermittlungsrichter Manuel García-Castellón die Unterstützung terroristischer Akte vorgeworfen. Die Schweiz sieht im Vorgehen der spanischen Justiz gegen den Katalanen einen „politischen Charakter“.
mehr »

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »

KI darf keine KI-Texte nutzen

Die Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der KI im eigenen Metier wird Journalist*innen noch lange weiter beschäftigen. Bei der jüngsten ver.di-KI-Online-Veranstaltung ging es um den Anspruch an Gute Arbeit und Qualität. ver.di hat zum Einsatz von KI Positionen und ethische Leitlinien entwickelt. Bettina Hesse, Referentin für Medienpolitik, stellte das Papier vor, das die Bundesfachgruppe Medien, Journalismus und Film zum Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz im Journalismus erarbeitet hat.
mehr »