Firewall für digitale Demokratie zur Wahl

Foto: 123rf

Ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis fordert im Bundestagswahlkampf 2021 die Parteien auf, einen “Leitfaden für Digitale Demokratie” einzuhalten. Neben dem DGB und der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di gehören auch Reporter ohne Grenzen, Transparency International, LobbyControl, die Amadeo Antonio und die Stiftung Neue Verantwortung zu den Unterzeichnern des jetzt veröffentlichten Appells.

„Noch nie war ein Bundestagswahlkampf so digital: In der Pandemie findet Meinungsbildung fast ausschließlich online statt“, heißt es von den Initiatoren auf der speziell gestarteten Webseite www.campian-watch.de. Doch hinke der Gesetzgeber hinterher. Für den Wahlkampf im Netz gelten bislang kaum Regeln, die Wählerinnen und Wähler vor Manipulation, Diskriminierung und Eingriffen in die Privatsphäre schützen. Deshalb, so erklärt das Bündnis, werde man den Wahlkämpfer*innen verstärkt auf die Finger schauen, ethische und rechtliche Fehltritte für die Öffentlichkeit auch dokumentieren.

Der öffentliche digitale Raum werde bekanntlich für immer mehr Menschen auch zur Bedrohung. Mehr als die Hälfte der Facebook-Nutzer*innen sei schon digitaler Gewalt ausgesetzt gewesen. Das Bundeskriminalamt warnt vor einem Rückzug demokratischer Kräfte. Vertrauenswürdige Medien, die Politik unabhängig und kritisch beobachten, konkurrieren in den sozialen Netzwerken mit Desinformation und Algorithmen, die polarisieren, statt zuverlässige Informationen zu verbreiten, konstatieren die Initiatoren.

Deshalb müssten die demokratischen Parteien sicherstellen, dass das Internet eine positive Kraft für die Demokratie bleibt. Auch Wahlkämpfer*innen hätten eine Wahl: Sie könnten personenbezogene Daten einsetzen, um Wähler*innen aufgrund ihrer Herkunft, ihres Glaubens oder ihrer sexuellen Orientierung ins Visier nehmen – oder nicht. Sie könnten mit Desinformation und Hetze Stimmung machen – oder das unterlassen.

Das Bündnis fordert alle demokratischen Parteien auf, „eine Firewall für die Demokratie zu bauen“ und einen Verhaltenskodex für den digitalen Wahlkampf zu vereinbaren. Dafür haben die Initiatoren vier Regeln formuliert und vorgeschlagen, „deren Einhaltung eigentlich selbstverständlich sein sollte“: Volle Transparenz beim Umgang mit Daten, ein umfassender Grundrechtsschutz und der Verzicht auf Desinformation sowie digitale Gewalt.

Sie sollten für alle Parteien verbindlich sein, „die einen Wahlkampf führen wollen, der Menschen mitnimmt, statt sie auszugrenzen. Der informiert, statt in die Irre zu führen.“

Der Aufruf kann hier unterstützt werden.

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Altersdiskriminierung beim WDR?

Der WDR serviert freie Mitarbeiter*innen ab, die im Rentenalter für den Sender arbeiten wollen. Damit tut er genau das Gegenteil von dem, was in der öffentlichen Diskussion derzeit geraten wird. Während Angestellte sich also über Jahre hinweg auf einen Termin für ihren Ruhestand vorbereiten konnten, wird langjährigen freien Mitarbeiter*innen nun mit kurzer Frist mitgeteilt, wann für sie angeblich Schluss sein soll. Altersdiskriminierung will man beim WDR aber nicht erkennen – für den Sender gehe es vielmehr darum, jüngeren Mitarbeitenden nicht den Einstieg zu blockieren.
mehr »

Buchtipp: Das Prinzip Trotzdem

Wie könnte ein selbstbewusster Journalismus aussehen, der sich gegen die aktuelle Medienkrise zu behaupten weiß und sich auf seine zentrale Rolle für funktionierende demokratischen Gesellschaften besinnt? Roger de Weck war Zeit-Chefredakteur, Generaldirektor des Schweizer Radios und Fernsehens sowie Mitglied des Zukunftsrats für Reformen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks in Deutschland. In seinem jüngst erschienenen Essay „Das Prinzip Trotzdem. Warum wir den Journalismus vor den Medien retten müssen“ beschäftigt er sich mit genau diesen Fragen.
mehr »

„PR-Puppen“ proben den Aufstand 

Kreative, die der Tech-Konzern OpenAI (ChatGPT, DALL-E) zu einem geschlossenen Produkttest eingeladen hatte, leakten den Testzugang kürzlich und griffen OpenAI in einem Protestschreiben öffentlich an. Sie warfen dem Unternehmen u.a. vor, sie für Marketing und PR zu missbrauchen und Art Washing zu betreiben.Eine teilnehmende Person schildert M , wie es zu dem Leak kam und was Techkonzerne künftig bei der Zusammenarbeit mit Kreativen besser machen können.
mehr »

Studienergebnisse: Worlds of Journalism

Was bedeutet es heute, Journalist*in zu sein? Welche Dynamiken und Entwicklungen lassen sich im Berufsfeld wahrnehmen? Was brauchen wir, um gute und professionelle Arbeit machen zu können? Zu diesen Fragen führt das Langzeitforschungsprojekt „Worlds of Journalism“ seit 2007 weltweit Befragungen durch. Von 2021 bis 2023 ging die Studie in die dritte Runde. Unterstützt von UNESCO und der International Federation of Journalists, fokussiert die aktuelle Umfrage auf den Themenkomplex Risiken und Ungewissheiten. Ein Blick in die Schweiz.
mehr »