Bildkritik: Symbol statt Beleg

Abstrakte politische Themen wie Pestizideinsatz zu visualisieren, ohne dabei willkürliche Bezüge herzustellen, stellt eine große Herausforderung dar. Wie es nicht geschehen sollte, zeigt ein Aufmacherbild zu einem Artikel der Deutschen Welle.

Am 12. Mai 2020 veröffentlichte die Deutsche Welle auf ihrer Webseite den Artikel „Gefährliche deutsche Pestizide für Afrika“. Ausgangspunkt war die Publikation einer von verschiedenen nationalen und internationalen NGOs und einer deutschen Stiftung herausgegebenen Studie über den Einsatz in der EU verbotener Pestizide in Afrika. Das unter dem Teaser platzierte Aufmacherbild des Artikels zeigt einen Traktor beim Versprühen einer Flüssigkeit auf einem Feld. Aber anders als der Kontext vermuten mag, ist nicht klar, ob die gezeigte Situation den Einsatz deutscher bzw. in der EU verbotene Pestizide belegt. Damit liegt eine Irreführung der Leser*innen vor.

Entscheidend für eine mögliche Einordnung des Bildes sind Überschrift, Teaser und der erste Absatz des Textes. Während erste auf einen Umweltskandal und mögliche Doppelstandards beim Export deutscher bzw. europäischer Chemikalien verweisen, startet der eigentliche Text mit einer Beschreibung der grünen Idylle einer Zitrusfarm in der südafrikanischen Provinz Ostkap, was offensichtlich nicht mit dem Bild korrespondiert. Als Überleitung zum Aufmacherbild am Ende des Teasers wird gefragt „Machen deutsche Konzerne Profite auf Kosten der Arbeiter vor Ort?“. Da keine Bildunterschrift den Zusammenhang auflöst liegt es nahe, im dargestellten Traktorfahrer einen der Arbeiter zu sehen, auf dessen Kosten deutsche Konzerne mit verbotenen Chemikalien Profite machen.

Eine Recherche des Originalbildes in der Datenbank von Picture Alliance kann diese Assoziation jedoch nicht bestätigen. Zum einen stammt das von M. Harvey fotografierte und von WILDLIFE über Picture Alliance vertriebene Bild bereits aus dem Jahr 2009. Zum anderen gibt das Original keine genaueren Informationen über die Art der Pestizide und deren Herkunft. Nur folgende Information wird dort vermittelt: „ZAF, 2009: Kohl (Brassica oleracea). Erntearbeiter mit einem Trecker sprüht ein Kohlfeld.“ Damit lässt sich die durch die Kontextualisierung dem Bild zugeschriebene Funktion, die Umweltskandalthese zu belegen, nicht halten. Das kann auch die korrekt vom Original übernommene Bildzeile beim Mouse-Over nicht retten.

Die Willkürlichkeit des Bildeinsatzes wird noch deutlicher bei einer Suche nach anderen Verwendungskontexten dieser Fotografie durch die Deutsche Welle. Eine Rückwärtssuche auf Google Bilder fördert zu Tage, dass das Bild bei drei weiteren Artikeln zwischen 2013 und 2017 zum Einsatz kam. Die Kontexte, in denen das Bild genutzt wird reichen von Landverteilung an die schwarze Bevölkerung in Südafrika, der Notwendigkeit einer Lobby für Afrikas Bauern bis hin zur Debatte um die Krebsgefahr von Glyphosat. Jedes Mal musste der südafrikanische Traktorfahrer als Platzhalter für die Visualisierungsnöte der Redaktion herhalten.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Die Zukunft der Filmförderung

In der morgigen Plenarsitzung des Bundestages wird über die Zukunft der deutschen Filmwirtschaft entschieden, der vom Bundestagsausschuss für Kultur und Medien beschlossene Gesetzentwurf zum Filmfördergesetz (FFG) steht zur Abstimmung auf der Tagesordnung. ver.di begrüßt eine Reform der Filmförderung, denn in Zukunft müssen Filmproduktionen Tarif- und Urheber-Vergütungen verbindlich einhalten.
mehr »

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »

Audiodeskription: Die KI liest vor

Die Hälfte der öffentlich-rechtlichen Sender verwendet inzwischen auch synthetische oder mit Künstlicher Intelligenz (KI) generierte Stimmen, um für Fernsehformate Audiodeskriptionen zu erstellen. Das ergibt sich aus Nachfragen von M bei den neun ARD-Landesrundfunkanstalten und beim ZDF. Neben professionellen Sprecher*innen setzen der MDR, WDR, NDR, Radio Bremen und das ZDF auch auf synthetische oder KI-Stimmen für die akustische Bildbeschreibung.
mehr »

Gendergerechtigkeit per KI überprüfen

Ein Gender-Analyse-Tool der Technischen Universität München zeigt, wie Frauen medial ausgeklammert werden. Das Ziel vom  Gender Equality Tech Tool – GETT  ist es, die Sichtbarkeit von Frauen in der Berichterstattung bewusst zu fördern. Mit GETT kann über eine Kombination aus klassischen Algorithmen und Open-Source-KI-Modellen nachgeprüft werden, wie oft Frauen im Vergleich zu Männern in den Medien genannt und wie sie dargestellt werden.
mehr »