2. Triennale der Photographie in Hamburg größer und bunter als im vorigen Jahr
Von April bis September 2002 ist Hamburg Schauplatz einer gigantischen Bilderschau. Die 2. Triennale der Photographie ist noch größer und bunter ausgefallen als die erste Triennale 1999. Neben den zehn größten Museen der Stadt beteiligen sich 50 Galerien mit Ausstellungen zeitgenössischer und historischer Fotokunst. Zahlreiche Veranstaltungen, Vorträge, Workshops und Symposien runden das umfangreiche Programm ab.
Einen Überblick über die Geschichte der Fotoreportage liefert „Kiosk“ (bis 11. August im Altonaer Museum). Die Ausstellung mit Exponaten aus der Sammlung des Fotografen Robert Lebeck zeigt Originalausgaben von Illustrierten wie „Life“, „Vu“ und „Stern“ und liefert damit einen Überblick über 150 Jahre Zeitgeschehen. Wie sich die Bildsprache des Fotojournalismus im Laufe der Jahrzehnte verändert hat, wird deutlich im Vergleich mit der „World Press Photo Exhibition“, die bis 22. Mai im Pressehaus von Gruner + Jahr zu sehen ist und anschließend in vielen Ländern der Erde gezeigt wird.
Einem speziellen Ausschnitt der Realität widmet sich „Mythos St. Pauli“ (bis 25. August im Museum für Kunst und Gewerbe). Neben Fotos von fünfzehn zeitgenössischen Fotografinnen und Fotografen, die einen teils schrillen, teils nüchtern dokumentarischen Blick auf den legendären Stadtteil werfen, sind Aufnahmen aus früheren Jahrzehnten zu sehen, die zeigen, wie sich der Stadtteil und seine Betrachtungsweisen verändert haben.
Berühmte Augen
„Archeology of Elegance“ (bis 8. September in den Deichtorhallen) zeigt einen Ausschnitt aus 20 Jahren Modefotografie. „Das zweite Gesicht“ von Walter Schels (bis 30. Juni in der Freien Akademie der Künste), der erstmals in Hamburg mit einer Einzelausstellung gewürdigt wird, erschüttert mit seinen ungewöhnlichen Portraitstudien von Menschen und Tieren gewohnte Perspektiven. Tief in die Augen schauen lassen sich Prominente von Daniel und Geo Fuchs für die Ausstellung „Famous Eyes“ (bis 9. Juni im Kunsthaus). Mit einer für Augenärzte entwickelten Kamera fertigten sie zunächst Großaufnahmen „berühmter Augen“ an, die sie in einem zweiten Schritt zu einem Gesamtportrait der jeweiligen Personen montierten. Jürgen Klauke stellt mit seinen inszenierten Bildern und Sequenzen in „Absolute Windstille“ (bis 4. August in der Hamburger Kunsthalle) den eigenen Körper in den Mittelpunkt seiner Arbeit.
Die Arbeit am Ich ist auch das Thema von Andreas Herzau, dessen Bilder unter dem Titel „Me, Myself + I“ bis zum 11. August im Museum der Arbeit zu sehen sind. Die Fotos erzählen von der Selbstinszenierung der Menschen in Diskotheken, Clubs, bei Techno-Veranstaltungen, auf politischen Demonstrationen oder am Christopher Street Day.
Im scharfen Kontrast zur subjektiven Autorenfotografie steht die Ausstellung „Indianer 1858 – 1928 Photographische Reisen von Alaska bis Feuerland“ (bis 15. Juni im Völkerkundemuseum). Sie zeigt ethnologisch dokumentarische Ausschnitte über die Kultur der amerikanischen Ureinwohner. Die Fotos, die von Forschern, Reisenden und professionellen Fotografen stammen, gehören zu den frühesten fotografischen Dokumenten über den amerikanischen Kontinent.
Nimmt man noch die japanischen Plakate aus „Fotodesign im Großformat“ (bis 12. Mai im Museum für Kunst und Gewerbe) hinzu, wird deutlich, wie weit der thematische Bogen der Triennale gespannt ist.
Ziel der Ausstellung, die unter das Motto „reality-check“ gestellt wurde sei es, so Projekt-Geschäftsführerin Dr. Henriette Väth-Hinz, „die Wahrnehmungs- und Wirkungsmöglichkeiten der Fotografie im Zeitalter der neuen Medien zu überprüfen. Die Ausstellungen und Veranstaltungen sollen die Besucher dazu anregen, den ständigen Wandel in der Darstellung und Wahrnehmung von Fotografie zu reflektieren. Sie werden sowohl Fotografen als auch Rezipienten die Möglichkeit geben, die Wirklichkeiten der Bilder mit der Realität vergleichend zu konfrontieren und hinterfragen“.
Verwischte Grenzen
Eine solche Betrachtung zeigt vor allem eins: Die Grenzen zwischen Kunst, Mode, Reportage, Werbung und Dokumentation verwischen immer mehr. Anzeigenmotive mit echten oder scheinbar dokumentarischen Schnappschüssen in Schwarz-Weiß oder Modefotos in Kunstgalerien, beziehungsweise Kunst, die Modetrends setzt, haben unsere Sehgewohnheiten nachhaltig verändert.
So zeigen die Fotos der Triennale mehr über den Zustand der Gesellschaft, damit auch über den Betrachter, als über die Fotografinnen und Fotografen. In einem Interview des „Hamburger Abendblattes“ verweist der Initiator der Triennale, F.C. Gundlach, darauf, dass Ereignisse wie die Katastrophe des 11. September 2001 die Irritation des Auges zusätzlich verstärken. Das über mediale Bilder weltweit rezipierte Ereignis habe wie eine Fiktion gewirkt, obwohl es Wirklichkeit war. „Angesichts dieser Wahrnehmung stellt sich die Frage nach der Wahrheit des Bildes und danach, was ein Bild heute überhaupt noch leisten kann“.