„Wenn es eine Gottheit des Rundfunks gäbe, sie wäre weiblichen Geschlechts“

Eine Ausstellung zum Internationalen Frauentag: Frauen im SDR und SWF 1946 bis 1956

Kurz vor der Fusion zum Südwestrundfunk haben sich die Medienfrauen von SDR und SWF zum ersten gemeinsamen Projekt zusammengetan. Ein Signal für die Zukunft mit einem Blick in die Vergangenheit: Die Ausstellung porträtiert 20 Frauen, die nach 1945 für beide Häuser viel geleistet haben.

„Da habt ihr aber ein bißchen dick aufgetragen“ – selbst aufgeklärte Männer reagierten empfindlich auf unser Motto von der weiblichen Rundfunkgottheit. Wir rieben uns die Hände – ein Plakat, das Diskussionen anzettelt, ist ein gutes Plakat. Zumal es ein Mann war, der diesen Spruch in die Welt setzte. Er hieß Arthur Shaffer und war amerikanischer Kontrolloffizier bei Radio Stuttgart. Wir vermuten, er war verliebt, als er das schrieb.

Als wir die „Frauenforschung“ in den Archiven von SDR und SWF begannen, wußten wir nicht, was wir finden würden. Ein paar Namen standen fest: Hertha Sturm, Leiterin des Schul- und Jugendfunks beim SWF. Maria Bergmann, Hauspianistin in Baden-Baden. Cläre Schimmel, Leiterin der Hörspielabteilung beim SDR … Die Suche wurde immer spannender.

Die SWF-Kolleginnen entdeckten Ilse von Senfft, von Beruf Elektrotechnikerin. Ein Zitat von ihr: „Das Handwerk ernährt seinen Mann. Sollte es nicht auch eine Frau ernähren können?“ Als sie 1976 in den Ruhestand ging, war sie noch immer die einzige Senderwartin in Europa. Im Archiv fand sich dann ein Briefwechsel wegen einer zerbrochenen Flasche Wein und durchnäßter Zigaretten, eine Gabe des Hauses, die Ilse von Senfft den Dienst an Heiligabend verschönern sollte. Wein und Zigaretten wurden umgehend vom Arbeitgeber ersetzt.

Irmgard Bofinger, von 1946 an 40 Jahre lang Sekretärin beim SDR, brachte uns ihren „Persilschein“ und ihre Erinnerungen an die Mangelwirtschaft nach dem Krieg. In der Ausstellung wird die Papierknappheit dokumentiert durch ein Hörspielmanuskript, das auf die Rückseite alter Formulare des Reichssenders Stuttgart geschrieben wurde. Auf der einen Seite hohe Kunst, auf der andern „Heil Hitler“. Auch dies ein Zufallsfund wie so vieles: Das Manuskript fiel uns in die Hände beim Abhören unzähliger alter Bänder auf der Suche nach den Stimmen der Frauen. Hörbar waren sie dann in der Ausstellung an der „Hör-Bar“, die uns der Bayerische Rundfunk ausgeliehen hatte.

Wir säßen heute noch in den Archiven, wenn die Zeit nicht gedrängt hätte. Was ist aus Valentine Miller geworden, „der einzige weibliche Kommentator in Westdeutschland“, wie die Funk-Illustrierte 1949 schrieb. Drei Jahre zuvor stand im „Radiospiegel“, einer Stuttgarter Programmzeitschrift, ein kleines Porträt über sie: „Wenn ich Ihnen heute eine Frau vorstelle, die sich für Politik und Geschichte – mit Erfolg – interessiert, so erwarten Sie wahrscheinlich eine Schreckfigur aus dem Bilderbuch …“.

Valentine Miller war die Leiterin der Abteilung Außenpolitik und hatte das Pech, gleich zweimal vom SDR entlassen zu werden. Beim ersten Mal wurde sie das Opfer männlicher Ränkespiele. Es wurde unter anderem kolportiert, sie schreibe ihre Kommentare nicht selbst. Der Verwaltungsrat machte der Sache ein Ende. Beim zweiten Mal war’s die „Tonbandaffäre“, die den SPD-Politiker Carlo Schmid, damals Bundestagsvizepräsident, fast seine politische Karriere kostete. Das war 1953. Nach einer Aufzeichnung im Funkhaus bleibt man sitzen und plaudert. Carlo Schmid sagt unfeine Worte über den damaligen Intendanten und andere. Von der Runde unbemerkt läuft aber das Tonband weiter, das auf ungeklärten Wegen zum Intendanten gelangt. Valentine Miller und zwei andere werden fristlos entlassen; die Presse bekommt Wind von der Sache; der CDU-Abgeordnete Gerd Bucerius bringt einen Gesetzentwurf im Bundestag ein, wonach das unbefugte Aufzeichnen von Privatgesprächen unter Strafe gestellt werden soll; die Entlassenen ziehen vor das Arbeitsgericht Stuttgart und verlieren. Nur Valentine Miller geht in Berufung – und gewinnt. Sie hat trotzdem nicht mehr für den SDR gearbeitet. Was aus ihr geworden ist, wissen wir nicht.

Frauen im SDR und SWF 1946 bis 1956 – in diesen Zeitraum fällt auch der Beginn des Fernsehens. Die Filmemacherin Corinne Pulver beispielsweise kam 1956 nach Stuttgart. Gleich drei Herren hatte der SDR in die Schweiz geschickt, um die frühere Assistentin von Max Bill herzulocken. Ihr Film über unmenschliche Pferdetransporte wurde sogar im Bundestag gezeigt.

Beim SWF stand Inge Mutschler hinter der Kamera – als sie in Baden-Baden anfing, war sie eine von zwei Kamerafrauen in der ARD. Sie sagte einmal: „Als Frau muß man mehr leisten, um mit Männern in Konkurrenz zu treten. Da ziehen viele Frauen ein leichteres Leben vor.“

Die Recherche bei SDR und SWF hat gezeigt, daß Frauen nach dem Krieg ganz selbstverständlich Verantwortung übernommen haben. Ob es viele waren oder wenige im Vergleich zu den Männern, hat uns bei der Spurensuche nicht interessiert. Es gab traumhafte Frauenkarrieren – etwa von der Sekretärin zur Leiterin des Kinderfunks beim SDR – und jähe Karrierebrüche. Von den zehn porträtierten SDR-Frauen beispielsweise wurden vier gekündigt. Der Anteil scheint uns recht hoch; die Gründe lassen sich zum Teil nicht mehr eruieren. Wenig überraschend ist die Erkenntnis, daß es typische Frauenressorts gab (und gibt) – Frauenfunk, Kinder- und Jugendfunk, Kultur. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Die Medienfrauen von SDR und SWF wollten eigentlich nur eine ganz kleine, bescheidene Ausstellung machen. Es waren ja auch nur knapp zwei Monate Zeit. Ein paar wenige Frauen haben angefangen, und dann wurden es immer mehr – Frauen und Männer quer durch alle Abteilungen – die sich für dieses Projekt einspannen ließen. Wir haben die leise Hoffnung, daß auch diese Botschaft ankommt: Es lohnt sich, gemeinsam etwas zu machen. Jetzt war die Ausstellung schon in den Funkhäusern in Stuttgart, Baden-Baden, Mainz und Freiburg zu sehen …


 

Margarethe Sachsenberg
Verwaltungsdirektorin, SWF 1946-1952

„Vorläufig sehe ich nichts als Zahlen und Akten und Akten und Zahlen“, sagt sie 1949 nach ihrer Wahl zur Verwaltungsdirektorin. Ihr Werdegang: Berufsausbildung bei verschiedenen Behörden, Sekretärin der Intendanz am Friedrich-Theater in Dessau, von 1926 bis 1933 Geschäftsführerin am „Bauhaus“. Sie arbeitet mit allen großen Architekten und Künstlern dieser Zeit. Nach Kriegsende findet die alleinerziehende Mutter von zwei Kindern eine Bleibe in Tettnang. Vier Tage nach Sendebeginn des SWF am 1. April 1946 wird sie Leiterin der Programmabteilung. Und dann Verwaltungsdirektorin. Nach ihr gab es keine Frau mehr in der Geschäftsleitung des SWF.


 

Gretel Junker
Tontechnikerin, SDR 1948-1955

Erst die Ausbildung bei der Wehrmacht am Funkmeßgerät, dann die Arbeit bei Radio Stuttgart an der Bandmaschine. Dienstkleidung ist ein weißer Kittel. Gretel Junker klebt jeden Monat ein Märkchen im Wert von 3 Mark in ihr Mitgliedsbuch der Rundfunk-Union. 1953 verdient sie 365 Mark im Monat. 1954 gibt es zehn Prozent Lohnerhöhung. Jetzt sind es 411 Mark und 50 Pfennig. Es ist Tontechnikerinnen strikt untersagt, am Sendungspult einen Regler in die Hand zu nehmen. Gretel Junker tut es trotzdem: Ein Kollege ist ausgefallen, sie rettet die Frühsendung. Dafür gibt es 25 Mark extra und ein Lob vom Intendanten.


 

Dr. Elisabeth Schwarz
Leiterin des Fernseh-Familienprogramms, SDR 1955-1985

Ihre Abteilung produziert opulente Live-Shows, Fernsehspiele, Trickfilme und Puppenspiele. Das Medium ist noch jung, es wird viel experimentiert. Elisabeth Schwarz holt sich junge Leute herbei: Die Schriftsteller Günter Herburger und Otfried Preußler, den Regisseur Werner Schretzmeier, den Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch … Alle werden sie berühmt. Ihre Entdeckerin bleibt lieber hinter den Kulissen. „Durchblick“ – die erste Nachrichtensendung für Kinder wird in ihrer Redaktion konzipiert. Elisabeth Schwarz bleibt 30 Jahre dabei, bis 1985. Sie ist in der ganzen Zeit die einzige Frau in der Führungsriege des SDR-Fernsehens.

 

 

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