Journalisten helfen Journalisten e. V. setzt sich für in Not geratene, an ihrer Arbeit gehinderte, misshandelte Kolleg*innen und die Hinterbliebenen getöteter Journalist*innen ein. Der gemeinnützige Verein wurde 1993 von Christiane Schlötzer-Scotland gegründet, deren Ehemann Egon Scotland während seiner Recherchen für die „Süddeutsche Zeitung“ im damaligen kroatischen Krisengebiet von einem Heckenschützen am 26. Juli 1991 ermordet wurde. M sprach mit dem Geschäftsführer des Vereins Carl Wilhelm Macke.
M | Sie waren die ersten in Deutschland, die sich für in Not geratene Journalist*innen eingesetzt haben. Was unterscheidet Journalisten helfen Journalisten e. V. (JhJ) von anderen Organisationen?
Carl Wilhelm Macke | Das stimmt. Die deutsche Sektion von Reporter ohne Grenzen ist auch erst nach dem Tod von Egon Scotland gegründet. Die Gründung von JhJ war sehr persönlich motiviert und der Erinnerung an den Kollegen verpflichtet. ROG ist heute viel größer und weltweit organisiert. Wir sind kleiner und weniger bürokratisch und können auf diese Weise schnell und unkompliziert helfen. Das war auch von Anfang an die Idee. Wenn wir von einem Notfall hören, können wir bis heute schnell helfen und zum Beispiel Equipment ersetzen. Wir sind ein kleines Netzwerk, aber das auch schon sehr lange. Die Hilfe, wird bei uns sehr persönlich geleistet. Es ist beinahe familiär
Hätten sie damit gerechnet, dass ihre Arbeit auch heute noch von Nöten sein würde?
Nein, überhaupt nicht. Das Projekt ist ja spontan aus der Trauer heraus entstanden. Aber es war ursprünglich so angelegt, dass es in zwei oder drei Jahren beendet werden sollte. Aber es hat sich dann leider stabilisiert, weil die Notfälle und die Bedrohung von Journalistinnen und Journalisten nicht weniger geworden sind. Im Gegenteil es sind mehr und sie sind aggressiver geworden. Daher gibt es nach wie vor den Verein und es muss ihn auch geben.
Wo genau helfen sie?
Wir haben unseren Schwerpunkt im Ausland. Vor allem in Ländern in denen besonders große Not herrscht. Wir haben aber auch ein besonderes Interesse daran Länder zu betrachten, die nicht so sehr im Mittelpunkt der Öffentlichkeit stehen. Wobei es in den vergangenen Jahren auch viele Fälle von geflüchteten Journalist*innen gibt. Denen helfen wir dann auch in Deutschland.
Selbst ohne Kriegssituationen gibt es ja auch in Europa immer mehr Angriffe auf Journalist*innen. Hat das dazu beigetragen, das Thema öffentlich präsenter zu machen?
Das ist schwer zu sagen. Bei den Journalistinnen und Journalisten und in ihren Netzwerken ist das natürlich sehr präsent und dramatischer geworden. Auch die Hilfsanfragen sind mehr geworden. Es gibt aber auch ermutigend viele Gruppen und Netzwerke, die sich konkret und politisch damit beschäftigen.
Was hat sich verändert an der Bedrohungslage?
Es gibt weniger Fälle von Angriffen in expliziten Krisenregionen, wo wirklich geschossen wird und wo Fronten existieren. Die Mehrzahl der betroffenen Journalist*innen sind in anderen Regionen zu finden, zum Beispiel in Mittelamerika, wo es ja keinen direkten Krieg gibt. Aber wenn Kolleg*innen dort über Drogenkartelle und organisierte Kriminalität recherchieren, ist das eine höchst gefährliche Arbeit. Die Bedrohung in Europa etwa bei populistischen Demonstrationen hat auch in Deutschland zugenommen. Verbale und physische Gewalt gegen Kolleg*innen sind deutlich mehr geworden.
Zurzeit helfen sie unter anderem Journalistinnen in Belarus. Wie kam es dazu?
Der Kontakt kam über ein Mitglied unseres Vereins zu Stande, der dort eine Reportage gemacht hat. Über seine Stringerin haben wir zahlreiche Kolleginnen kennengelernt, die zum Teil inhaftiert sind oder waren. Meistens helfen wir dort, in dem wir Ausrüstung ersetzen. Man sieht ja mit welcher Gewalt Polizisten gerade gegen Fotoreporter vorgehen. Da wird dann gezielt sehr teures Equipment zerstört, ohne das die Kolleginnen ja nicht weiter arbeiten können. Wir haben in Belarus zurzeit tatsächlich auch nur mit Fotografinnen zu tun.
Gibt es Fälle, die sie besonders berührt haben?
Da ist eine Kollegin aus Kenia, mit der ich noch immer viel Kontakt habe. Sie wurde während ihrer Arbeit angegriffen und vergewaltigt. Wir haben ärztliche und psychologische Hilfe organisiert und sie konnte sich erholen. Sie ist nach wie vor eine aktive Journalistin in Mombasa. Neben dieser Arbeit bereitet sie heute andere Kolleginnen auf Gefahren des Berufs vor und gibt Trainings für Frauen.
Was wünschen sie sich für die Zukunft des Vereins?
Ich würde mir gerade von jüngeren Kolleg*innen ein bisschen mehr Interesse wünschen. Im Verein sind mittlerweile alle schon länger dabei. Wir würden uns sehr freuen, wenn es junge Journalistinnen und Journalisten gibt, die Lust haben mitzumachen. Denn diejenigen, denen wir helfen, das sind junge Menschen. Wir hingegen sind schon älter, viele von uns bereits in Rente.
Was sollten künftige Mitglieder denn mitbringen?
Es wäre gut, wenn sie mit uns weiter Netzwerke bilden können und Journalist*innen miteinander verbinden, untereinander informieren und sich als Teil dieser Gruppe fühlen. Das hält so einen Verein ja zusammen. Und am Ende funktioniert das Motto: „Journalisten helfen Journalisten“ wirklich in beide Richtungen. Es ist keine einseitige Hilfe. Denn auch wir lernen hier eine Menge von den Kolleg*innen.