Leserforen und Bildungsprojekte

Wortmeldung während eines Leserforums, Oktober 2019, im BZV-Medienhaus in Braunschweig
Foto: Florian Kleinschmidt

Braunschweiger Zeitung setzt auf Transparenz und Dialog mit ihrer Leserschaft

Eine starke Präsenz in der Region, die auf Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern fußt – das ist das Rezept der Braunschweiger Zeitung gegen den -anhaltenden Vertrauensverlust, unter dem der deutsche Journalismus leidet. Die Tageszeitung, die in Niedersachsens zweitgrößter Stadt erscheint und die umliegende Region mit Großstädten wie Wolfsburg und Salzgitter abdeckt, entwickelte dazu das Konzept der Bürgerzeitung. Die Leserschaft wird dabei nicht bloß als Abnehmer betrachtet, sondern als Partner. „Unser Produkt wird durch die Teilnahme der Leser besser“, stellt Chefredakteur Armin Maus fest. Leserinnen und Leser können auf verschiedene Weisen mit den Redakteur*innen und sogleich der gesamten regionalen Öffentlichkeit in Kontakt treten.

Die Braunschweiger Zeitung verfügt über eine breit aufgestellte Online-Präsenz mit verschiedenen Portalen. Ihre Social-Media-Abteilung baut sie zurzeit weiter aus, um die Online-Kommunikation mit den Leserinnen und Lesern zu fördern. Über das Portal Alarm38.de etwa können Bürger ihre „Aufreger“ im Alltag mit einem Foto veröffentlichen – etwa wenn es um Missstände auf öffentlichen Straßen geht. Die Lokalredaktionen greifen diese Aufreger dann auf, haken bei zuständigen Ämtern und Behörden nach und publizieren das Ergebnis. Oder einfacher gesagt: Die Zeitung kümmert sich. Auch über Facebook und Instagram wird der Echtzeitaustausch mit den Leserinnen und Lesern unterstützt. Dort können sie miteinander in Dialog treten.

Doch vor allem mittels einer Varietät von öffentlichen Veranstaltungen sucht die Braunschweiger Zeitung Kontakt zu ihren Lesern. Dorf- und Stadtteilabende finden an wechselnden Orten statt und bilden das Geschehen in der Nachbarschaft ab, während die Leserforen nach gezielter Themenauswahl organisiert werden. Dabei wurde etwa ein Forum zum Gedenken der Braunschweiger Bombardierung vor 75 Jahren veranstaltet, bei der ein Zeitzeuge über seine Erlebnisse berichtete. Auch behandelten die Foren schon aktuelle Themen wie Hasskommentare und Pöbeleien im Internet – und wie mit ihnen umgegangen werden sollte, auch seitens der Redaktion. Und der politische Austausch vor Wahlterminen findet in den Foren ebenfalls regelmäßig statt. Die Leserforen sind flexible Formate: Die Teilnehmerzahl kann zwischen 50 und 9000 Teilnehmern variieren. Sie orientieren sich am Interesse der Leserschaft und an Gelegenheiten, bekannte Persönlichkeiten zum Dialog einzuladen.

Chefredakteur Armin Maus (l.) im Gespräch mit David Mache, stellv. Chefredakteur und redaktionsinternem Ombudsrat, sowie der redaktionsexternen Ombudsrätin Tilla Seffer-Gassel (August 2018)
Foto: Philipp Ziebart

Die wohl prägnanteste Strategie der Braunschweiger Zeitung, die Bindung zur Leserschaft durch Transparenz zu verbessern, ist der Ombudsrat. Er wurde 2009 ins Leben gerufen und soll als „Anwalt der Leserinnen und Leser“ fungieren: Möchte jemand einen Artikel, einen Meinungsbeitrag oder den Umgang der Redaktion mit einem bestimmten Thema kritisieren, kann diese Person dem Ombudsrat per E-Mail oder Brief eine Beschwerde schicken. Diese wird dann von einer -redaktionsinternen Person, zurzeit der stellvertretende Chefredakteur David Mache, und einer redaktionsexternen, derzeit Tilla Scheffer-Gassel, geprüft. Letztere ist langjährige Vizepräsidentin des AmtsgerichtsBraunschweig. Das Wichtigste vorweg: Jede Beschwerde erhält eine Antwort. Entscheiden die zwei Mitglieder des Ombudsrates, dass die Kritik für die breite Leserschaft relevant ist, erscheinen der originale Artikel mitsamt der Beschwerde, einer Antwort des Verfassers und die Auseinandersetzung des Ombudsrates mit der Kritik in der Tageszeitung. Die Leserschaft kann so mitverfolgen, wie sich die Redakteure öffentlicher Kritik stellen. Ihre Beiträge werden nicht zuletzt mittels Grundregeln des Pressekodex objektiv evaluiert. Mit dieser Form der Transparenz schafft es die Braunschweiger Zeitung zunehmend, das Vertrauen ihrer Leserschaft in den Journalismus und die dahinterstehenden Journalist*innen zu stärken. Zudem können die Leserinnen und Leser durch die entstehende Diskussion besser nachvollziehen, wie Journalist*innen arbeiten.

„Braunschweiger des Jahres“ für ehrenamtliches Engagement

Und auch durch die Vergabe von Preisen wird das Verhältnis von der Leserschaft zu ihrer Tageszeitung -bestärkt: So vergibt die Braunschweiger Zeitung den Preis „Braunschweiger des Jahres“ und ehrt mit dem „Gemeinsam-Preis“ ehrenamtliches Engagement von Bürger*innen in der Region. An den Standorten anderer Lokalredaktionen werden entsprechend weitere Ehrenamts-Preise vergeben – stets öffentlichkeitswirksam in festlichem Rahmen.

Nicht zuletzt werden Bildungsprojekte angeboten, durch welche die Braunschweiger Zeitung insbesondere in Kontakt mit jüngeren Menschen in der Region tritt. Im Rahmen des Medien- und Bildungsprojekts „Zukunft bilden“ können Auszubildende völlig anderer Berufsfelder an verschiedenen Workshops teilnehmen, lernen dabei etwa das Fotografieren und blicken hinter die Kulissen des Medienunternehmens. Ein medienpädagogisches Programm begleitet die jungen Menschen. Und im Rahmen des Medienprojekts „Media-campus“ werden Lehrkräfte der dritten bis zwölften Klassen darin unterstützt, Medienkompetenz im Unterricht zu lehren.

Chefredakteur Armin Maus betont, dass die Braunschweiger Zeitung sich als Dienstleister der Leserinnen und Leser sieht: „Wir wollen sowohl Stimme als auch Marktplatz der Region sein“, erklärt er. „Mit uns können die Bürger ihre eigenen Themen in die Öffentlichkeit bringen.“ Seine Beobachtung: In der Region Braunschweig herrsche eine gute Diskussionskultur.

Den Vertrauensverlust in den bundesdeutschen Journalismus versteht die Braunschweiger Zeitung als Antrieb, noch besser zu werden. Die Redaktion will Transparenz und Kompetenz beweisen. „Wir setzen uns hohe Maßstäbe“, betont Armin Maus. „Es ist ein Privileg, in Deutschland als Journalist frei arbeiten zu können. Und wir haben die Verpflichtung, es auch gut zu machen.“ Die Vertrauenskrise rufe zwar problematische Pauschalurteile gegen Medien hervor, aber rege die Journalisten auch an, konsequent an sich zu arbeiten. „Als Informationsmedium müssen wir offen sein, jeweils beide Seiten zeigen und das bestmögliche journalistische Ergebnis erzielen“, so der Chefredakteur. Dazu gehöre auch, die Lebenssicht der Bürgerinnen und Bürger in der Region an sich heranzulassen.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »

KI darf keine KI-Texte nutzen

Die Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der KI im eigenen Metier wird Journalist*innen noch lange weiter beschäftigen. Bei der jüngsten ver.di-KI-Online-Veranstaltung ging es um den Anspruch an Gute Arbeit und Qualität. ver.di hat zum Einsatz von KI Positionen und ethische Leitlinien entwickelt. Bettina Hesse, Referentin für Medienpolitik, stellte das Papier vor, das die Bundesfachgruppe Medien, Journalismus und Film zum Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz im Journalismus erarbeitet hat.
mehr »

Unabhängige Medien in Gefahr

Beim ver.di-Medientag Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen diskutierten am 20. April rund 50 Teilnehmende im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig die aktuelle Entwicklungen in der Medienlandschaft, die Diversität in den Medien und Angriffe auf Medienschaffende. Das alles auch vor dem Hintergrund, dass bei den kommenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg die AfD laut Umfragen stark profitiert. 
mehr »

Wie prekär ist der Journalismus?

„Daten statt Anekdoten“, das war das Ziel des Forschungsprojekts „Prekarisierung im Journalismus“ an der LMU München, das nun nach fast fünf Jahren mit einem internationalen Symposium in München endete. Zu den Daten aus Europa hatte auch die dju in ver.di ihren Beitrag geleistet, als sie ihre Mitglieder um Teilnahme an der Online-Befragung bat und in M über die Ergebnisse berichtete.
mehr »