Neu gewählt laut Statut

Freienräte beim MDR mit mehr Rechten als je zuvor ausgestattet

Drei mal neun plus zwei mal sieben: Auf 41 konnte die Zahl der Freienräte beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) nach der jetzigen Wahl maximal steigen. Ganz geklappt hat das nicht, in Erfurt fehlten Kandidaten. Das Ergebnis ist dennoch nicht nur quantitativ ein Fortschritt.

Ab Ende April konnten alle Freien, die 2021 mindestens 42 Tage für den MDR tätig gewesen sind, an den Standorten Dresden, Erfurt, Halle, Leipzig und Magdeburg neue eigene Interessenvertretungen wählen. Gegenüber den bisherigen ließen sich alle Räte um zwei Vertreter*innen aufstocken. Grundlage dafür: Das im Herbst 2021 von der Intendantin erlassene Statut für die Freienvertretung beim MDR, das seit Januar gilt. Danach sind Freienräte im Sender keine bloße freiwillige Initiative mehr, sondern offizielle MDR-Gremien: Sie „vertreten die Interessen aller freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Mitteldeutschen Rundfunks an allen Standorten des MDR und im KiKA“, bestimmt das Statut, regelt auch deren Rechte und Pflichten sowie die Wahlmodalitäten.

Screenshot: http://www.mdr.freie.de/

Bei aller Kritik, dass für den Mitteldeutschen Rundfunk laut Staatsvertrag die Anwendung verbesserter Mitbestimmungsrechte für arbeitnehmerähnliche Freie nach dem neuen Bundespersonalvertretungsgesetz ausgeschlossen wurde, liefert das Statut nun eine gesicherte Rechtsposition für die Freienräte. Umso mehr, hieß es im aktuellen Wahlaufruf, suchten die Interessenvertreter ein „starkes Mandat“, um die Belange der Freien im anstehenden „Transformationsprozess“ in den nächsten vier Jahren energisch vertreten zu können.

Zwölf Themenkreise listet das Freienstatut des MDR auf, in die die Vertretungen der annähernd 2.000 freien Mitarbeiter*innen einzubeziehen sind. Praktisch sind die Freienräte auch in etlichen MDR-Arbeitsgruppen vertreten, die die Zukunft der Mehrländeranstalt mitgestalten – so im Ausschuss für Gesundheits- und Arbeitsschutz, der AG Fort- und Weiterbildung, dem Bewerbungsmanagement für freie Jobangebote, der AG Mobiles Arbeiten, dem Beirat Vielfalt, dem MDR Ideenmanagement und dem Board Nachhaltigkeit. „Tatsächlich sind wir an den meisten zentralen AGs beteiligt“, sagt Rüdiger Trojok, bislang stellvertretender Vorsitzender des Gesamtfreienrates. „Wo ich mir noch mehr Beteiligung wünschen würde, das sind die grundsätzlichen Strategieprozesse.“ Sie hätten oft erhebliche Auswirkungen auf die Beschäftigung. Darüber würden die Freienräte zwar in der Regel informiert, doch kaum mehr. ver.di-Mitglied Trojok erinnert daran, dass der MDR in den Gesprächen im Vorfeld zum Freienstatut die Themenfelder der Mitsprache letztlich bestimmen und eingrenzen konnte. „Zum Beispiel hätten wir uns die Beteiligung auch bei der Arbeitsplatzgestaltung, der Gestaltung von Arbeitszeitmodellen oder eine Mitsprache beim Abschluss von unbefristeten Honorarrahmenverträgen, den BTV-Verträgen, erhofft.“

Doch wollen die neugewählten Freienrätinnen und Freienräte nun verstärkt darauf achten, dass etwa Fortbildungen zur Selbstverständlichkeit werden, dass keine Altersdiskriminierung stattfindet, dass „jung“ nicht gleich „billig“ bedeutet und dass überhaupt möglichst viele Produktionen im MDR maßgeblich von eigenen Freien produziert werden.

Gut ist sicher, dass im Vergleich zu den vorigen Freienratswahlen deutlich mehr Aktive für die Personenwahl kandidierten. An fast allen Standorten gab es bei der Online-Abstimmung also echt die Wahl, konnten alle Plätze besetzt werden. Lediglich in der thüringischen Landeshauptstadt, wo auch der KiKA sitzt, blieb Luft nach oben. Hier muss der Freienrat wegen Bewerbermangels mit sieben statt neun möglichen Vertreter*innen auskommen. Insgesamt positiv: Mehr als die Hälfte der neu gewählten MDR-Freienvertreter*innen sind Frauen.

Eindeutige Reserven gibt es noch bei der Wahlbeteiligung. Hatte sie bei den Wahlen 2020 bei 31,6 Prozent gelegen, gaben jetzt zwar rund 35 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab, fast zwei Drittel taten das aber nicht. Nicht so überraschend für Rüdiger Trojok, der erneut viel Vertrauen erhielt und für den sich in Kürze konstituierenden MDR-Gesamtfreienrat bereit steht. Noch wären nicht allen Freien die jetzt statuts-basierten neuen Rechte und Möglichkeiten ausreichend deutlich geworden. Das liegt sicher auch daran, dass sie eben nicht regelmäßig und fest in den Betrieb eingebunden sind.

Einer, der auch als Gewerkschafter die „vielen kleinen Schritte“ auf dem Weg zu einer offiziellen Freienvertretung beim MDR seit fast zehn Jahren aktiv mitging, ist Jan-Markus Holz. Am 1. Juni wurde er in die neue Doppelspitze des Leipziger Freienrates (wieder)gewählt. Obwohl Freienräte bereits zuvor im Sender akzeptiert gewesen seien, etwa auch im „Corona-Stab“ mitarbeiteten, sieht er es als „großen Schritt“, dass Freie mit dem Statut nun Rechte haben, die sie auch einfordern können. „Neu ist auch, dass wir in Veränderungsprozesse viel rechtzeitiger eingebunden werden“, sagt der seit über 20 Jahren für den MDR tätige Cutter. Aktuell betreffe das auch Redaktionsstrukturen, etwa Neuerungen beim Mittagsmagazin „MDR um 2“, wo künftige Schwerpunktsetzungen „mit Sicherheit Auswirkungen auf die Arbeit von Freien haben werden“. Sorgsamer Umgang mit Personal ist für ihn eines der Themen, das zur bevorstehenden Klausur des regionalen Freienrats weiter debattiert werden wird.

Mehr Informationen – Freie im MDR:

Freie beim MDR: Echte Mitsprache wäre mehr

 

 

 

 

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