Beruf Innenrequisiteurin: Sonja Jovanovic-Greiner

Innenrequisiteurin Sonja Jovanovic-Greiner
Foto: Andreas Schlieter

 

Vollbeladen am Set

Sonja Jovanovic-Greiner ist Innenrequisiteurin und Szenenbildassistentin. Allerdings eher unfreiwillig. Eigentlich hat die 39jährige Klavier studiert. Ihren Job mag sie trotzdem. Die Vielfältigkeit und die häufig wechselnden Drehorte. Was sie nicht mag? Die schlechten Arbeitsbedingungen und den immer größer werdenden Sparzwang in den Filmproduktionen.

Sie war 19, als sie zurück nach Deutschland kam, um klassische Musik zu studieren. Diesmal ohne ihre Eltern, mit denen sie ihre ersten Lebensjahre in Düsseldorf verbracht hatte, bevor die Gastarbeiter­familie zurück nach Belgrad ging. Ihre Mutter hatte sie gewarnt, doch lieber „was Richtiges“ zu studieren, davon könne man ja nicht leben. Heute sieht Sonja das auch so. Nach dem Studium zogen sie und ihr Freund nach Berlin. Er begann ein Studium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB), sie versuchte sich mit Klavierunterricht ein Standbein aufzubauen. Als das nicht gelang, entschied sie, sich neu zu orientieren. Am liebsten etwas, wo man kreativ sein, „wo man mit den Händen arbeiten kann“. Damals, das war im Jahr 2005. Für einen Kinofilm hat sie zunächst Continuity gemacht, eine Low-Budget-Produktion, „na ja, eigentlich No-Budget“, lacht Sonja. Der Film, „Weltverbesserungsmaßnahmen“, lief 2005 auf der Berlinale und wurde ein ziemlicher Erfolg. Danach bewarb sie sich auf eine Stelle als Praktikantin in der Innenassistenz. „Dort wurde ich allerdings nach sieben Tagen rausgeschmissen“, erzählt sie immer noch lachend. Warum? „Weil ich meine Schnauze nicht halten konnte“. Sie spreche und handele eben immer gerade heraus und lasse sich nichts gefallen.

Wenn Sonja erzählt, sieht man ihr das an. Selbst, wenn sie überlegen muss, wendet sie den Blick niemals ab, schaut ihrem Gegenüber immer direkt in die Augen. Ihre Stimme klingt so resolut wie ihr Auftreten wirkt. Ihr Lachen ist schallend, doch zugleich herzlich und einnehmend.

Nach dem gescheiterten Praktikum zweifelte Sonja kurz an sich selbst, fragte sich, ob das auch das Richtige für sie wäre. Doch kurz darauf bewirbt sie sich für einen Job als Innenassistentin, vom Praktikantendasein hatte sie genug.

Heute arbeitet Sonja, die gerade ihr zweites Kind erwartet, als Innenrequisiteurin und als Szenenbildassistentin, von der Serie über Werbung bis zum Kinofilm macht sie alles. Ein typischer Drehtag dauere für sie „Pi mal Daumen 12 Stunden“ und beginnt morgens im vollbeladenen Sprinter, mit dem es dann ab ans Set geht. Dort erfolgt eine Übergabe mit Szenenbild und Außenrequisite. Denn im Unterschied zur Innenrequisite, die das Set während des Drehs betreut, sind die Szenenbildner_innen üblicherweise nicht am Set, sondern erarbeiten das Setting im Vorfeld des Drehs. Dann zieht Sonja mit ihrem Bollerwagen los und stellt jeden Gegenstand an seinen Platz im Setting, erklärt den Schauspieler_innen etwa, wie der Computer funktioniert, den sie in der Szene bedienen müssen, oder gibt ihnen die Autoschlüssel, die sie brauchen werden. Nach Ende des Drehtags schreibt sie sich anhand der Disposition schon mal zusammen, welche Gegenstände sie am nächsten Tag benötigen wird.

In den zwölf Jahren, die sie den Job nun macht, habe sich schon so einiges verändert. Beim Personal werde immer mehr gespart, früher waren für einen TV-Film 26 oder 27 Drehtage angesetzt, heute 21. Belastend an dem Job seien die andauernden Auseinandersetzungen, das ständige Feilschen um die Gage, um mehr Personal. „Außerdem hatte ich eine völlig falsche Vorstellung von dieser Arbeit. Als Innenrequisteurin kann ich nicht kreativ oder handwerklich tätig sein, meist bekomme ich nur Aufgaben, die eben erledigt werden müssen“, resümiert sie –

allerdings ohne Bitterkeit, denn als Ausgleich habe sie für sich das Hobby der Malerei entdeckt. Froh sei sie hingegen, dass die Digitalisierung in ihrem Job bisher kaum Einzug eingehalten hat. Als Szenenbildnerin etwa beim Rundfunk zu arbeiten, wäre für sie undenkbar: „Da sitzt man ja den ganzen Tag nur vor den Bildschirmen. Das ist schrecklich! „Wir Menschen müssen doch unsere Arbeit noch spüren können. Wir sind keine Roboter“, empört sie sich energisch.

Ob sie es bereue, diesen Weg eingeschlagen zu haben? Nein, antwortet sie ohne Zögern, aber ob sie noch einmal in die Richtung Film gehen würde, weiß sie trotzdem nicht.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Journalismus unter KI-Bedingungen

Digitalkonzerne und Künstliche Intelligenz stellen Medienschaffende vor neue Herausforderungen. „KI, Big Tech & Co. – was wird aus dem Journalismus?“ lautete folgerichtig der Titel der 11. Medienpolitischen Tagung von ver.di und DGB am 16. Oktober in Berlin. Über 80 Wissenschaftler*innen, Rundfunkräte und Journalist*innen informierten sich auch über den aktuellen Stand der Debatte über den neuen Medien“reform“staatsvertrag.
mehr »

Neue Perspektiven für Klimajournalismus

Besondere Zeiten brauchen einen besonderen Journalismus – ein Motto, dass das im Juli gelaunchte deutschsprachige Medienprojekt „Neue Zukunft“ nicht aus werbestrategischen Gründen ausgegeben hat. Die Klimakrise und die Klimagerechtigkeitsbewegung erhalten in vielen Medien der Schweiz, Österreichs und Deutschlands ihrer Meinung nach nicht genügend Aufmerksamkeit. Gerade Gerechtigkeitsfragen erhöhen den Handlungsdruck im Zusammenhang mit den Folgen menschlichen Raubbaus an Ressourcen und Umwelt.
mehr »

Klimaleugnung in den Medien

Rechtspopulistische Bewegungen machen weltweit mobil gegen den Klimaschutz. Sie zeigen sich „skeptisch“ gegenüber dem Klimawandel und lehnen klima- und energiepolitische Maßnahmen ab. Ein Widerspruch: Obgleich „Klimaskepsis“ und die Leugnung des menschengemachten Klimawandels vielfach zentrale Positionen der politischen Rechten markieren, existieren auch gegenläufige Tendenzen in Bezug auf Umwelt- und Naturschutz. Denn auch Rechte waren stets in Umweltbewegungen zugegen. Das hat Tradition.
mehr »

Traditionelle Medien zu wenig divers

Vielfalt in traditionellen Medien ist gefährdet - durch Chefetagen, die überdurchschnittlich mit weißen Männern besetzt sind. Dazu kommt eine zunehmend stärker werdende Berufsflucht. Daneben entsteht ein „peripherer Journalismus“ – entweder mit einem hohem Anspruch an Diversität oder andererseits sehr eingeschränkter Vielfalt. Das Meinungsspektrum verschiebt sich von „migrantischen zu ultrakonservativen Stimmen“. Schlaglichter auf die kritisch-konstruktive Tagung „Diversität und Geschlecht im Journalismus“.
mehr »