Was Freie gegen miese Honorare tun können

Pressecenter
Foto: Hermann Haubrich

Dass freie Journalist*innen – vor allem jene, die schreiben – oft unterirdisch schlecht bezahlt werden, ist eine Tatsache, über die man in der Medienbranche nicht gerne spricht. Was aber ist überhaupt ein faires Honorar? Vergütungsregeln gibt es zwar, doch die sind nicht auf dem aktuellen Stand – und werden dennoch häufig unterschritten. Für dieses Jahr kündigt die dju in ver.di neue Verhandlungen mit den Zeitungsverlegern an. Publizistin Silke Burmester rät zu einer anderen Haltung im Job.

Die freie Journalistin Laura Ewert hat etwas getan, das viele nicht tun: Sie hat öffentlich über ihr Honorar gesprochen. Bei Twitter teilte sie ein Foto der Abrechnung für einen Aufmacher, der im Kulturteil des „Tagesspiegel“ erschienen ist. 110 Euro bekam sie nach eigenen Angaben für einen Text, für den sie eine Ausstellung besucht und ein Interview geführt hatte. Ihr Appell: „Bitte macht Honorare öffentlich. Für Diskussionen. Für Abonnenten. Für Druck auf Verlage.“

Dabei ist es kein Geheimnis, dass eine schlechte Bezahlung für freie Journalist*innen eher die Regel denn die Ausnahme ist. 26.000 Euro betrug das durchschnittliche Brutto-Jahreseinkommen von Freiberuflern im Bereich Journalismus und Fotografie, wie das in Leipzig ansässige Haus der Selbstständigen im vergangenen Jahr in einer groß angelegten Honorarumfrage ermittelt hat.

Welche Honorare Auftraggeber im Journalismus zahlen, lässt sich zum Beispiel nachlesen in den Honorardatenbanken von ver.di und den Freischreibern. Die Daten basieren auf Angaben von Journalist*innen. Laut Freischreiber-Honorrarreport aus dem Jahr 2020 betrug die durchschnittliche Bezahlung von Freien 22,73 Euro brutto pro Stunde. Brutto, das heißt: Davon gehen noch die Steuer und die Kosten für Arbeitsmittel ab, nicht mit eingerechnet sind unbezahlte Arbeitszeit etwa für Akquise und Recherche sowie Krankheits- und Urlaubstage. Mit Blick auf die Honorare im lokalen Tageszeitungsjournalismus regte der Berufsverband an, doch eher von „Taschengeld“ als von „Honorar“ zu sprechen.

Journalismus: Eine elitäre Branche

Warum tun sich freie Journalist*innen das an? Die Branche sei noch immer elitär geprägt, sagt die Publizistin Silke Burmester, die viele Jahre lang als freie Journalistin in Kolumnen etwa für die „Taz“ das deutsche Mediensystem beobachtet und kritisiert hat. Viele Journalist*innen seien schlicht dankbar, dass sie diesen Job überhaupt machen dürfen – und forderten darum zu wenig ein. „Das ist aber keine erwachsene Haltung“, sagt Burmester im Gespräch mit M. „Es geht doch darum, zu sagen: ‚Ich kann das und darum mache ich das.‘“

Dabei kritisiert Burmester auch die Verlage: „Klar, die Verlage jammern“, sagte sie schon 2017 im Deutschlandfunk. „Aber sie jammern ja nicht, weil es ihnen schlecht geht, sondern weil ihre Gewinne geringer geworden sind. Weil ihre Zeiten nicht mehr golden, sondern nur noch silbern sind.“

Danach gefragt, was er für eine faire Bezahlung hält, verweist Matthias von Fintel, Bereichsleiter Medien, Journalismus und Film bei ver.di auf die Vergütungsregeln, die die dju in ver.di und der DJV mit dem Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) ausgehandelt haben. Sie legen Mindesthonorare für Texte in Tageszeitungen fest, gestaffelt nach der Art des Artikels und der Auflage der Zeitung. Ein Beispiel: Für eine Reportage, die in einer Zeitung mit einer Auflage von bis zu 100.000 Exemplaren erscheint, sieht die Vereinbarung ein Zeilengeld von 94 bis 102 Cent vor. Doch die Vergütungsregeln werden von vielen Zeitungen weit unterschritten.

Und das, obwohl sie nicht mal mehr der aktuellen Lohnentwicklung entsprechen – die Regeln sind aus dem Jahr 2010.

„Die Vergütungsregeln müssten aktualisiert werden“, sagt denn auch Matthias von Fintel, ver.di.

Bislang aber wehre sich der Verlegerverband dagegen. Es sei geplant, die Verhandlungen in diesem Jahr wieder aufzunehmen. Von einer einvernehmlichen Lösung geht von Fintel zurzeit nicht aus, vermutlich werde es auf eine Schlichtung hinauslaufen.

Zeit statt Zeile

Dass Freie nach Zeilen bezahlt werden, sehen viele aber ohnehin kritisch. Das Prinzip „Zeit statt Zeile“, vertritt die dju bereits seit 1992, allerdings, wie man einräumt, „mit sehr unterschiedlichem Erfolg“. Auch Silke Burmester sagt: „Beim Zeilengeld wird der Aufwand nicht berechnet.“ Sinnvoller sei es, zu überlegen, wie viel Zeit ein Artikel in Anspruch nimmt. Für einen Aufmacher mit Vor-Ort-Termin und 2-3 weiteren Stimmen sei es realistisch, zwei Tage zu veranschlagen. Bei einem Tagessatz von 250 Euro sei man dann schnell bei 500 Euro für einen Artikel. Realität sei aber auch, dass die meisten Zeitungen derartige Beträge nicht mehr zahlen.

Burmester rät dazu, sich klar zu machen, wo die persönliche Untergrenze liegt – und dann direkt mit den Redakteur*innen das Gespräch zu suchen. Viel finanziellen Spielraum hätten diese meist nicht, doch in der Regel lasse sich immer ein wenig mehr Geld herausholen. Und: „Wenn man ein Honorar unanständig findet, kann man das durchaus sagen.“ Eine freundliche, aber deutliche Ansage werde meist respektiert und könne eine gute Basis für die Zusammenarbeit mit Redaktionen sein. Zur Not müsse man einen Auftrag auch mal ablehnen.

Dafür, wie Freie bei Verhandlungen für bessere Honorare vorgehen können, gibt es konkrete Tipps zum Beispiel von den Freischreibern. Sie raten dazu, Honorarverhandlungen wie das Telefonmarketing eines Call-Centers anzugehen und haben dafür zusammen mit dem Coach Christian Sauer ein Verhandlungsskript entwickelt.

Falls trotz allem die Honorare auf Dauer zu schlecht seien, sollte man sich überlegen, inwiefern man bereit sei, diesen Beruf weiterhin zu machen, sagt Burmester. Sie hat vor ein paar Jahren die Entscheidung getroffen, nicht mehr als schreibende Journalistin zu arbeiten – nicht nur, aber auch wegen der schlechten Bezahlung. „Wenn man zu lange Kompromisse macht, sich zu häufig unter Wert verkauft, dann macht das etwas mit dir. Das ist nicht gut.“

Positives Beispiel aus dem Lokaljournalismus

Vom Aufhören ist beim Gewerkschafter von Fintel nicht die Rede. Er sagt: „Es braucht Freie, das wissen die Verlage auch. Was aber, wenn ein Verlag sich nicht an die vereinbarten Vergütungsregeln hält? Es bleibe immer der Klageweg, sagt von Fintel. Der sei aber meist erst eine Option, wenn Journalist*innen ohnehin nicht mehr für das jeweilige Haus arbeiten wollen. Er empfiehlt Freien, die regelmäßig für eine Zeitung schreiben, sich mit anderen zusammenzuschließen und mit gewerkschaftlicher Unterstützung gemeinsam für höhere Honorare zu kämpfen.

Geklappt hat das zum Beispiel 2018 bei der Eßlinger Zeitung. Acht Jahre hatten die freien Journalist*innen der Lokalzeitung keine Honorarerhöhungen bekommen, nach einer Umstellung des Layouts bekamen sie für ihre Arbeit weniger Geld als zuvor. Die Freien wehrten sich: In der Tarifrunde für Tageszeitungsjournalist*innen traten sie mit den festangestellten Redakteur*innen in einen Solidaritätsstreik. Danach nahmen sie zwei Wochen lang keine Aufträge mehr an. Zudem machten sie die Leser*innen der Zeitung auf ihre Situation aufmerksam und baten um Unterstützung. Auf diese Weise haben sie sich ein höheres Zeilenhonorar (72 statt 62 Cent) und höhere Pauschalen erstritten.

„Wer nun immer noch denkt, Freie könnten sich nicht wehren, ist nicht im Hier und Jetzt angekommen“, schrieb danach die freie Journalistin Gundula Lasch, die Mitglied im dju-Bundesvorstand ist. „Denn der Spruch, man könne jede*n einfach und schnell ersetzen, stimmte noch nie und gilt in Zeiten des Fachkräftemangels erst recht nicht mehr.“

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