#rpRemote: re:publica im digitalen Exil

YouTuber Rezo spricht mit re:publica-Mitgründer und netzpolitik.org-Chefredakteur Markus Beckedahl über sein Video "Die Zerstörung der CDU".
Screenshot re-publica.tv

Klicken statt laufen, auf die Toilette gehen ohne anzustehen, Kaltgetränk auf Zoom statt tanzen in der Station: auf der re:publica war dieses Jahr alles anders – aber doch irgendwie schön, so das Twitter-Feedback der Community. Die legendäre Digitalkonferenz zog corona-bedingt erstmals ins Netz. Übertragen wurde das Event auf der eigens geschaffenen Plattform re-publica.tv, YouTube und Facebook.

Es klingt zugegeben ein wenig paradox. Eine Netzkonferenz im Netz? So what! Doch für die Organisator*innen wie wohl für viele langjährige Besucher*innen war es ein Schock, als Mitte März feststand, dass die re:publica 2020 wegen der Corona-Pandemie nicht wie gewohnt im Mai in der Station Berlin am Berliner U-Bahnhof Gleisdreieck würde stattfinden können. Denn wer Europas größte Digitalkonferenz kennt, weiß, dass es hier weniger um die – natürlich auch wichtigen (zwinker, zwinker) – Inhalte der hunderten von Programm-Sessions geht als vielmehr um das große Wiedersehen, oft auch erstmalige Real-Life-Treffen mit Leuten, die man sonst nur von ihrem Profilbild auf Twitter oder Instagram kennt. Oder mit den Worten von re:publica-Geschäftsführer Andreas Gebhard auf der gestrigen Opening Session: „Wir hängen alle so viel im Digitalen ab. Und dann ist es umso schöner, sich auch zu treffen.“

Also zogen die re:publica-Macher*innen mitsamt ihrer Konferenz ins „digitale Exil“ und versuchten, wenigstens ein bisschen vom re:publicanischen Klassenfahrt-Feeling ins Netz zu holen. Innerhalb von 36 Tagen stellten sie eine remote-re:publica auf die Beine, kondensierten das Programm ohne das gewohnte thematische Spektrum aus dem Blick zu verlieren. Herausgekommen sind 53 statt wie sonst mehr als 500 Programm-Sessions, 89 statt mehr als 1000 Speaker*innen, und insgesamt rund 40 Stunden Programm auf vier verschiedenen Kanälen – komplett kostenlos. Das Ganze an einem Tag statt drei Tagen, mit vielleicht ein bisschen weniger Prominenz, dafür ein bisschen mehr Übersichtlichkeit.

Immerhin: es kamen Außenminister Heiko Maas, der „Godfather of Internet“ Vint Cerf oder YouTuber Rezo, von dem wir etwa erfuhren, dass er sich nicht als Blogger, aber als Künstler sehe, und sein berühmtes CDU-Zerstörungsvideo keinen Einschnitt in seinem Leben dargestellt habe, außer, dass er mittlerweile eine Assistentin habe. Die Sessions waren teils live, teils aufgezeichnet. Thematisch ging es – natürlich – um Corona und dessen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft, aber auch die Klimakrise und die Arbeit der Zukunft. Talks und Vorträge wechselten sich mit Workshop-Formaten ab, in denen etwa Startup-Gründerin Juliana Danner erklärte, wie man mit seinem Business gestärkt aus der Krise hervorgehen kann. Am Abend dann: Bernhard Pörksen über das Virus, den blauen Planeten und das Netz statt Sascha Lobo über die Lage der Nation.

Statt wie gewöhnlich zwischen den einzelnen Locations der Sessions hin- und herzuhasten, reichte diesmal ein Klick, um auf den nächsten Kanal zu gelangen. Zu jedem der vier Kanäle, von denen einer von der langjährigen re:publica-Schwesterveranstaltung Media Convention Berlin (MCB) bespielt wurde, gab es zudem einen sogenannten Deep Dive, einen virtuellen Diskussionsraum auf Zoom, in dem man mit den Speaker*innen oder auch der Community über die Inhalte ins Gespräch kommen konnte. Raum für die Community gab es auch auf dem ebenfalls auf Zoom installierten digitalen re:publica-Hof, der zumindest ansatzweise den großen Innenhof der Station Berlin, das Herz der Konferenz, ersetzen sollte. Wer wollte, konnte sich hier bei einem echten Kaltgetränk mit anderen Teilnehmer*innen austauschen oder an verschiedenen Mitmach-Aktionen wie etwa einem digitalen Bierpong beteiligen.

Trotz aller Widrigkeiten – zum Beispiel der Überlastung der re:publica-Website ob des großen Ansturms von über 100.000 Aufrufen oder so mancher Hakeligkeit bei der Übertragung von Ton und Bild: glaubt man dem Feedback der Community auf Twitter, so war diese re:publica zwar ziemlich anders, aber doch auch schön. Gewissen Ermüdungserscheinungen beim digitalen Inhalte-Konsum stand die überwiegende Mehrheit derjenigen gegenüber, für die diese #rpRemote doch vor allem eines war: ein bisschen Normalität in diesen absurden Zeiten.

Wann die re:publica in die Station Berlin zurückkehrt, steht übrigens noch nicht fest. War anfangs noch ein Termin im August im Gespräch, beschränkte sich Alexander Gebhard gestern auf die Versicherung, man sei mit dem Berliner Senat im Gespräch und hoffe auf ein Wiedersehen so bald wie möglich – as soon as possible, das „prophetische“ Motto der diesjährigen re:publica.

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