Journalistische Berichterstattung war beim Rechtsrock-Event „Eichsfeldtag“ im nordthüringischen Leinefelde unerwünscht. Das machten die Neonazis unmissverständlich klar. Die Polizei degradierte sich zum Handlanger der Rechten und sorgte dafür, dass journalistisches Arbeiten unmöglich wurde. Sie ging aktiv gegen Journalist_innen vor, unterstellte provozierendes Verhalten und verteilte mit fadenscheinigen Begründungen Platzverweise. Die dju in ver.di fordert die Thüringische Landesregierung und insbesondere Innenminister Holger Poppenhäger (SPD) auf, die grundgesetzlich verankerte Pressefreiheit auch im Freistaat Thüringen durch entsprechendes staatliches Handeln durchzusetzen.
Zum sechsten Mal veranstaltete die NPD Eichsfeld um den mehrfach vorbestraften Neonazi Thorsten Heise auf einem Sportplatz im Süden von Leinefelde am 28. Mai dieses Treffen. Um den Einblick aufs Gelände zu verhindern, hatten die Neonazis den Zaun ringsherum mit Plakaten verhüllt. Alle Journalist_innen zeigten der Polizei ihre Presseausweise, um ihrer Arbeit nachgehen zu können. Nach der Eröffnung durfte jedoch nur ein MDR-Team in Begleitung des stellvertretenden Vorsitzenden der NPD Eichsfeld, Matthias Fiedler, auf das Veranstaltungsgelände. Drei weiteren Journalisten wurde der Zutritt erst später gewährt, nicht ohne ihnen eine bestimmten Platz zuzuweisen. Kurz darauf machte Heise auf die Anwesenheit der Journalisten von der Bühne aus aufmerksam, benannte die Kollegen beim Namen und verhöhnte sie. „Zirka 15 Personen bauten sich um uns herum auf, zum Teil in einem Abstand von 10 Zentimetern, hielten die Hände vor die Kameras und spannten direkt vor uns Regenschirme auf, so dass fotografieren unmöglich war“, berichtete Kai Budler. Der daraufhin angesprochene Polizist, den Neonazis zu sagen, dass sie Abstand halten sollen, antwortete, dass diese sich aufhalten können, wo sie wollen. Sie müssten lediglich einen „Intimabstand“ einhalten. Inzwischen hatte der rechte Liedermacher Frank Rennicke die Bühne betreten, beschimpfte und beleidigte die Journalist_innen unter anderem als „Minusmenschen“. Aussichtslos, sinnvolle Bilder machen zu können: Die Kollegen verließen den Platz – unter lautem Gegröle der Massen.
Die Berichterstatter_innen zogen sich auf einen Erdhügel zurück, um wenigstens von dort arbeiten zu können. Aber auch hier behelligte sie die Polizei. „Sie provozieren und das, was sie hier machen, hat mit journalistischer Arbeit nichts zu tun“, erklärte Pressesprecher Thomas Soszynski (Landespolizeiinspektion Nordhausen). Außerdem habe man mit den Journalistenverbänden die Vereinbarung getroffen, die Journalisten dem jeweiligen Verband zu melden. Und wenn sie nicht sofort ihre Kamera einpacken, würden sie mit Gewalt räumen, sagte ein Polizist. Das Ganze mündete in einem Platzverweis für vier Kolleg_innen, unter ihnen die bekannte Journalistin Andrea Röpke. Eine geforderte schriftliche Begründung wurde verweigert.
„Seit Jahren wird es immer schwieriger über dieses Nazi-Fest zu berichten“, erzählt Andrea Röpke. Aber die Platzverweise aus „absolut verlogenen, fadenscheinigen Gründen“ hätten nochmal eins drauf gesetzt. Auch ihr wurde vom Pressesprecher der Landespolizei vorgeworfen, sie würde nicht journalistisch arbeiten. Und die Veranstalter fühlten sich durch sie gestört.
„Die Polizei in Eichsfeld hat zum wiederholten Mal massiv in die Pressefreiheit eingegriffen, die Kolleginnen und Kollegen von ihrer Arbeit, der Berichterstattung im öffentlichen Interesse, abgehalten und ihnen Gewalt angedroht. Auch wurde seitens der Einsatzleitung behauptet, in Eichsfeld gelte zu diesem Zeitpunkt das Presserecht nicht. Pressefreiheit und Landespresserecht gelten aber immer und an allen Orten“, machte die Bundesgeschäftsführerin der dju in ver.di, Cornelia Haß, in einer Pressemitteilung deutlich. Es gebe außerdem keine Absprachen mit Innenministerien, von diesem Grundsatz abzuweichen. „Wir erwarten eine entsprechende Klarstellung und vor allem die Akzeptanz der rechtlichen Grundlagen für die journalistische Arbeit unserer Kolleginnen und Kollegen“, forderte Haß. Bereits vor zwei Jahren hätte die Polizei in Eichsfeld rechtswidrig persönliche Daten von Medienvertretern erhoben und erst zugesagt, diese zu löschen, nachdem der Vorgang öffentlich bekannt geworden war. Das noch restriktivere Vorgehen der Polizei in diesem Jahr sei „eine inakzeptable Entwicklung, die öffentlich und spürbar korrigiert werden muss“, sagte Haß.