Als Zwischenhändler spielen Bildagenturen eine zentrale Rolle für den Fotojournalismus. Hart umkämpft ist vor allem der Markt für tagesaktuelle Nachrichtenfotografie. Ein wichtiger Player dort ist die 1987 gegründete Bildnachrichtenagentur European Press Photo Agency epa, ein Zusammenschluss von neun nationalen europäischen Nachrichtenagenturen. Im Interview spricht epa-Chefredakteurin Monika Plhal über das Selbstverständnis der Agentur und ihre Position auf dem Markt.
Im Jahr 2017 hat sich die Deutsche Presse Agentur (dpa) aus dem Eigentümerkreis der epa zurückgezogen. Wie hat sich die Agentur seither entwickelt?
epa hat in relativ kurzer Zeit eine Mannschaft für Deutschland zusammengestellt, die über Deutschland verteilt arbeitet. Unsere verbliebenen Shareholder wie auch die Kunden haben uns attestiert, dass sie nicht einmal gemerkt haben, dass es eine Veränderung gab. Allerdings mussten viele Veranstalter erst einmal mit in den Fokus kriegen, dass es da eine „neue“ Agentur gibt. Die haben jedoch schnell verstanden, wer wir sind und dass wir wichtig sind. Themen aus Deutschland haben international einen hohen Stellenwert. Wir decken sie sowohl für den deutschen als auch für den internationalen Markt ab.
Wie ist die Abgrenzung zur dpa? Ich stelle mir vor, dass es aufgrund des ähnlichen Angebots eine gewisse Konkurrenzsituation gibt.
Wir sind bei großen Terminen natürlich oft in direkter Konkurrenz. Aber anders als dpa setzen wir kaum auf Regionalberichterstattung, sondern versuchen Akzente zu setzen, indem wir individuelle Stories – bei uns heißt das Photo Sets oder Photo Essays – produzieren. Das sind ein bisschen andere, möglichst originelle Geschichten, jenseits der Pflichttermine. So war z.B. unsere Reportage über einen Fingerhakeln-Wettbewerb ein internationaler Durchläufer. Solche Human Interest Stories kommen immer gut an, egal von wo.
Wie viele Fotograf*innen und Bildredakteur*innen arbeiten für die epa?
Wir sind weltweit bei rund 250 festangestellten Mitarbeitern und in Deutschland bei 10, wobei immer auch ein Netzwerk von freien Mitarbeitern hinzukommt. Darüber hinaus kaufen wir auch Material an, wenn z.B. nur ein externer Fotograf vor Ort war, gerade im Fall von Breaking News.
Die epa hat neben der Zentrale in Frankfurt mehrere Standorte weltweit. Wie ist die Bildredaktion organisiert?
Ja, wir sind global unterwegs, haben also einen 24-Stunden-Betrieb, an jedem Tag des Jahres. Wenn wir von unserer europäischen Zeit ausgehen, fängt der Tag morgens um 1 Uhr in Bangkok an. Ab 7 Uhr kommt dann Frankfurt dazu, und ab 10 Uhr Kairo mit besonderem Augenmerk auf den Mittleren Osten. Dann gibt Frankfurt am Abend an Washington ab, so um Mitternacht, und Washington dann wiederum an Bangkok. Aber zwischen allen Redaktionen gibt es Überlappungszeiten und wir informieren uns gegenseitig in einem schriftlichen „Handover“.
Was sind die zentralen Aufgaben der Bildredakteur*innen bei der epa?
Monika Plhal
ist die amtierende Chefredakeurin (Acting Editor-in-Chief) der epa. Die Agentur wird seit 2018 von einer Dreierspitze geleitet, zu der neben Monika Plhal Frank Bengfort und Gernot Hensel gehören. Monika Plhal studierte Amerikanistik, Germanistik und Publizistik und kam als Bild-Volontärin zur Deutschen Presse-Agentur (dpa). Bei der dpa war sie später als Redakteurin und die letzten fünf Jahre als CvD der zentralen dpa-Bildredaktion tätig. 2011 wechselte sie als stellvertretende Chefredakteurin (Deputy Editor-in-Chief) zur epa.
Was macht das Journalistische am bildredaktionellen Arbeiten aus?
Bei einer Nachrichtenagentur geht es immer um journalistische Inhalte, selbst wenn ein Bild auf den ersten Blick ein reines „Schönbild“ ist, Tierbilder etwa oder schöne Landschaftsaufnahmen. Auch die stehen in einem Nachrichten-Kontext, der Wetterlage z.B. oder regionalen Besonderheiten. Oder denken wir an sogenannte Symbolbilder: Oft ganz profan ein Firmenlogo, vielleicht auch kreativ fotografiert, aber ein journalistisches Bild wird es erst durch den Zusammenhang. Ein Thema auf den Punkt zu bringen, das zeichnet gute Bilder aus und auch gute Redakteursarbeit. Bildjournalismus bringt das Optische mit dem Inhaltlichen zusammen, beim Editieren, aber auch schon beim Fotografieren. Das merkt man in der Redaktion immer: Wenn der Fotograf sich mit dem Thema auskennt, ist die Bildqualität besser, also nicht unbedingt die technische, aber vom Motiv her, vom Bildinhalt.
Welche Qualifikationen brauchen Bildredakteur*innen, die bei Ihnen arbeiten?
Die epa ist zum Glück ein breit gefächertes und sehr flexibles Unternehmen, das zeigt sich auch beim Background von den Redakteuren. Wir haben Mitarbeiter, die vom Fotografieren in die Redaktion gewechselt sind, wir haben Journalistik-Studenten und wir haben Quereinsteiger, die über die Hobbyfotografie in die Redaktion gekommen sind. Elementar ist das Interesse an News, am Verfolgen von Nachrichten. Wir können nichts anfangen mit jemandem, der einfach nur Fotos cool findet und sich nicht für das Geschehen in der Welt interessiert. Und selbst zu fotografieren oder Erfahrung aus anderen Unternehmen mitzubringen, ist definitiv von Vorteil. Wir sehen es gerne, wenn Redakteure von Kundenseite, also aus einer Tageszeitung oder Onlineredaktion zu uns auf die Agenturseite wechseln. Und nicht zu vergessen: Sehr gute Englischkenntnisse. Unsere „Amtssprache“ ist Englisch, unsere Captions sind Englisch, da muss man schon „very fluent“ sein, um einen Sachverhalt schnell zu verstehen und formulieren zu können.
Wie wichtig sind deutsche Zeitungen als Kunden der epa?
Tageszeitungen sind ein ganz wichtiger Kundenkreis und die Zielgruppe, für die wir hauptsächlich arbeiten. Wobei ich Nachrichtenmagazine, in Print und TV, da mit hinzuzähle, da sie alle über ihre Onlineausgaben topaktuell nach draußen gehen. Das gilt für den deutschen Markt genauso wie weltweit.
Versorgen Sie die deutschen Kunden vor allem über Abonnements?
Auch da sind wir flexibel. Wir finden es sehr gut, wenn man in einem stabilen Verhältnis ist, also in einem Jahres- oder Mehrjahresabonnement. Denn das garantiert eine Bildauswahl, bei der wirklich das Bild im Mittelpunkt steht und nicht der Aspekt „Oh, da muss ich ja extra Geld für ausgeben“ mitregiert. Aber epa verkauft natürlich wie alle Agenturen auch Einzelbilder.
Wer ist für die letztendliche Kontextualisierung im Medienprodukt verantwortlich und wie stellen Sie sicher, dass dies in Ihrem Sinne geschieht?
Wir stellen ein Bild über die Caption in einen bestimmten Kontext. Damit ist dem Kunden ja schon eine Richtung vorgegeben, und vermutlich hat er in dieser Richtung auch recherchiert und das Bild gefunden. Da vertrauen wir. Aber auch jeder Kunde hat eine Verantwortung, dass er das richtige Bild verwendet. Wenn ein Kunde ein Motiv in einen ganz anderen Kontext stellt, dann ist das natürlich seine Verantwortung. Wir können da schlecht den Richter spielen und bekommen es eh erst mit, wenn es schon passiert ist. Wenn Bilder irgendwelchen Restriktionen unterliegen, etwa nur für redaktionelle Zwecke oder nur in einem bestimmten Zeitraum nutzbar sind, geben wir dies auch in unseren Captions und in einem IPTC-Feld mit. Aber das wird gerne mal übersehen, oder ist vielleicht auch der Schnelligkeit geschuldet, mit der heutzutage Entscheidungen für Bilder fallen. Eine komplette Nutzungskontrolle haben wir nicht, aber wie wir im Vergleich mit unseren Mitbewerbern genutzt werden, das überprüfen wir täglich über unsere „Play Reports“.
Welche visuellen Trends beobachten Sie im Zeitungsjournalismus?
Der wichtigste Trend ist für mich, dass Fotos einen immer höheren Stellenwert und auch immer mehr Platz bekommen. Das geht schon über Jahre, ja eigentlich Jahrzehnte so, und hat durch den Online-Journalismus so richtig Schub bekommen. Was die Bildsprache angeht, haben wir schon viele Trends erlebt: Erst sollte möglichst alles in einem Bild zu sehen sein, dann wurden die Ausschnitte immer enger, auch Köpfe gerne angeschnitten, dann die Kamera bewusst schief gehalten oder mit Unschärfe und nur punktueller Schärfe gespielt. Jetzt, mit dem Aufkommen der Drohnen, ist die Vogelperspektive sehr beliebt geworden und bietet ja auch immer wieder faszinierende Fotos. Und der Trend weg von „Handshakes“ und „Talking Heads“ hält weiter an, hin zum Symbolhaften oder zu Illustrationen, die um die Ecke gedacht sind und neugierig machen. Das steckt ja eigentlich hinter all den Trends: Man will mit Sehgewohnheiten brechen, überraschen und so die Aufmerksamkeit gewinnen. In unserer extrem visuellen Zeit, mit Werbung und Video und Social Media als Gegenspieler, wird das aber immer schwieriger. Wir als Agentur versuchen dabei zu helfen, indem wir unseren Fotografen möglichst viel Freiraum lassen. Pflicht-Motive müssen sein, aber kreatives Experimentieren auch.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Das Interview ist Teil eines Projektes zur Bildredaktionsforschung von Felix Koltermann am Studiengang Fotojournalismus und Dokumentarfotografie der Hochschule Hannover. Im Rahmen einer Kooperation erscheint das Interview auch auf der Webseite des European Journalism Observatory (EJO).
Der Studiengang Fotojournalismus und Dokumentarfotografie der Hochschule Hannover führt in der Arbeitsgruppe „image market – business trends“ und in Kooperation mit verschiedenen Verbänden wie der dju in ver.di noch bis 29. Februar eine Erhebung zum deutschen Bildermarkt durch. Bildurheber*innen und Bildanbieter*innen sind einladen, sich an der Erhebung zu beteiligen. Die überwiegend Multiple Choice Fragen zu beantworten, dauert ca. 10 – 15 Minuten.
Mehr Informationen gibt es auf der Website der dju in ver.di.
Direkt an der Umfrage teilnehmen kann man hier.