Gute Ausbildung auch in schwierigen Zeiten

Es ist inzwischen eine gute Tradition, dass sich DJS-Schüler*innen zum Journalismustag mit dem jeweiligen Thema befassen und ihre Meinungen und Fragen filmisch umsetzen. Im Januar 2021 fand die Veranstaltung der dju in ver.di online statt. Die drei DJS-Schülerinnen Victoria Kunzmann, Anne Baum und Lisanne Dehnbostel wurden digital zugeschalten. Moderatorin Andrea Mavroidis (li.) hatte einige Nachfragen zum vorher gezeigten Film. Foto: Kay Herschelmann

In Deutschland gibt es verschiedene Möglichkeiten, in das Berufsfeld Journalismus einzusteigen. Neben Volontariaten und Hochschulstudien sind Journalismusschulen wichtige Ausbildungsinstitutionen. Eine der renommiertesten ist die Deutsche Journalistenschule in München, die von Henriette Löwisch geleitet wird. Felix Koltermann sprach mit ihr über Journalismusausbildung unter Pandemiebedingungen, die neue Rolle des Wissenschaftsjournalismus sowie den Stellenwert der Fotografie in der Ausbildung.

Corona hat auch im Journalismus für viel Veränderung gesorgt. Datenvisualisierungen und der Wissenschaftsjournalismus haben eine völlig neue Bedeutung erfahren und mobile Arbeit ist zum Standard geworden. Wie hat Corona die Journalismusausbildung verändert?

Wie alle kämpfen wir seit zwei Jahren mit der Herausforderung, wie wir sicheren Unterricht machen können. Wir haben trotz allem den Schwerpunkt auf die Präsenz gesetzt. Es gibt bestimmte kleine Unterrichtsteile, die sich gut auch online machen lassen, wie etwa eine Feedbackrunde zwischen Lehrenden und Studierenden, die sich schon kennen. Andere Unterrichtsblöcke aber sind Online nicht sinnvoll zu machen, wie etwa die Fernseh- und Videoausbildung. Deshalb mussten diese Blöcke auf jeden Fall in Präsenz stattfinden. Einmal haben wir die Ausbildung um zwei Monate verlängert, um das zu ermöglichen. Auch unseren Schülerinnen und Schülern ist jede Präsenzstunde unglaublich viel wert. Gleichzeitig darf dies nicht dazu führen, dass wir zum Infektionscluster werden und die Pandemie vorantreiben.

Das heißt, Veränderungen gab es hauptsächlich auf organisatorischer Ebene? Manche Medienhäuser haben die Volontariate ja auch ein Jahr gestoppt oder verschoben.

Ja, guter Punkt. Diesen Weg sind wir nicht gegangen, und ich glaube, das war wichtig, denn der Bedarf an unseren Absolventinnen und Absolventen ist sogar noch gestiegen. Die Jobangebote sind meinem Eindruck nach derzeit besser als vor zwei Jahren. Hätten wir unsere Ausbildung gestoppt, könnten wir gar nicht genug qualifizierten Nachwuchs liefern. Und genau das ist ja unsere Aufgabe. Insofern bin ich froh, dass wir weitergemacht haben, auch wenn es sehr schwer war.

Henriette Löwisch, deutsche Journalistenschule, als Referentin des Journalistentages der dju in ver.di 2019 Foto: Jan-Timo Schaube

Die DJS wendet sich seit einiger Zeit stärker an MINT-Studierende, unter anderem mit dem Klaus-Tschira-Stipendium. Welche Erfahrungen haben sie damit gemacht?

Mit dieser Förderung haben wir ungefähr zwei Jahre vor Corona angefangen, also nicht getriggert durch die Pandemie. Im Vordergrund stand dabei die Idee, mehr Menschen mit naturwissenschaftlichem Hintergrund an die DJS zu holen. Sie müssen den gleichen Bewerbungsprozess durchlaufen und machen dann genau die gleiche Ausbildung wie alle anderen. Für das Stipendium kann sich nur bewerben, wer die Aufnahmeprüfung erfolgreich absolviert. Dieses Jahr hat sich das erstmals deutlich auf den Anteil von Bewerberinnen und Bewerbern aus diesem Bereich ausgewirkt. Auch die Branche bekommt das schon mit: Wer seine Wissenschaftsredaktion ausbaut weiß, dass von der DJS geschulter Nachwuchs kommt. Zusätzlich haben wir jetzt auch mehrere Kursmodule zur Wissenschaftsberichterstattung in unser Curriculum eingebaut. Da hat uns die Pandemie beflügelt.

Kommen wir mal zum Thema Bild. Worin liegt ihrer Meinung nach die Bedeutung der Fotografie im zeitgenössischen Journalismus?

Wie viele andere Leute auch habe ich natürlich beobachtet, dass die Tatsache, dass „jeder Bilder  knipsen kann“, nicht nur Stills, sondern auch Bewegtbild, dazu geführt hat, dass die Redaktionen und Verlage dachten, dass man da viel Geld sparen kann. Nach dem Motto, wir haben jetzt dieses kostenlose Material, dass uns immer eingeschickt wird, dann brauchen wir eigentlich keine so großen Etats mehr für Fotojournalistinnen und Fotojournalisten. Ich habe den großen Teil meiner journalistischen Karriere bei Agence France Presse (AFP) gearbeitet. AFP ist natürlich ein Beispiel für einen irrsinnig hohen Stellenwert von qualitativ hochwertigem Fotojournalismus. Für mich ist die Anerkennung für das Erzählen und Berichten im Bild daher gleichwertig mit dem Erzählen und Berichten im Text. Aber mein Eindruck ist, dass es in der Realität weniger Fotoredakteure, weniger festangestellte Fotografinnen und Fotografen gibt als früher. Darauf muss ich natürlich auch meine Studierenden vorbereiten. Die kennen die Erwartung, dass sie als schreibende Journalistinnen und Journalisten auch ein Bild oder ein Video mitbringen können müssen. Das ist eine Tatsache, die ich mit unserem Ausbildungskonzept anerkenne.

Warum gibt es keinen eigenen Bereich für Pressefotografie, Fotojournalismus oder Bildredaktion in Ihrem Curriculum?

Es gibt einzelne Kurseinheiten. Wir haben einen Workshop Fotografie und einen Workshop Bildbearbeitung. Aber in der Tat ist es natürlich richtig, dass es keinen Schwerpunkt dazu gibt. Das ist so ein bisschen Tradition. Die DJS gibt es seit 1949, und sie hat nie den Anspruch erhoben, Spezialisten im Bereich Foto auszubilden. Wir zeigen die Basics und wir pflanzen dadurch auch die Wertschätzung für die Kolleginnen und Kollegen in unsere Schülerinnen und Schüler ein. Aber das Wort bleibt der Schwerpunkt unseres Unterrichts.

Die DJS hat auch Fotojournalistinnen und Fotojournalisten hervorgebracht. Aber das waren immer Ausnahmetalente, die schon mit diesem Auge gekommen sind. Daniel Etter ist so ein Beispiel. Man müsste da einen parallelen Studiengang haben, für den man nach anderen Kriterien auswählt. Und das kann die DJS nicht leisten, das ist eine rein ökonomische Frage. Und ich will natürlich nicht am Arbeitsmarkt vorbei produzieren. Ich will, dass alle meine Absolventinnen und Absolventen nach ihrer Redakteursausbildung einen guten Job bekommen. Ich glaube nicht, dass ich 45 Fotojournalistinnen und Fotojournalisten pro Jahr unterbringen könnte.

Welche Kompetenzen müssen denn vermittelt werden, wenn ich an ihre Studierenden denke? Reicht ein Kurs zu Fotografie und Bildbearbeitung oder ist da bezogen auf Bildrecherche noch mehr Bedarf?

Also Bedarf ist immer, doch in einer dichten Ausbildung, die nur 10 Monate dauert, bedeutet ein Tag mehr Bildredaktion einen Tag weniger woanders. Das ist ja kein Kuchen, der immer größer wird. In einigen Bereichen haben wir aber neue Elemente eingeführt. Zum Beispiel haben wir einen Workshop zum Thema digitale Verifikation, da gehört natürlich die Verifikation von Fotos dazu. Das ist wichtig. Ein anderer Aspekt sind Fragen von Urheberrecht, Lizensierung usw. Auch hier haben wir versuchshalber einen halben Ausbildungstag hinzugefügt. Fragen der Bildauswahl sind zudem eine Sache, die gut am lebenden Objekt gezeigt werden kann. Unsere Klassen arbeiten gerade an Übungszeitungen. Da müssen sie tatsächlich diese Entscheidungen treffen, und die Dozentinnen und Dozenten kritisieren und feedbacken das dann. Das finde ich besser, als das theoretisch zu diskutieren.

Wo sehen sie die Zukunft der Journalismusausbildung?

Ich glaube, dass die Idee des crossmedialen Arbeitens, also dass Journalistinnen und Journalisten auf verschiedene Art und Weise und für verschiedene Kanäle ihre Geschichten recherchieren und erzählen müssen, sich noch nicht überholt hat. Sie wird sich weiter bewahrheiten, und deswegen passt unser Modell auch gut. Wir setzen Schwerpunkte beim Podcasting, im Social-Media-Journalismus, in der Formatentwicklung. Wer dann in anderen Bereichen besondere Interessen oder ein besonderes Talent hat, kann sich im Anschluss weiterbilden. Ein Aufbaukurs im visuellen dokumentarischen Journalismus könnte zum Beispiel durchaus sinnvoll sein. Dasselbe gilt für den Datenjournalismus. Wir wecken hier das Interesse und vermitteln die Grundlagen. Die Kompetenzen, die man aber für eine Spezialisierung braucht, können wir aber nur teasern.

Frau Löwisch, vielen Dank für das Gespräch.

Henriette Löwisch ist die Leiterin der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München. Ihre journalistische Laufbahn begann sie 1985 als Lokalreporterin für die Badische Zeitung in Freiburg. 1992 ging sie zur internationalen Nachrichtenagentur AFP, wo sie Auslandskorrespondentin in Brüssel und Washington und Chefredakteurin des deutschsprachigen Dienstes war. 2009 wurde sie zur Professorin an die School of Journalism der University of Montana in den USA berufen. 2017 übernahm sie die Leitung der DJS, an der sie selbst ausgebildet wurde.

Das Interview ist Teil eines Projektes zur Bildredaktionsforschung von Felix Koltermann am Studiengang Fotojournalismus und Dokumentarfotografie der Hochschule Hannover.

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