Kinder, Küche, Konferenz

Symbolfoto: 123rf/rh2010

In der Coronakrise wachsen bestehende Ungleichheiten weiter

Die Coronakrise stellt eine enorme Belastung für das Gesundheitswesen, die Volkswirtschaft, den Sozialstaat – und für die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern dar. Bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern nehmen momentan zu. Das gilt beruflich wie privat. Doch aus der Pandemie könnten auch einige Lehren gezogen werden. Das zeigt eine neue Interviewstudie von ProQuote Medien.

Trotz vieler Besonderheiten hat die Coronakrise eines mit anderen sozialen Krisensituationen gemein: Bestehende Ungleichheiten wachsen. Sie treffen arme Menschen mehr als reiche und Frauen weltweit härter als Männer. Gerade in den Wochen, in denen alle Schulen und Kitas geschlossen blieben, wurde die familiäre Mehrbelastung hauptsächlich durch eine Flexibilisierung kompensiert, meistenteils auf Kosten von Gesundheit, Geldbeutel und Nerven der Frauen.

Für die Gleichstellung von Frauen und Männern in Medienberufen bedeutet diese Entwicklung ebenfalls einen Rückschlag. Der Verein ProQuote Medien sammelte dazu in einer nicht-repräsentativen Umfrage unter Journalistinnen Stimmen. 137 Frauen nahmen daran teil. Über die Hälfte der Frauen gab an, dass sie Aufträge verloren habe und Einkommensverluste hatte. Ein Fünftel verdient nur noch halb so viel wie vor der Pandemie. Ein Drittel kann nicht mehr oder nur noch „mit Mühe“ von seinen Einnahmen leben. Elf Frauen verdienen nach eigenen Angaben gar nichts mehr.

Besonders schwer haben es auch bei den Journalistinnen die Mütter. Es sei „das reine Chaos“ gewesen, „homeschooling und homekita“ neben der Arbeit zu organisieren, schrieb eine Teilnehmerin. Die meisten Frauen gaben an, „heillos überlastet“ gewesen zu sein, einige fühlten sich nun „psychisch und physisch am Ende“. Auch weil sie in den Redaktionen ins Hintertreffen gerieten: Sie sei von „interessanten Projekten“ abgezogen worden, schildert eine Journalistin, weil sie ihrem Arbeitgeber „nicht flexibel“ genug gewesen sei. Eine andere musste Aufträge absagen, weil sie neben der Kinderbetreuung ihre Arbeit nicht mehr schaffte. Nur fünf der 137 befragten Frauen gaben an, dass ihr Mann sich vor allem um die Kinder kümmerte – und ihnen so den Rücken freihielt.

Edith Heitkämper ist Journalistin und im Vorstand von ProQuote Medien. Sie macht auch die Unterschiede zwischen den Frauen deutlich: „Freie Journalistinnen sind ganz besonders betroffen, viel mehr noch als festangestellte. Denn dort, wo Verlage momentan runterfahren, fallen Aufträge weg. Für die freien Kolleginnen bedeutet das natürlich einen großen Verlust. Wie erheblich der ist, hängt aber auch stark von den Verlagen ab.“

Dass die Belastung durch Lohnarbeit, Haushalt und Kinderbetreuung ungleich verteilt ist, beschreiben die meisten Befragten. Wenn Eltern in Zeiten geschlossener Kitas und Schulen einspringen müssen, tragen die Mütter die Hauptlast. Das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung kommt zu dem Schluss, dass es durch die Pandemie zumindest teilweise zu einer Retraditionalisierung der Geschlechterverhältnisse kommt. Sie stellen in einer aktuellen Studie fest: „Frauen reduzieren häufiger ihre Arbeitszeit, ihr Anteil an der Sorgearbeit nimmt noch weiter zu.“ Auch die Befunde der Online-Befragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigen, dass Frauen während der Pandemie den größeren Teil der Kinderbetreuung und der Hausarbeit leisten. Allerdings sei der Anteil der Männer, die sich an der Kinderbetreuung beteiligen, in dieser Zeit ebenfalls gestiegen.

Dennoch gewinnen viele befragte Frauen in Redaktionen der Veränderung auch etwas Positives ab. „Insbesondere die Möglichkeit flexibler zu arbeiten und eben nicht bis zum Redaktionsschluss im Büro bleiben zu müssen, empfinden viele Kolleginnen als Erleichterung“, sagt Heitkämper. Wechselnde Schichtdienste bis in die Abendstunden, ein später Redaktionsschluss und die Abhängigkeit von aktuellen Ereignissen machen den Beruf oft besonders familienunfreundlich. Gerade in den Regionalzeitungen ist diese Präsenzkultur weit verbreitet. Dort hat ProQuote Medien nachgefragt. Das Arbeiten von zu Hause habe auch Vorteile, gaben einige Frauen an: „Durch Corona, muss ich gestehen, ist es echt viel besser geworden, weil wir tatsächlich alle mit Dienstlaptops ausgestattet wurden und von Zuhause aus arbeiten können. Plötzlich war auch der Zugriff auf alle Laufwerke in der Arbeit möglich“, sagte eine Journalistin in der aktuellen Studie von ProQuote Medien. Allerdings betont sie auch Nachteile: „Die Strukturen sind einerseits besser geworden, aber die Arbeitsverdichtung macht den Job nicht gerade familienfreundlicher. Da lügen wir uns selbst in die Tasche, wenn wir sagen, nur weil ich von zuhause arbeiten kann, ist es familienfreundlicher.“

Aus älteren Homeoffice-Studien, auch solchen vor der Pandemie, ist bekannt, wie sich das Arbeiten von zu Hause auf die Arbeitszeit, die Verteilung der Sorgearbeit und die beruflichen Entwicklungschancen von Arbeitnehmer*innen auswirkt – nämlich je nach Geschlecht unterschiedlich. Während Männer mehr Lohnarbeit leisten, steigt bei Frauen der Anteil der Sorgearbeit, wenn sie freiwillig im Homeoffice sind. Sie haben weniger Freizeit, vor allem wenn kleine Kinder im Haushalt leben.

Insbesondere die Kinderbetreuung und das Homeschooling tragen nun dazu bei, dass der Berg an Sorgearbeit für berufstätige Frauen noch weiter anwächst. In Haushalten mit mindestens einem Kind unter 14 Jahren haben laut WSI 27 Prozent der Frauen, aber nur 16 Prozent der Männer ihre Arbeitszeit reduziert, um die Kinderbetreuung zu gewährleisten. Bei Haushalten mit geringerem oder mittlerem Einkommen fällt der Unterschied zwischen den Geschlechtern noch größer aus. Familien mit wenig Geld könnten es sich häufig nicht leisten, auf das – meist höhere – Gehalt des Mannes zu verzichten. Selbst in Familien mit einer vormals gleichberechtigten Arbeitsverteilung übernehmen nun vor allem die Frauen. Nur 60 Prozent derjenigen Paare mit Kindern unter 14 Jahren, die sich die Sorgearbeit vor der Coronakrise fair geteilt haben, tun dies auch während der Krise.

Das WSI warnt aber auch vor langfristigen Folgen für die Erwerbsverläufe von Frauen. Da die ökonomischen Folgen der Krise noch länger spürbar sein werden, könnte eine Rückkehr zur vorherigen Arbeitszeit unter Umständen schwierig werden. Die bestehende Lohnlücke zwischen den Geschlechtern dürfte sich durch die Coronakrise noch weiter vergrößern, da die sogenannte Gender-Pay-Gap maßgeblich von der Verteilung der Sorgearbeit beeinflusst wird.

Für die Zukunft fordert Heitkämper ein generelles Umdenken. Auch die Unternehmenskultur der Verlage und Medienhäuser spiele dabei eine entscheidende Rolle. So berichtet Heitkämper, dass sich Frauen mitunter nicht trauten, in den Redaktionen ihre Doppelbelastung anzusprechen. Dieses Klima sei schädlich für die Arbeitsbiografien von Frauen. „Gerade Vollzeitstellen müssen künftig so gestaltet werden, dass sie je nach Lebensphase flexibel und attraktiv sind.“ Das gelte auch für Führungspositionen – etwa in Form von geteilten Ressortleitungen, Doppelspitzen oder 80-Prozent-Stellen. Eine flexiblere Arbeitsgestaltung komme Frauen und Männern zugute.

 

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