Lesben kaum in den Medien

Oft als sexuelle Praxis nicht als Lebensweise gesehen

Lesben tauchen in den Medien in der journalistischen Berichterstattung nur sehr selten auf. Verglichen mit Schwulen sogar noch seltener. Das zeigt bislang keine Studie. Doch die Aussagen lesbischer Funktionsträgerinnen von Lesben- und Homosexuellenverbänden sprechen eine deutliche Sprache. „Die Präsenz von Homosexuellen und homosexuellen Themen in den Medien ist meines Wissens noch nicht untersucht worden. Besonders auffällig in dieser Hinsicht ist übrigens die deutliche Unterrepräsentanz von weiblicher Homosexualität auch im Rahmen der CSD-Berichterstattung“, so Renate H. Rampf von der Pressestelle des Lesben und Schwulen Verbandes Deutschland (LSVD) auf Anfrage von M.

Die Lebensentwürfe und die Alltagsrealität frauenliebender Frauen finden nach einer Presseinformation der Landesarbeitsgemeinschaft Lesben in Nordrhein Westfalen e.V. wenig oder keine positive Berücksichtigung in der Presse. „Gerade so genannte Frauenzeitschriften, aber auch die großen Jugend- und Publikumsmagazine lassen eine deutliche Einbeziehung lesbischer Themen nach wie vor vermissen – oder geben ihnen höchstens in Form von problematischen Coming-out-Geschichten Raum“, so die Geschäftsführerin Gabriele Bischoff. So täten sich nur wenig gute Identifikationsmöglichkeiten auf für eine Bevölkerungsgruppe, die laut einer Brigitte-Studie vom Frühjahr 2008 doch mindestens 9% der weiblichen Bevölkerung aller Schichten und Altersgruppen umfasse. Denn so viele junge Frauen zwischen 17 und 29 Jahren antworteten auf die Frage, mit wem sie in einer Partnerschaft zusammenleben wollten: „mit einer Frau“, weiß Bischoff.
Und Pressesprecherin Elke Heinicke vom bundesweiten Verein Lesbenring stellt fest: „Ganz oft weiß ich, dass in den Medien über Lesben berichtet wird, es steht aber nicht dabei.“ Über heterosexuell lebende Frauen sei häufig zu lesen: „Ist verheiratet, hat drei Kinder“, während bei lesbischen Frauen zu diesem Thema gar nichts stehe. Als Gründe sieht die Heidelbergerin, dass Lesben nicht unbedingt in ihre Vita schreiben, wie sie leben, da es nach wie vor nicht Karriere fördernd ist. Oder es werde von den Zeitungen- und Zeitschriftenverlagen nicht gewünscht, dass das Lesbischsein auftauche. „Es passiert oft, dass die dann sagen: Wir schreiben bei den anderen auch nicht, was sie im Bett tun. Lesbischsein wird immer noch oft als sexuelle Praxis gesehen und nicht als Lebensweise“, sagt Heinicke. Dadurch blieben Lesben unsichtbar. Sie spricht aus eigener Erfahrung. Wenn sie selbst interviewt wird, muss sie fast schon regelmäßig darauf bestehen, dass ihr Lesbischsein miterwähnt wird. Andererseits befriedigen nach Heinicke weder lesbenpolitische Forderungen noch ein Coming Out den Hunger der Medien nach Sensationen, außer es handelt sich ausnahmsweise um eine ohnehin im Rampenlicht stehende Persönlichkeit. Wenn Lesben aber dennoch in den Medien auftauchen, ist nach den Worten der Dozentin für Sprachen die Regenbogenfamilie beliebter Gegenstand der Berichterstattung. „Die Medien suggerieren, dass es ein natürliches Bedürfnis einer jeden Frau sei, Kinder zu haben. Fürsorgliche lesbische Mütter scheinen im Mainstream am Leichtesten akzeptiert zu werden.“

Spektakuläres findet Platz

Bei Fernsehübertragungen von Christopher Street Day (CSD)-Paraden werde über Lesben in der Regel nur am Rande berichtet und obendrein würden sie im Kontrast zu den bunten, schrillen Schwulen dann oft auch noch als humorlos und verbissen dargestellt. Ihr Wunsch, „dass genauso selbstverständlich wie heterosexuelle Lebensweisen lesbische einfließen mit verschiedenen Berufen mit und ohne Kinder, politisch aktiv und nicht aktiv“. Mit politischen Forderungen sei es dagegen – auch für den etwa 7.000 Lesben vertretenden Lesbenring – schwierig, in den Medien Platz zu finden. Thematisch komme alles unter, was spektakulär sei. „Lesben haben oberflächlich die eine oder andere Forderung erfüllt bekommen wie die Homo-Ehe. Damit meinen alle, Diskriminierung sei heute kein Thema mehr“, erklärt Heinicke. Jedoch: „Je mehr Lesben in den Medien vertreten sind, umso leichter wird es für die Einzelne, sich in ihrem Umfeld zu outen – privat wie beruflich.“ Da beiße sich die Katze in den Schwanz: Je schwerer es sei, sich zu outen, umso weniger kämen Lesben natürlich in den Medien vor. Und sie nennt für die Ignoranz der Medien gegenüber Lesben als Bespiel: „Als 2007 das Lesbenbewegungsbuch („100 Jahre Lesbenbewegung“) eingeführt wurde, wurde in Berlin ein rauschendes Fest gefeiert. Fünfzig von insgesamt hundert Autorinnen kamen aus ganz Deutschland. Es gab eine mehrere hundert Meter lange Schlange von Frauen, die nicht mehr reinkamen zur Party.“ Die Presse würdigte dieses Großereignis keines Wortes. Dagegen fiel der öffentliche Fokus just an diesem Wochenende auf die frisch geoutete Anne Will.
Elke Heinicke selbst hat einen Überblick. Sie liest möglichst breit gefächert von der Frankfurter Rundschau über eine Regionalzeitung, Emma und Brigitte bis zum Spiegel plus Internet. Denn einen Fernseher hat die in fester Partnerschaft Lebende nicht. Im Internet seien Lesben möglicherweise nicht mehr präsent als in den Printmedien. Da Lesben sich hier jedoch Plattformen geschaffen haben, könne sie die Seiten gezielt aufsuchen. „Auch mussten viele Lesbenzeitschriften in der Vergangenheit ihr Erscheinen einstellen wie die UKZ, die IhrSinn und der Lesbenstich, so dass Lesben hier die Möglichkeit genommen wurde, in größerem Maße in eigenen Medien sichtbar zu sein.“ Und zum Schluss meint sie noch: „Wir sollten unsere eigenen Medien wertschätzen. Niemand wird das abdrucken, was wir gerne lesen möchten, wenn wir es selbst nicht tun wie im LesbenringInfo und der Krampfader – FrauenLesbenzeitschrift.“

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