Dilemma

Könnte bitte auch mal jemand an die arme Journaille dieser Stadt denken. Bei der Terminplanung vielleicht. Nicht immer alle vermeintlich wichtigen Dinge zur selben Zeit verkünden bei höllisch starkem Kaffee und Schnittchen.

Womöglich noch Lachsschnittchen, die sind gerade voll in Mode. Aber was sind schon Lachsschnittchen, wenn sie täglich als „kleiner Imbiss“ gereicht werden, zu den Informationen über die Vorgänge in der Stadt. Erstens isst es sich recht unbeholfen im Stehen, dabei Stift und Block bedienend. Womöglich noch intelligente Fragen formulierend. Fingerfood ist zwar gerade ebenso in Mode wie Lachsschnittchen – aber, machen wir uns doch nichts vor – Fingerfood ist eindeutig Blamier-Essen. Der Dill fällt herunter, die Remoulade sabbert aufs Zeug und die Krümel zerkratzen die beigelegten Fotos. Was aber noch schwieriger zu handeln ist, als alle Lachschnittchen dieser Welt, sind die Synergie-Veranstaltungen einer Stadt. Jede Medaille hat halt zwei Seiten. Für die Journaille der Stadt bleibt leider die dunkle, wenn sich etwa sieben bis zehn Vereine, Institute und staatliche Stellen zusammentun, um eine sicherlich klasse Großveranstaltung zu einem bestimmten Thema auf die Beine zu stellen. Das ist ja eigentlich das Schöne in einer Stadt, dass sich alle irgendwie kennen und manchmal auch mögen. Sobald eine Idee laut wird, finden sich schnell alle zusammen und planen was das Zeug hält, auf dass es ein prächtiges Spektakel gebe. Schnell werden alle Pressemenschen der Stadt zusammen gerufen, gründlich informiert, mit Lachsschnittchen und starkem Kaffee verköstigt und an die Arbeit geschickt, die gute Mär zu verbreiten. Meist werden von der Redaktionsleitung etwa 60 bis 80 Zeilen eingeräumt, die frohe Kunde aufzuschreiben. Was aber, wenn die sieben bis zehn Vereine, Institute und staatlichen Stellen alle Namen haben, die mindestens drei bis vier Zeilen brauchen, wenn mal großzügig der Zusatz „e.V.“ weggelassen wird? Ganz klar: Mut zur Lücke ist gefragt. Entweder unsauber die Namen verkürzen oder ein bis zwei Vereine, Institute oder staatliche Stellen nicht erwähnen. Das Dilemma liegt dabei auf der Hand: Nach der Berichterstattung gibt es keine Lachschnittchen, sondern Schelte. Entweder für die Verhunzung der Namen oder von den ein bis zwei Vereinen, Instituten oder staatlichen Stellen, die der Zeilenknappheit zum Opfer fielen. Schließlich sollte in so einem Text ja neben den VeranstalterInnen auch noch kurz erwähnt werden, was eigentlich veranstaltet wird.

Karla

 

Weitere aktuelle Beiträge

US-Auslandssender kämpft ums Überleben

Von einem „großen Geschenk an Amerikas Feinde“ spricht Stephen Capus, Präsident von Radio Free Europe/Radio Liberty: Die brutalen Kürzungen der Trump-Regierung haben auch den US-Auslandssender mit Sitz in Prag erreicht. RFE/RL wehrt sich mittlerweile vor Gericht. Zugleich machen sich mehrere EU-Länder für eine europäische Finanzierung stark.
mehr »

Ressourcen für Auslandsjournalismus

Der Auslandsjournalismus in Deutschland steckt in der Krise. Die Zahl der Korrespondent*innen nimmt ab, Freie arbeiten unter zunehmend prekären Bedingungen. So geraten ganze Weltregionen aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit. Journalist*innen plädieren darum für eine andere Form der Finanzierung. Die gute Nachricht: Das Interesse des deutschen Publikums ist da. Dass die Menschen wissen wollen, was in anderen Ländern los ist, beweist nicht zuletzt das ARD-ZDF-Jugendangebot Funk.
mehr »

Dienstleister bestreikt den MDR

Der gestrige Streik der MCS TEAM GmbH zeigte deutliche Auswirkungen auf das Fernsehprogrammprogramm des MDR. Live-Schalten fielen aus und nicht alle Beiträge in der Sendung „Sachsen-Anhalt Heute“ konnten ausgestrahlt werden. Hintergrund des Streiks waren die bislang unzureichenden Angebote der Geschäftsführung. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di fordert eine Erhöhung der Gehälter um 6 Prozent, mindestens aber um 200 Euro pro Monat, bei einer Laufzeit von 12 Monaten.
mehr »

Einschüchterung durch Klagen

Bis zum 7. Mai 2026 muss die Anti-SLAPP-Richtlinie der Europäischen Union in nationales Recht umgesetzt werden. Auf der Basis einer Umfrage, an der sich 227 Personen im September 2024 beteiligten, hat die Mannheimer Professorin Stefanie Egidy untersucht, gegen wen sich diese Strategischen Klagen in Deutschland richten, was ihre besonderen Merkmale sind und welche Reformen im deutschen Recht nötig sind, um Betroffene zu schützen und zu unterstützen. 60 Prozent der Teilnehmer*innen, die auf eigene Erfahrung verweisen konnten, arbeiten im Journalismus.
mehr »