EU-Datenschutz: Fast alles wie gehabt

Foto: Fotolia

Werden Fotografen auch nach dem 25. Mai noch Hochzeiten, Theaterveranstaltungen und Demonstrationen fotografieren dürfen, ohne die Einwilligung jeder einzelnen abgebildeten Person einholen zu müssen? Und wie müssen Fotografen mit den Metadaten umgehen, die darüber Auskunft geben, wann, wo und mit welcher Kamera digitale Bilder erstellt wurden? Diese Fragen stellten sich in den letzten Wochen viele angesichts der strengen Anforderungen der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die ab heute umgesetzt werden muss.

Tatsächlich legt die DSGVO in Artikel 85 fest, dass der Ausgleich zwischen dem Persönlichkeitsschutz und den Kommunikationsfreiheiten von den Mitgliedstaaten selbst geregelt werden muss. Dabei verlangt sie von ihnen, die DSGVO mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, einschließlich der Verarbeitung von Daten zu journalistischen, wissenschaftlichen, literarischen und künstlerischen Zwecken in Einklang zu bringen. Die entscheidende Frage ist daher, ob das durch die bestehenden Gesetze in Deutschland bereits ausreichend geregelt ist oder ob Anpassungen nötig sind?

Angefacht wurde sie unter anderem von einem Beitrag des Rechtsanwalts Benjamin Horwath, der in einem Blogbeitrag für CRonline vor dem „Ende der freien Veröffentlichung“ warnte. Er schrieb, dass auch professionelle, freie Fotografen grundsätzlich einen Vertrag mit jeder einzelnen abgebildeten Person abschließen müssten. Ausnahmen seien nämlich nur für die institutionelle Presse vorgesehen. Betroffen wären auch Hobbyfotografen, die für Vereine Ereignisse dokumentieren und veröffentlichen. Tatsächlich gibt es eine Ausnahme nur für Fotoaufnahmen „für persönliche oder familiäre Zwecke“ – Stichwort „Haushaltsausnahme“. Wenn beispielsweise ein Hochzeitspaar Fotos von der Hochzeitsgesellschaft in der Cloud zur Verfügung stellt, kann es sich darauf berufen.

Deutlich wird an den verschiedenen Fragestellungen, dass es im Datenschutzrecht immer auf den Zweck der Datenverarbeitung ankommt. Für Fotografen ist entscheidend: Erfolgte die Bildaufnahme im persönlichen Auftrag für private Zwecke eines Hochzeitspaars, im Rahmen eines Vereins oder verfolgte sie den Zweck der öffentlichen Berichterstattung? Des Weiteren geht es um das Risiko einer Grundrechtsverletzung, dem sich jeder Datenverarbeiter stellen muss. Dabei gilt die Regel: Je höher das Risiko, desto aufwändiger die Schutzmaßnahmen. Beispielsweise müssen Fotografen bei Bildaufnahmen von Kindern immer von einem erhöhten Schutzbedarf ausgehen.

Bereits kurz nach der Verabschiedung der Verordnung legte sich die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff in der Frage der öffentlichen Berichterstattung fest. Sie schrieb im April 2016 in einer kurzen Kommentierung der Verordnung: „Die in Deutschland in erster Linie im Landesrecht geregelten besonderen Bestimmungen des Datenschutzes bei Presse und Rundfunk können überwiegend beibehalten werden.“ Ganz so einfach war es aber dann auch nicht: In einer aktualisierten Auflage vom September 2017 formulierte sie bereits wesentlich vorsichtiger und forderte eine Anpassung der Bestimmungen, um Ausnahmen von „zahlreichen Kapiteln“ der DSGVO für journalistische, literari­sche, künstlerische oder wissenschaftliche Zwecke vorzusehen.

Kurz darauf appellierte im November die Datenschutzkonferenz von Bund und Ländern an den Gesetzgeber, die Öffnungsklausel von Artikel 85 zu nutzen. Sie wies darauf hin, dass es kein Medienprivileg wie bisher gäbe, sondern dass die DSGVO verlangt, „einen angemessenen Ausgleich zwischen den Grundrechten herzustellen, wenn diese in Widerstreit geraten“. Entsprechend müssten „die Transparenzrechte und Interventionsmöglichkeiten für betroffene Personen sowie Verfahrensgarantien über eine unabhängige Aufsicht“ auch im journalistischen Bereich gewahrt bleiben. Die Konferenz dachte dabei aber weniger an freie Fotografen und die Kunstfreiheit, als an Rundfunkanstalten und die institutionalisierte Presse.

Der Gesetzgeber ist im Moment hinter dem Zeitplan her. Zwar sind in einigen Ländern die Gesetzesanpassungen bereits abgeschlossen, in den meisten laufen die Beratungen jedoch noch. Schon jetzt ist aber absehbar, dass die bisherigen Regelungen für die Presse erhalten bleiben, inklusive der freiwilligen Selbstkontrolle des Redaktionsdatenschutzes durch den Presserat, der damit an Stelle der Datenschutz-Aufsichtsbehörden zuständig ist. Dessen Pressekodex gilt als Richtlinie. Beschwerden prüft er in seinem dafür eingerichteten Datenschutz-Ausschuss.

Voßhoff sagte angesichts der wachsenden Kritik der Fotografen vor wenigen Tagen, dass das Kunsturhebergesetz (KUG) weiterhin Geltung habe, und sich damit auch für die Fotografen im Wesentlichen nichts ändern würde. Das entspricht auch der Interpretation des Bundesinnenministeriums. Es sieht durch die DSGVO „keine wesentlichen Änderungen der Rechtslage bei der Anfertigung und Verbreitung von Fotografien“. Die Aussagen beziehen sich aber nur auf Fotografien, die zu künstlerischen Zwecken hergestellt werden und der Meinungsäußerung oder der Informationsfreiheit dienen.

Unter den Datenschutzbeauftragten herrscht keine Einigkeit: Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar kommt nämlich in einer Stellungnahme zu dem Schluss, dass die derzeitige Rechtslage „überwiegend unsicher“ sei, weil der Gesetzgeber eben noch keinen ausdrücklichen Gebrauch von der Öffnungsklausel in Artikel 85 DSGVO gemacht hat. Das aber hält er „im Sinne der Rechtssicherheit“ für nötig. Gleichwohl könnten Fotografen die Datenerhebung mit Artikel 6 rechtfertigen. Sie erlaubt die Datenverarbeitung, wenn die Aufgabe „im öffentlichen Interesse liegt“ sowie „zur Wahrung der berechtigten Interessen“. In diesen Fällen, so stellt Caspar klar, gibt es keine Informationspflicht gegenüber den Abgebildeten.

Für die Pressefotografen besteht damit wie bisher auch das Risiko, dass eine abgebildete Person beispielsweise die Rücknahme der Veröffentlichung fordert. Das ist nicht neu, da auch bisher das „Recht am eigenen Bild“ galt und Personenfotos dem Datenschutzrecht unterlagen. Das Risiko verklagt zu werden, wird also nicht größer. Auch konnten sich die Betroffenen bereits an die Datenschutz-Aufsichtsbehörden wenden. Ein Blick in deren Tätigkeitsberichte zeigt, dass sie sich schon in der Vergangenheit etwa zur Frage äußerten, ob Schulen Klassenfotos oder Vereine Veranstaltungsfotos ohne Einwilligung der Betroffenen veröffentlichen dürfen.

Etwas anders gelagert ist die Angelegenheit bei öffentlichen Veranstaltungen und deren Dokumentation für journalistische Zwecke. Sie wäre nach Caspars Interpretation grundsätzlich erlaubt. Im Zweifelsfall, wenn die Abbildung nicht eindeutig im öffentlichen Interesse ist und die von der Menschenwürde abgeleiteten Persönlichkeitsrechte der Abgebildeten verletzen könnte, sollte der Fotograf jedoch Zurückhaltung üben. Das ist beispielsweise bei Verletzen und Verstorbenen der Fall. An der bestehenden Rechtslage ändert sich dabei nichts.

Bleibt die Frage der Abmahn-Anwälte, vor denen sich nicht nur Fotografen, sondern auch Blog-Betreiber im Moment fürchten. Ein Blick in die Datenschutz-Grundverordnung zeigt, dass diese für das Abmahnwesen keine Rechts- und damit auch keine Geschäftsgrundlage bietet. Damit ändert sich auch hier nichts: Allein die Aufsichtsbehörden, die unmittelbar Betroffenen sowie Organisationen wie die Verbraucherzentralen, die ein Verbandsklagerecht wahrnehmen können, dürfen gegen Verstöße vorgehen. Weitere Klagen wären theoretisch aus Wettbewerbsgründen möglich, doch hier müsste das klagende Unternehmen aufzeigen, dass ihm aus einem Datenschutzverstoß des Konkurrenten ein geldwerter Nachteil entsteht. Umgekehrt müsste aber der Kläger damit rechnen, im Gegenzug verklagt zu werden. Das dürfte auch für ihn angesichts der bestehenden Rechtsunsicherheiten riskant sein, weshalb aus der Vergangenheit keine entsprechenden Fälle bekannt sind.

 

 

 

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