Duales Studium boomt

Große Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Anbietern

Duale Studiengänge boomen. Seit ihrer Entstehung in den 70er Jahren steigt die Anzahl der dualen Studiengänge sowie der Angebote von Unternehmen kontinuierlich. Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Ein duales Studium minimiert die finanzielle Belastung eines klassischen Studiums. Die Theorie kann während der praktischen Phasen im Betrieb vertieft werden. Zugleich erhöht die enge Anbindung an den auszubildenden Betrieb die Chancen, nach abgeschlossenem Studium auch übernommen zu werden und sofort in den Beruf einsteigen zu können.

Laut des Berichts AusbildungPlus des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) aus dem Jahr 2014 ist die Anzahl dualer Studiengänge zwischen 2004 und 2014 von 512 auf 1505 und die Zahl der Angebote von Unternehmen von 18.168 auf 41.446 gestiegen. Unter den öffentlich-rechtlichen Sendern bieten aktuell der Bayerische Rundfunk (BR), der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), der Südwestrundfunk (SWR), der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) sowie das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) duale Studiengänge in den Fachrichtungen Wirtschaft, Informatik, Ingenieur­wesen sowie Medien und Kommunikation an. Dabei handelt es sich zumeist um praxisintegrierte duale Studiengänge. Die Studierenden verbringen jeweils drei Monate an der (Fach-)Hochschule und drei Monate im Betrieb. Im Gegensatz zu ausbildungsintegrierten Studiengängen erwerben sie einen (Fach-) Hochschulabschluss, aber keinen zusätzlichen Berufsabschluss. Lediglich der RBB bietet mit dem Studiengang Elektrotechnik ein ausbildungsintegriertes duales Studium an, bei dem die Studierenden sowohl den Studienabschluss Bachelor of Engineering als auch den Berufsabschluss Elektroniker_in für Betriebs­technik erwerben.

Jedoch: Da duale Studenten keine Auszubildenden nach dem Berufsbildungsgesetz sind, fallen sie in der Regel auch nicht unter den Ausbildungstarifvertrag. Lediglich die dual Studierenden in einem ausbildungsintegrierenden Studiengang gelten im Betrieb als Auszubildende und fallen deshalb darunter. Für die praxisintegrierenden Studiengänge gibt es im öffentlich-rechtlichen Rundfunk jedoch keinen speziellen Tarifvertrag. Die Studien- und Arbeitsbedingungen seien daher – abhängig vom Unternehmen – sehr unterschiedlich. Vergütung, Präsenzzeiten im Betrieb, Urlaubstage, Sonderzahlungen oder die Übernahme von Kosten für eine Zweitwohnung und Gebühren seien oft einzelvertraglich geregelt, sagt Renate Singvogel, Leiterin des Fachbereichs Bildung, Wissenschaft und Forschung bei ver.di. Dass dabei große Diskrepanzen sowohl bei der Vergütung als auch bei der Übernahme weiterer Kosten wie etwa der Semester­gebühren oder der Aufwendungen für Lehrmaterial entstehen, zeigt auch eine Studie des Portals Weg­weiser-Duales-Studium.de aus dem Jahr 2013. Hier gaben 41 Prozent der dualen Student_innen an, dass die Semestergebühren vollständig übernommen worden seien, bei 39 Prozent war dies gar nicht oder nur in geringem Umfang der Fall. Die Finanzierung von Fahrtkosten und Lehrmaterial sei hingegen geringer gewesen, als sie es zuvor erwartet hätten.

Die öffentlich-rechtlichen Sender schließen mit dualen Student_innen einen Ausbildungsvertrag ab, in dem Ausbildungszeit, Arbeitszeit und Finanzierung geregelt sind. Der vom MDR 2008 angebotene Ausbildungsvertrag für den Studiengang Fernsehproduk­tion/Kamera legte etwa fest, dass der Sender nicht verpflichtet sei, eine Vergütung zu zahlen und wenn, dass diese Vergütung im Ermessen des Ausbildungsunternehmens liege. Dem betreffenden Studenten wurde konkret eine monatliche Vergütung von 400 Euro gewährt. Zusätzlich erklärte sich der MDR bereit, monatlich 362 Euro an die Fernsehakademie Mitteldeutschland (FAM) zur Finanzierung der Ausbildung zu zahlen. Ein Blick auf die Leistungen des RBB – hier erhalten dual Studierende monatlich etwa 1.000 Euro Vergütung und der Sender übernimmt die Semesterbeiträge – offenbart die Schere zwischen den einzelnen Anstalten. Zudem, so gibt auch Singvogel zu bedenken, hätten dual Studierende aufgrund der angerechneten Ausbildungsvergütung zumeist keinen Anspruch auf BAföG.

 

Um Ungleichbehandlungen zu beseitigen und verlässliche betriebliche Ausbildungsbedingungen zu schaffen, empfiehlt Singvogel den Betriebs- und Personalräten in den Unternehmen daher, die Ausbildungs- und Studienbedingungen in Betriebsvereinbarungen, Dienstvereinbarungen oder tarifvertraglich mit ver.di zu regeln. Bisher würden Betriebs- und Personalräte beim dualen Studium von ihren Regelungsmöglichkeiten wenig Gebrauch machen. Wie solche tarifvertraglichen Regelungen aussehen könnten, zeigen beispielsweise die Tarifverträge für dual Studierende, die ver.di bei der Deutschen Post oder bei der Telekom abgeschlossen hat. Hier erhalten die Student_innen eine monatliche Vergütung von rund 1.000 Euro, die Übernahme der Fahrtkosten sowie eine Unterhaltsbeihilfe beziehungsweise Aufwandszulage sind ebenfalls ge­regelt.      Monique Hofmann <<

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

„PR-Puppen“ proben den Aufstand 

Kreative, die der Tech-Konzern OpenAI (ChatGPT, DALL-E) zu einem geschlossenen Produkttest eingeladen hatte, leakten den Testzugang kürzlich und griffen OpenAI in einem Protestschreiben öffentlich an. Sie warfen dem Unternehmen u.a. vor, sie für Marketing und PR zu missbrauchen und Art Washing zu betreiben.Eine teilnehmende Person schildert M , wie es zu dem Leak kam und was Techkonzerne künftig bei der Zusammenarbeit mit Kreativen besser machen können.
mehr »

Studienergebnisse: Worlds of Journalism

Was bedeutet es heute, Journalist*in zu sein? Welche Dynamiken und Entwicklungen lassen sich im Berufsfeld wahrnehmen? Was brauchen wir, um gute und professionelle Arbeit machen zu können? Zu diesen Fragen führt das Langzeitforschungsprojekt „Worlds of Journalism“ seit 2007 weltweit Befragungen durch. Von 2021 bis 2023 ging die Studie in die dritte Runde. Unterstützt von UNESCO und der International Federation of Journalists, fokussiert die aktuelle Umfrage auf den Themenkomplex Risiken und Ungewissheiten. Ein Blick in die Schweiz.
mehr »

Klimaprotest erreicht Abendprogramm

Am 20. August 2018, setzte sich die damals 15jährige Greta Thunberg mit dem Schild “Skolstrejk för Klimatet“ vor das Parlament in Stockholm. Das war die Geburtsstunde von Fridays for Future (FFF) – einer Bewegung, die nach ersten Medienberichten international schnell anwuchs. Drei Jahre zuvor hatte sich die Staatengemeinschaft auf der Pariser Klimakonferenz (COP 21) völkerrechtlich verbindlich darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
mehr »

Fehlender Schutz für Journalistinnen

Anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen fordert die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di von der Politik und Arbeitgebern endlich mehr Schutz für Frauen in den Medien. Die Zahlen von Gewalttaten an Frauen sind sowohl online als auch offline gestiegen. Der Lagebericht 2023 der Bundesregierung zu geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichteten Straftaten zeigt: Besonders hoch ist der Anstieg bei frauenfeindlichen Straftaten im Zusammenhang mit politisch motivierter Kriminalität - 322 Straftaten - 56,3 Prozent mehr als noch in 2022.
mehr »