Wer einen Hammer hat, für den besteht die Welt aus Nägeln

Wir brauchen eine breite Bewegung gegen den Großen Lauschangriff

Der Große Lauschangriff ist der bisher schwerste Angriff auf die Pressefreiheit seit Bestehen der Bundesrepublik. Er vernichtet die Vertrauensbasis zwischen Informanten und Journalisten.

Doch die Wahrung des Redaktionsgeheimnisses ist notwendig, damit die Medien einer ihrer wichtigsten Aufgaben nachkommen können, nämlich dunkle Machenschaften aufzudecken und das öffentlich zu machen, was unter den Teppich gekehrt werden soll. Ob Bestechungs- oder Parteispendenskandale, ob Amigo-Affären, Celler Loch oder die bayerische „Käseschachtelaffäre“ – stets wurden solche Skandale durch Medien aufgeklärt. Voraussetzung dafür waren Informanten, die sich auf die Vertraulichkeit der Gespräche verlassen konnten.

Nun ist die Grundgesetzänderung beschlossen. Worum es jetzt geht: Druck auf die Parteien auszuüben, damit wenigstens im Vermittlungsausschuß Nachbesserungen durchgesetzt werden. Doch schon kommt ein Bonner Tarnkappenbomber daher und holt zum Gegenschlag aus: Wolfgang Schäuble will den Lauschangriff noch weiter verschärfen und sogar den Schutz aller Berufsgruppen gänzlich streichen.

Deshalb brauchen wir jetzt eine breite Bürgerrechtsbewegung gegen den Großen Lauschangriff. Landauf, landab organisiert die Fachgruppe Journalismus derzeit – trotz Karneval, Fasnacht oder Fasching – Protestveranstaltungen, wie in Hamburg, Erfurt, Stuttgart oder Karlsruhe. Viele dieser Veranstaltungen finden gemeinsam mit Juristen- oder Ärzteverbänden statt. Dabei ist das Ziel, die Menschen über die Dimension und die Konsequenzen des Lauschangriffs aufzuklären. Ein Gang zum Arzt oder Rechtsanwalt wird zum Sicherheitsrisiko, die Intimsphäre ahnungsloser Bürgerinnen und Bürger ist bedroht. Dennoch glauben noch viele, es ginge um die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. Denkste! Die Delikte, bei denen gelauscht werden darf, umfassen das halbe Strafgesetzbuch. Man braucht beispielsweise nur einen halbwüchsigen Sohn zu haben, der mit einem Klassenkameraden befreundet ist, von dem vermutet wird, er gehöre zu einer Gruppe von Zigarettenautomaten-Knackern. Schon darf wegen des Verdachts der Bandenkriminalität gelauscht werden. So fix kann das gehen.

Deshalb müssen wir uns wehren. Nun fürchten die Parteien Stimmenverluste wie der Teufel das Weihwasser. Daher werden wir den Bundestagskandidaten auf die Finger klopfen. Wir werden sie fragen, wie sie zur Pressefreiheit stehen, ob sie für Nachbesserungen sind, wie sie abgestimmt haben, sofern sie schon im Bundestag vertreten waren. Und diese Antworten werden wir dann veröffentlichen, und zwar auf lokaler Ebene, wo die Kandidaten in ihren Wahlkreisen um Stimmen buhlen.

Noch ein Wort zu Beschwichtigungsversuchen: Wohl wird häufig gesagt, der Lauschangriff werde ja nur ganz selten, höchstens in drei bis vier Fällen pro Jahr beispielsweise in Baden-Württemberg angewandt werden. Aber: Wer einen Hammer hat, für den besteht die Welt aus Nägeln. Und die Bundesrepublik gehört jetzt schon zur Weltspitze der Lauscherländer. Den Nachweis über die Effizienz von bisherigen Abhörmaßnahmen sind die Behörden bislang schuldig geblieben: Der Nutzen für die Kriminalitätsbekämpfung darf bezweifelt werden, der Schaden aber für die Demokratie ist gewiß!


 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Freie unter Honorar-Druck

Die prekären Arbeitsverhältnisse im Journalismus sind schon lange bekannt. Besonders trifft es aber freie Journalist*innen, deren Honorare sogar noch weiter sinken. Das hat auch Auswirkungen auf die Art des journalistischen Arbeitens.
mehr »

Anti-SLAPP-Gesetz ungenügend

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di kritisiert das von der Bundesregierung beschlossene Anti-SLAPP-Gesetz. Es beschränke den Schutz vor Einschüchterungsklagen nur auf grenzüberschreitende Fälle. Damit bleibe ein Großteil der realen Bedrohungslagen für Journalist*innen in Deutschland unberücksichtigt.
mehr »

Inhalte brauchen Moderation

Theresa Lehmann ist Tiktok-Expertin bei der Amadeu Antonio Stiftung. Sie leitete das Modellprojekt pre:bunk, das zum Ziel hatte, Jugendliche mit Videoformaten zu Desinformation auf TikTok zu sensibilisieren. Mit M sprach sie über Regulierung, Verbote und Gefahren von Social Media.
mehr »

dju warnt: Angriffe auf Journalist*innen nehmen zu


mehr »