Auf dem 24. Medienfrauentreffen ARD/ZDF vom 8. bis 11. November in Berlin wurde über den Krieg in Afghanistan, Gender Mainstreaming und Empowerment diskutiert
Bereits 1989 waren die Medienfrauen aus den öffentlich-rechtlichen Rundfunksystemen ARD und ZDF zu ihrem traditionellen Herbsttreffen nach Berlin gekommen, gerade rechtzeitig, um beim Fall der Mauer dabei zu sein. Diesmal ging es weniger historisch zu. Die Auswirkungen der damaligen Ereignisse haben auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geprägt. Das Motto „Aus allen Richtungen“, stand nicht nur für die unterschiedlichen Rundfunk-Bereiche, in denen die Teilnehmerinnen arbeiten oder für die Themenvielfalt der Workshops und Podiumsrunden, sondern insbesondere für die verschiedenen Bundesländer und Sender, aus denen die – diesmal über 370 – Medienfrauen angereist waren.
Heute gehören auch Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Brandenburg mit ihren Sendern MDR und ORB dazu. Die Leipziger Kolleginnen wiesen nicht ohne Stolz darauf hin, dass von acht Direktorenposten heute fünf mit Frauen besetzt sind (und so vielleicht ein bisschen DDR-Realität erhalten geblieben ist). Und die Frauen vom ORB hoffen, dass sie ihre anerkannten Frauenmagazine âPique Dame‘, seit 1993 auf Antenne Brandenburg, und âUngeschminkt‘, bereits zu Wendezeiten kreiert, in die geplante Fusion mit dem SFB hinüberretten können.
Berichte aus den Sendern: Ein Schritt vor, zwei zurück?
Insgesamt brachten die bei jedem Treffen am Anfang stehenden âBerichte aus den Sendern‘ leider häufig allzu Bekanntes. Hier und da Fortschritte in der Frauengleichstellung und beim mühsamen Weg in Richtung Führungspositionen, oft jedoch auch Rücknahme von Erreichtem. Die Forderung von SFB-Intendant Schättle (neben DeutschlandRadio Berlin Gastgeber des Treffens), die Beseitigung des Ungleichgewichts in wichtigen Rundfunkpositionen zu Lasten der Frauen als „nachhaltige Aufgabe“ zu begreifen, scheint noch keineswegs allgemeines Gedankengut in den Sendern zu sein. Die Gleichstellungsbeauftragte beim DLR in Köln trat aus Protest zurück, weil die dortige Dienstvereinbarung zur Frauengleichstellung „keine effektive Arbeit“ ermöglichte. Bei Radio Bremen, das sich durch die Abschaffung des Finanzausgleichs in seiner größten, die Existenz gefährdenden Krise befindet, wurde gerade die einzige Frau im außertariflichen Bereich von einem Mann abgelöst. Und ob es beim ZDF erstmals eine Intendantin geben wird, ist wohl noch mehr als ungewiss. Beim künftigen fusionierten ORB/ SFB sollen deshalb, so das einstimmige Votum des Treffens, die Weichen in Richtung Geschlechtergerechtigkeit gestellt werden. In die Aufsichtsgremien sollen, wie es das Berliner Landesgleichstellungsgesetz vorsieht, Frauen und Männer paritätisch oder im Wechsel entsandt werden. Dass Kann- und Soll-Bestimmungen nichts bringen, hat u.a. die Fusion von SWR und SDR bewiesen.
„Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg“.
Unter diesem Motto haben die Medienfrauen nahezu einstimmig die Bundesregierung aufgefordert, „sich unverzüglich für die Beendigung der Angriffe auf Afghanistan einzusetzen“ und beim Friedens-prozess sowie bei der Bildung einer neuen Regierung auf die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen hinzuwirken. „Das Selbstbestimmungsrecht der Frauen hat – nicht nur in Afghanistan! – zur grundsätzlichen Leitmaxime der Weltpolitik zu werden“. Die Bundesregierung soll sich deshalb, wo immer dies möglich ist, für die Ächtung jeglicher Gewalt gegen Frauen, auch durch die Schaffung des vollen Asylrechts bei geschlechtsspezifischer Verfolgung, einsetzen.
Im Gegensatz zur US-Regierung und der ihr so uneingeschränkt solidarisch folgenden Bundesregierung haben sich die Medienfrauen nicht erst seit dem 11. September mit der Situation in Afghanistan befasst. Bereits 1997 und 1998 haben sie in Resolutionen an die Außenminister Kinkel und Fischer auf die „Verletzung der Menschenrechte vor allem von Frauen und Mädchen“ hingewiesen und sie dazu aufgefordert, „alle Möglichkeiten Ihres Amtes auszuschöpfen, um die Unterdrückung und Not in Afghanistan zu beenden“. Auch rundfunkpolitisch wurde reagiert. Die „Saure Gurke“ für frauenfeindliches Fernsehen ging 1998 an einen „Weltspiegel“-Beitrag über Afghanistan, der es verstand, auf die Lage der Frauen mit keinem Wort einzugehen.
Nicht auf den Spuren der Männer – Themenvielfalt in den Workshops
Die Resolution gegen den Krieg war Ergebnis eines der zahlreichen Workshops, und Ausdruck der thematischen Vielfalt der Veranstaltungen.
So gab es eine Diskussion mit dem interparlamentarischen Frauennetzwerk des Bundestages, geleitet von Bundestagsvizepräsidentin Petra Bläss (PDS), eine Arbeitsgruppe „Frauen in der rechten Szene“ und eine Diskussionsrunde mit SFB-Rundfunkrätinnen, moderiert von der SFB-Personalratsvorsitzenden Hanne Daum sowie einen Workshop mit Kommunikationswissenschaftlerin Susanne Keil, der „Strategien für mehr Einfluss von Frauen in den Rundfunkanstalten“, erarbeitete und über das Treffen hinaus elektronisch weitergeführt wird. Einige mehrtägige Veranstaltungen zielten darauf ab, vor allem jüngeren Medienfrauen know-how und Empowerment für das tägliche Leben im Sender und darüber hinaus zu vermitteln. Dabei ging es um „Frauen und Macht“, „Stressmanagement“, „Bewerben mit Erfolg“, „Grundlagen des Verhandelns“ oder „Coaching“ bis hin zur „Webseitengestaltung“. Ein Workshop über Drehbuch-Schreiben vom letzen Treffen in Köln wurde fortgesetzt. Das Thema dieses Jahr: „Starke Frauen im Film“.
„Gender Mainstreaming“, war ein weiteres Thema. Das internationale Konzept zur Erreichung von Geschlechtergerechtigkeit in Unternehmen und Institutionen, umgesetzt als Top-down Prinzip, soll alle Prozesse und Entscheidungen vor deren Implementierung auf Auswirkungen auf beide Geschlechter überprüfen. Es galt außerdem, die Frage zu beantworten, wie „moderner Feminismus“ an „was Frauen heute wollen“ herangeht. Die „Polit-Journalistinnen“ Petra Lidschreiber, Tissy Bruns und Carmen Thomas, steuerten eine erhellende Diskussion bei, in der sie klar machten, dass frau keineswegs „auf den Spuren der Männer“ wandeln muss, um Karriere zu machen.
Männer sind die Retter: Die „Saure Gurke“ ging mal wieder an das ZDF
Und natürlich gab es – wie jedes Jahr – die „Saure Gurke“. Diesmal ärgerten sich die Medienfrauen über ein ZDF-Fernsehspiel, „Paulas Schuld“, das alleinerziehende Mütter denunziert und, so die Jury, „zeigt, wie Frauen wirklich sind: Inkompetent, neurotisch, süchtig“. Sie sind „Versagerinnen“, ihre Opfer: die Kinder, „Retter: die Männer“. Sie sind es, die dafür sorgen, dass zum Schluss „alles gut wird“ und die Familie wieder in Ordnung ist.
Am Samstag Abend trat Maren Kroymann auf. „Gebrauchte Lieder“ sang sie, begleitet von ihrer 4-köpfigen Männer-Band. Nach den vielen Veranstaltungen und Diskussionen ein großes und entspannendes Vergnügen. Medienfrau einmal anders. Letzte Gelegenheit für die ORB-Frauen: Das 25. Treffen findet in Potsdam statt.