Zitat-Streit: Gericht stärkt Journalisten

Justitia Foto: Hermann Haubrich

„Dieses Urteil stärkt selbständige Journalisten, die nicht in größeren Zeitungsredaktionen tätig sind“, kommentiert ver.di ein Urteil des Landgerichts Köln. Es hatte die Klage eines Tübinger AfD-Politikers gegen einen Ulmer Journalisten zurückgewiesen und dabei den Umfang journalistischer Sorgfaltspflicht konkretisiert.

Dem Spruch komme weitreichendere Bedeutung zu, erklärt Siegfried Heim, ver.di-Landesfachbereichsleiter Medien in Baden-Württemberg, nach Vorliegen der umfangreichen schriftlichen Urteilsbegründung in einer Pressemitteilung.

Der Journalist Ralf Grimmiger hatte im Februar 2016 auf seiner Webseite ulm-news ein dem AfD-Politiker Markus Fronmeier zugeschriebenes Zitat veröffentlicht, das sich als falsch herausstellte. Das Kölner Gericht hat die von Fronmeier gegen Grimmiger deshalb angestrengte Klage am 26. April 2017 zurückgewiesen. Der Journalist habe seine Sorgfaltspflicht nicht verletzt und sei nicht gezwungen gewesen, die Richtigkeit des vermeintlichen Zitats vor der Veröffentlichung zu überprüfen, so die Richter. Grimminger hatte die Passage einem SPD-Aufruf für eine Demonstration gegen eine AfD-Veranstaltung entnommen. Das sei eine glaubwürdige, wenn auch nicht privilegierte Quelle gewesen, so die Kammer. Eine Nachfrage bei Fronmeier selbst wäre nur notwendig gewesen, wenn „ihm eine offensichtlich untypische Äußerung zugeschrieben worden wäre“. Doch Aussagen ähnlichen Inhalts waren dem Politiker wohl nachzuweisen. Er „sage diesen linken Gesinnungsterroristen, diesem Partienfilz ganz klar: wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet…“, hatte Fronmeier etwa auf einer Veranstaltung in Erfurt geäußert.

Das Gericht wertete das Recht der freien Meinungsäußerung in diesem Fall höher als die Prüfpflicht der Presse. Auch dass Grimmiger das falsche Zitat erst nach einem Verifizierungsversuch einige Stunden später von seiner Seite löschte, sahen die Richter als angemessene Frist. Der AfD-Mann war mit einer Einstweiligen Verfügung gegen die Verbreitung des Zitats vorgegangen, die der Journalist allerdings nicht akzeptiert hatte.

Hinsichtlich Prüfpflicht und Reaktionszeit seien bei selbständigen Journalisten und Lokalportalen andere Maßstäbe anzulegen als an große Redaktionen, argumentierte das Landgericht Köln. Der Richterspruch schütze Journalisten vor ungerechtfertigten Angriffen und stärke selbständige Berufskolle_ginnen, bekräftigt Siegfried Heim für ver.di. Grimmiger war in der aufwendigen Streitsache mit gewerkschaftlichem Rechtsschutz unterstützt worden.

Gegen das Urteil (LG Köln Az. 28 O 162/16) ist noch Berufung beim Oberlandesgericht möglich.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Der Rotstift beim Kinderfernsehen

ARD und ZDF halten es nicht für sinnvoll, wenn die Bundesländer im Reformstaatsvertrag einen fixen Abschalttermin für das lineare Programmangebot des Kinderkanals KiKa festlegen. Die lineare Verbreitung zu beenden, sei „erst dann sachgerecht, wenn die weit überwiegende Nutzung eines Angebots non-linear erfolgt“, erklärten ARD und ZDF gemeinsam auf Nachfrage. „KiKA bleibt gerade für Familien mit kleinen Kindern eine geschätzte Vertrauensmarke, die den Tag linear ritualisiert, strukturiert und medienpädagogisch begleitet.“
mehr »

Journalismus unter KI-Bedingungen

Digitalkonzerne und Künstliche Intelligenz stellen Medienschaffende vor neue Herausforderungen. „KI, Big Tech & Co. – was wird aus dem Journalismus?“ lautete folgerichtig der Titel der 11. Medienpolitischen Tagung von ver.di und DGB am 16. Oktober in Berlin. Über 80 Wissenschaftler*innen, Rundfunkräte und Journalist*innen informierten sich auch über den aktuellen Stand der Debatte über den neuen Medien“reform“staatsvertrag.
mehr »

NRW: Zusammenschluss im Zeitungsmarkt

Die Konzentration im NRW-Zeitungsmarkt, insbesondere in der Region Ostwestfalen-Lippe (OWL), setzt sich fort. Die Neue Westfälische und das Westfalen-Blatt streben eine Kooperation an. Auch die Lippische Landes-Zeitung und das Mindener Tageblatt planen, ihre Verlagsaktivitäten künftig in einer gemeinsamen Holding zu bündeln.
mehr »

Neue Perspektiven für Klimajournalismus

Besondere Zeiten brauchen einen besonderen Journalismus – ein Motto, dass das im Juli gelaunchte deutschsprachige Medienprojekt „Neue Zukunft“ nicht aus werbestrategischen Gründen ausgegeben hat. Die Klimakrise und die Klimagerechtigkeitsbewegung erhalten in vielen Medien der Schweiz, Österreichs und Deutschlands ihrer Meinung nach nicht genügend Aufmerksamkeit. Gerade Gerechtigkeitsfragen erhöhen den Handlungsdruck im Zusammenhang mit den Folgen menschlichen Raubbaus an Ressourcen und Umwelt.
mehr »