Geschlechterdemokratie in der Mediengesellschaft –
Forum zum 50. Jahrestag des Deutschen Frauenrates
Männer werden als Experten wahrgenommen, Frauen über Verhalten und Äußeres. Nicht immer, aber immer noch. Wie ein roter Faden zieht sich die Präsenz von Frauen in den Medien durch die Geschichte der Gleichstellung. Was lag näher, den 50. Geburtstag des als „Informationsdienst für Frauenfragen“ gestarteten, heute 57 Verbände und 11 Mio Frauen repräsentierenden Deutschen Frauenrates unter das Thema „Geschlechterdemokratie in der Mediengesellschaft“ zu stellen.
Prominente (weibliche) Persönlichkeiten hatten Mitte April auf offener Bühne in der Berliner Friedrich Ebert Stiftung Substanzielles zum „Schema F“ zu sagen – ohne von (männlichen) Selbstdarstellern unterbrochen zu werden.
Öffentliche Bilder entfalten eine große Macht. Und dabei macht bedenklich, wie hartnäckig sich Klischees halten. Berichterstattung aus dem Bundestag – merkte Bundesministerin Christine Bergmann in ihrer Begrüßung an – sei oft mit subtilen, auf Politikerinnen zielenden Schlenkern gewürzt. Sie empfindet es als speziell deutsches Armutszeugnis, dass bei allen Fortschritten Frauen noch gern und bequem auf traditionelle Rollen festgelegt werden. So werde die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ausschließlich an Frauen festgemacht. Aber Elternzeit mit bereits veränderten Rahmenbedingungen gelte schon in der Wortwahl ausdrücklich für beide Geschlechter. „Wichtig ist, dass Frauen in den Medien nicht nur am Rande wahrgenommen werden, sondern in den vielfältigen Realitäten ihres Lebens.“ Dazu müssten mehr Frauen in Führungsgremien. Obwohl sie 41,5 % der in Medien Beschäftigten stellen, sind harte Männerbastionen, die über Senderinhalte und – strukturen entscheiden, nicht erobert. „Zwischen Gleichstellung, Öffentlichkeit und Demokratie besteht ein enger Zusammenhang“, sagte die Ministerin mit Bezug auf die vom Frauenrat herausgegebene Jubiläumsbroschüre “ Die unfertige Demokratie“.
Symbolik besiegt Inhalt
Mit dem Rückzug der Medien aus der Politik setzte sich Bettina Gaus, politische Korrespondentin der taz, auseinander. Sie veröffentlichte 2000 das Buch „Die scheinheilige Republik – das Ende der demokratischen Streitkultur“. Zunehmend werde vordergründige Symbolik mit realer Politik verwechselt und Politik personalisiert. Sachfragen seien in den Hintergrund getreten. „Entscheidend ist, wer sich in Talkshows am besten präsentiert.“ Auch die Zeitungen hätten die Demonstrationsmacht über das, was berichtet wird, an die Politik abgegeben. Es mangele an medialer Konfliktbereitschaft. Der aufgebauschte Streit um gefärbte Kanzlerhaare zeuge dagegen von Verachtung der demokratischen Öffentlichkeit. „Die Medien haben ein gerüttelt Maß an Verantwortung, dass Politik als undurchschaubar und langweilig empfunden wird.“
Eigene Profile aufbauen
Viola Roggenkamp, langjährige „Zeit“- und „Emma“-Autorin, sprach in ihrem Vortrag „Zwischen Frauenzimmer und Herrenhaus. Öffentlichkeit und Geschlecht“ über die Lustlosigkeit auch weiblicher Autoren, Mädchen in den Mittelpunkt zu stellen. „Warum ist Harry Potter keine Henriette Potter?“ Zu Mädchen falle ihnen nichts ein, hätten Autorinnen offenbart. „Aber“, so Roggenkamp, „die Welt ist voll von spannenden Geschichten aus „Frauenräumen „, die nicht erzählt werden. Es genügt, dass Frauen Selbstliebe entfalten, sich selbst wichtig sind“. Sie sollten keine Abwertung von Frauen durch Frauen zulassen. Männern gelinge in verblüffender Weise die Idealisierung anderer Männer – ob Winnetou, Fußballer, Papst oder Weihnachtsmann. „Männer“, so eine mit Gender-Analysen beschäftigte Diskutantin aus dem 300köpfigen Publikum, „leiden an Höherwertigkeitskomplexen, Frauen an Minderwertigkeitskomplexen. Aber: Wir sind die Norm“.
„Die Frisur der Angela M. oder wie Medien und Politikerinnen miteinander umgehen“ – die Auseinandersetzung der Podiumsdiskussion fiel auch selbstkritisch aus. Hätten Journalistinnen und Politikerinnen nachdrücklicher die Kandidatur von Angela Merkel zur Kanzlerkandidatin unterstützen und einen Paradigmenwechsel herbeiführen sollen? Müsse nicht ein Netzwerk aufgebaut werden, in dem Journalistinnen und profilierte Fachfrauen einander empfehlen, um männerdominierte Expertenrunden aufzuweichen? Sie ertappe sich dabei, gab Moderatorin und ORB-Journalistin Carla Kniestedt zu, dass sie Frauen kritischer bewerte als Männer. Auch Christa Thoben, derzeit stellv. Landesvorsitzende der CDU Nordrhein-Westfalen, findet, dass Journalistinnen Frauen strenger befragen als Männer. Zu viel läppische Fragen gäben dagegen Politikern oft die Chance, mit dem Publikum zu spielen. Ja, sie stelle an Frauen höhere Ansprüche, meinte Sonja Mikich, Leiterin der Redaktion Monitor des WDR, weil sie das Gefühl habe, heiße Luft der Politiker hinwegspülen zu müssen. „Der Stolz auf die Leistung von Frauen ist größer.“
Strenge gehört für Tissy Bruns, Vorsitzende der Bundespressekonferenz und Chefin des Parlamentsbüros der „Welt“, zum Hineinwachsen von Frauen in den öffentlichen Raum. Der bringe andere Verletzungen als der private mit sich. Männer hätten die Gewöhnung an den harten Wind voraus. Sie verfolgten problemlos die Doppelstrategie von Seilschaften und gleichzeitiger Konkurrenz untereinander.
Unarten nicht aneignen
„Meinetwegen hart, aber mindestens fair behandelt zu werden“, wünschte sich Claudia Roth, Bundesvorsitzende Bündnis90 / Die Grünen. Ihr lege man Gefühlsregungen anders aus als ihren männlichen Politikkollegen, sie müsse, wie gerade eine taz-Kolumne zeige, weit unterhalb der Gürtellinie einstecken.
Anders bewertet sehen sich auch Moderatorinnen. Kommunikationswissenschaftlerin Jutta Röser weiß, es ist derzeitig unmöglich, dass Frauen so böse sein dürften wie Friedmann oder so witzig herumspielend wie Jauch. „Beides wird ihnen nicht erlaubt.“ „Mach es nett, Du bist doch eine Frau“, hat Moderatorin Kniestedt zur Genüge gehört. „Warum“, gab Cornelie Sonntag-Wolgast, Journalistin und jetzt Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister des Innern, auf den Weg, „sollten wir uns Praktiken aneignen, die wir an Männern kritisieren? Entwickeln wir unser eigenes Spiel. Auf die Dauer werden wir uns damit durchsetzen.“