Medienpolitische Tagung mit gewinnbringenden Debatten
„Neue Medien, neue Herausforderungen – der Journalismus in einer sich verändernden Medienlandschaft“ – viel Diskussionsstoff. Die Teilnehmer der diesjährigen medienpolitischen Tagung im Institut für Bildung, Medien und Kunst Lage-Hörste fokussierten sich auf Aktuelles wie Leistungsschutz- und Urheberrecht, Aus- und Weiterbildung, Finanzierungsformen des Journalismus oder den Konflikt zwischen öffentlich-rechtlichen und privat-kommerziellen Medien.
Nach einem Überblick über die medialen Global Player und ihr Konkurrenzgebaren warf Stephan Kolbe, medienpolitischer Referent von ver.di, die Frage nach dem „Gewinner“ in der Medienlandschaft der Zukunft auf. Denn auf der einen Seite wird ein Zeitungssterben vorausgesagt (aktuelle Ereignisse haben uns gerade eingeholt S. 14/15) und ein völliger Generationenabriss beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen befürchtet. Und, wer weiß, vielleicht kauft Google Facebook! Auf der anderen Seite streiten wir für Meinungsvielfalt und diskutieren über neue Finanzierungsmodelle, den öffentlich-rechtlichen Auftrag, die Rechte von Urhebern oder neue Regulierungsansätze im Netz, etwa über die Verantwortlichkeiten für Inhalte durch die Provider. Inwieweit also können wir die globale Medienentwicklung beeinflussen?
Journalisten (und andere Kreative) müssen von ihrer Arbeit leben können auch im Internetzeitalter, dafür plädierte Rechtsanwalt Wolfgang Schimmel und bewegte sich gewandt zwischen den Fronten der Befürworter der Sicherung und Weiterentwicklung des Urheberrechts und den Fürsprechern für „grenzenlose Freiheit“ im Netz. Sein Fazit: Urheber first! (siehe Seite 25)
Trend Aufmerksamkeitsökonomie
Einen Funktionswandel des Journalismus beschrieb Dr. Hans-Jürgen Arlt, Gastprofessor an der Universität der Künste Berlin, anhand des Beispiels der Bild-Zeitung. Gerade die „Causa Wulff“ sei ein Paradebeispiel für die Verquickungen und Abhängigkeiten von Politik und Medien und belege den Trend des Journalismus in Richtung Aufmerksamkeitsökonomie. Es komme nicht (mehr) vordergründig auf das Thema an, sondern auf Reizworte wie Macht, Sieg, Niederlage, Liebe, Sex. Das gehe einher mit einer Entpolitisierung des Journalismus. Die Medienwirtschaft bestimme primär, was wie veröffentlicht wird, nicht die Politik. Die im Übrigen damit ein Stoff sei wie der Sport oder die Medien selbst. Arlt sieht in dieser Entwicklung, die maßgeblich durch die Digitalisierung bestimmt wird, aber auch Chancen: z.B. ein breiteres Themenspektrum oder eine größere Perspektivenvielfalt.
Angesichts der rückläufigen Auflagen der Printmedien sei es Zeit, über alternative oder ergänzende Finanzierungsmodelle für den Journalismus nachzudenken, sagte Marc Jan Eumann, Vorsitzender der SPD-Medienkommission. Die Presseförderung in Deutschland sei auf die Reduzierung der Mehrwertsteuer begrenzt, anders als beispielsweise in Schweden, wo jährlich 61 Millionen Euro Fördergelder fließen. In den USA wiederum kommen im Jahr etwa 100 Millionen Dollar über Stiftungen zusammen. Das bekannteste Beispiel: Pro Publica, die investigativen Journalismus fördert. Eumann erinnert an Unterstützerformen hierzulande wie der Mitarbeiterbeteiligung (Beispiel Spiegel) oder der Leserbeteiligung (Beispiel taz). In NRW ist geplant, eine „Stiftung für Partizipation und Vielfalt“ zur Förderung journalistischer Recherche zu gründen, so Eumann. Sie solle 2014 ihre Arbeit aufnehmen und nur zu einem geringen Teil aus Landesmitteln bezuschusst werden. Eumann könne sich auch vorstellen, dass Gelder für derartige Journalismusförderung aus dem Beitragsaufkommen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kommen könnten, vergleichbar mit den zwei Prozent (140 bis 150 Millionen Euro derzeit), die schon jetzt an die Medienanstalten der Länder gezahlt werden.
Notwendige Weiterbildung
Nachdem im Plenum zwischen den Vorträgen schon heftig diskutiert wurde, vertieften die 60 Teilnehmer in vier Workshops bereits angesprochene Themen und griffen weiter Problemfelder auf. Mit Prof. Dr. Barbara Thomaß von der Ruhr-Universität Bochum ging es um Ansprüche an die Aus- und Weiterbildung (AWB) von Journalisten. Die Weiterbildung von Freien sei dabei ebenso notwendig wie die von Festen, war man sich einig. Auch dafür seien Arbeitgeber mitverantwortlich, was sich z.B. in einer AWB-Abgabe manifestieren könnte. In Tarifverträgen sollten Weiterbildungszeiten fixiert werden ebenso wie Bildungsurlaub – ein Vorschlag an die Tarifkommission der dju! Auch die Modernisierung des Volontär-Tarifvertrages wurde angemahnt.
Den Konflikt zwischen öffentlich-rechtlichen und privat-kommerziellen Medien nahm die Arbeitsgruppe um Horst Röper, Formatt-Institut Dortmund, unter die Lupe. Laut Rundfunkstaatsvertrag gilt der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auch im Internet, zugleich aber sind ihm presseähnliche Angebote verboten. Auch nach dem Urteil zur Tagesschau-App ist nicht geklärt, was presseähnlich ist. Umgekehrt, so Röper, gebe es Verlagsangebote, die rundfunkähnlich seien! Dafür gebe es keinerlei Regulierung. Der Gesetzgeber müsse auch insofern handeln, dass der Blick auf das Internet geschärft bzw. diese Mediensäule in den Rundfunkstaatsverträgen genauer fixiert. Am Beispiel der öffentlich-rechtlichen Tochter Bavaria-Film erläuterte Röper die Konkurrenzsituation zwischen beiden Medienpolen.
„Wer keine Visionen hat, sollte zum Arzt gehen oder in die dju eintreten. Denn wir haben Visionen und vor allem handfeste Ziele wie die geforderte Qualifizierungsoffensive“, beendete dju-Bundesvorsitzender Ulrich Janßen die dreitägige „ergebnisreiche Tagung“.
Links
www.imk.verdi.de/aktuell.php
„Bild und Wulff – ziemlich beste Partner“, Fallstudie über eine einseitig aufgelöste Geschäftsbeziehung
www.otto-brenner-stiftung.de/otto-brenner-stiftung/ aktuelles/bild-und-wulff-ziemlich-beste-partner.html