Briefe an «M» 11/2008

Stiefkinder

„Quote mit den drei K’s“ in M 8–9/2008

Zu den Stiefkindern der Auslandsberichterstattung gehören ohne Zweifel die skandinavischen und nordischen Länder. Die Gründe sind schnell aufgezählt: Dort finden keine Kriege statt, es gibt kaum Krisen, und Katastrophen ereignen sich relativ wenig. Dafür rücken die Fernsehanstalten immer mal wieder Adelreports ins Programm, und so erfahren die Zuschauer zum Beispiel einiges über das norwegischen Thronfolgerpaar Haakon und Mette-Marit, aber kaum etwas über den Milliarden Dollar schweren Pensionsfonds, den der Staat in der Schweiz hortet, anstatt seine gigantischen Einnahmen aus der Ölförderung direkt der Bevölkerung zugute kommen zu lassen. Und über das „kleine“ Finnland, das übrigens flächenmäßig so groß wie Deutschland ist, wird das Publikum nicht einmal ausreichend informiert. Kein Wunder, wenn zwischen Flensburg und Bad Reichenhall Unsicherheit darüber herrscht, welche Währung in diesem Land gilt. (Es ist der Euro).

    Andreas Jacobsen, Finnland, per Mail 

Kostenlose Pressetexte

„Der Preis des Freiseins“ in M 10/2008

Der Beitrag beschreibt, wie es wirklich um die „freiberuflichen Journalisten“ in Deutschland steht. Schlechte Arbeitsbedingungen, miserable Bezahlung und zudem noch das so genannte „Schönschreiben“ im lokalen Redaktionsbereich. Einen Punkt haben sie nicht erwähnt, der jedoch immer mehr den Alltag des freien Journalisten bestimmt und dadurch auch sein Einkommen erheblich schmälert. Kommunen setzen immer mehr auf Berichte ihrer Pressesprecher, die vorgefertigt an die Redaktionen zum kostenlosen Abdruck übersandt werden. Die Redaktionen machen mittlerweile davon sehr gern Gebrauch. Die Journalisten fahren zu den Pressegesprächen, fertigen dazu ihre Berichte und Fotos an, um letztendlich zu erfahren, dass die Redaktion lieber den kostenlosen Beitrag der Pressestelle übernehmen wird. In der Regel bleiben die Journalisten auf ihren Fahrtkosten sitzen und erhalten auch kein Ausfallhonorar. Auf die Qualität der Pressetexte achten die verantwortlichen Redaktionsleiter nicht. Ein weiteres Problem für freie Journalisten sind Anzeigen. Schreibt man einen kritischen Bericht über einen Kommunal- oder Landespolitiker, wenden diese sich an die Redaktionen und setzen eine kostenpflichtige Werbeanzeige in die Zeitung. Dadurch erreichen sie, dass der kritische Bericht in der Redaktion überarbeitet wird, oder gar nicht erst erscheint. Auch hier wird selten Ausfallhonorar gezahlt, die Aufwendungen werden nicht erstattet.
Thomas Brockmann,
freier Journalist, per Mail 

Ratgeber in Armutsfragen

„Der Preis des Freiseins“ in M 10/2008

Mit wohltuender Erleichterung habe ich den Artikel „Der Preis des Freiseins“ sowie das Porträt von Klaus Stuttmann gelesen. Weil es wie aufgerufen zu diesen Themen passt, verweise ich auf mein im September 2007 erschienenes Buch: „Armutszeugnis – Ratgeber in Armutsfragen“. Es beschreibt in der alltäglichen und langfristigen Auswirkung das, was Günter Herkels Artikel konstatiert. Ich bin selbst Journalistin/ Texterin und schaffe es eben nicht, mich mit meinen publizistischen Dienstleistungen adäquat über Wasser zu halten. In welche existenzielle Schieflage die aktuelle Marktsituation, Konkurrenzdruck und Dumpinghonorare Freie treiben, das illustriert „Armutszeugnis“ auf drei verschiedenen Ebenen: der materiellen, der sozialen und der psychischen. Ich habe das Buch als auch ein Signal dessen geschrieben, was Herkel formuliert: „kollektive solidarische Gegenwehr“. Denn natürlich – und das kommt im Buch klar heraus – bin ich kein Einzelfall. Von Klaus Stuttmann stammen die Zeichnungen im „Armutszeugnis“. (Karin Burger, „Armutszeugnis“, Sozio-Publishing, 158 Seiten, ISBN 978-3-935431-10-1,Preis 8,90 Euro)

Karin Burger, per Mail 

Vermisste Zeilen

„Der Preis des Freiseins“ in M/2008

Eine Schwerpunkt-Ausgabe zum Thema Freie Journalisten – und keine Zeile zum neuen Berufsverband für Freie, der sich zwei Wochen nach Erscheinen dieses Hefts gründen wird? An Zufall mag ich da nicht glauben. Ich bin seit über 30 Jahren Gewerkschaftsmitglied, und ich werde gleichwohl eine Mit-Gründerin des neuen Verbands „Freischreiber“ sein. Denn beides steht zueinander nicht in Gegnerschaft. Eine selbstbewusste, moderne Gewerkschaft würde es begrüßen, wenn sich die Menschen selbständig für ihre Interessen organisieren. Stattdessen greift ausgerechnet eine medienpolitische Zeitschrift zum Mittel des Totschweigens?

Charlotte Wiedemann, Berlin, per Mail 

Replik der Redaktion:

Vielleicht liegt es daran, dass es eine „selbstbewusste, moderne Gewerkschaft begrüßen“ würde, „wenn sich die Menschen selbständig“ in ihrer Gewerkschaft und in der dju „für ihre Interessen organisieren“ würden. Die Möglichkeiten dafür sind vielfältig, wie in M beschrieben. Zudem ist es vielen engagierten KollegInnen unverständlich, warum es einen Verband geben muss, dessen Ziele sich nicht wesentlich von jenen unterscheiden, die die dju seit Jahren erfolgreich vertritt.

 Karin Wenk, verantwortliche M-Redakteurin 
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