Künstlersozialversicherungsgesetz geändert: Beitrags-Rückzahlungen und Ausschlüsse möglich
Der Bundestag hat am 22. März die dritte Novelle des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) beschlossen – und fast alle sind voll des Lobes: Die Novelle stärke „das finanzielle Fundament“ der Künstlersozialversicherung, erklärte das Bundessozialministerium. Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) sieht jetzt „eine höhere Beitragsgerechtigkeit“. Und der sozialpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Klaus Brandner, erkennt „den besonderen Vorzug“ darin, dass „die drängenden Finanzierungsprobleme aus dem System heraus gelöst werden“.
Obwohl die Novelle positive Elemente enthält, kann ver.di in diesen Lobgesang nicht einstimmen. Denn für einige der derzeit rund 150.000 freiberuflichen Künstler und Publizisten, die über die Künstlersozialkasse (KSK) versichert sind, könnten die Änderungen böse Folgen haben.
Dies betrifft zum einen diejenigen, die von der Pflicht zur Krankenversicherung befreit sind. Sie erhalten vielfach von der KSK einen Beitragszuschuss zu ihrer freiwilligen oder privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Dafür müssen sie – auch derzeit schon – „zur Berechnung des endgültigen Zuschusses“ bis zum 31. Mai des Folgejahres ihr tatsächlich erzieltes Jahreseinkommen vom vergangenen Jahr melden (bei den anderen Versicherten reicht bis Anfang Dezember die Schätzung des voraussichtlichen Arbeitseinkommens für das Folgejahr). Der neu eingefügte Paragraf 10b KSVG ermöglicht es nun, dass der Beitragszuschuss „für die Vergangenheit“ zurückgenommen wird, wenn die Meldung zum tatsächlichen Jahreseinkommen „in wesentlicher Beziehung unrichtige Angaben enthält“.
Beiträge anpassen
Bisher konnte die KSK zu viel gezahlte Zuschüsse nur dann zurückfordern, wenn bei Fehl-Meldungen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen werden konnte. Künftig ist das aber auch schon möglich, wenn den Versicherten gar keine Schuld an unrichtigen Angaben trifft – etwa weil er Ende Mai noch gar keine exakten Zahlen zu seinem Vorjahresverdienst hat. Darüber hinaus droht Journalisten oder Fotografen, die ihrer Meldepflicht nicht richtig nachkommen – wie bisher – ein Bußgeld bis zu 5.000 Euro. Wegen ungenauen Schätzungen seines voraussichtlichen Einkommens braucht dennoch weiterhin niemand Sanktionen zu befürchten. Beitragsanpassungen sind nach wie vor nur für die Zukunft möglich.
Auch Künstler oder Publizisten mit nicht-künstlerischen bzw. -publizistischen Einkommensquellen oder wenig Verdienst müssen jetzt Nachteile befürchten. Nach dem erweiterten Paragrafen 13b kann die KSK nämlich künftig von allen differenzierte Angaben und Nachweise darüber verlangen, „in welcher Höhe Arbeitseinkommen aus künstlerischen, publizistischen und sonstigen selbstständigen Tätigkeiten in den vergangenen vier Kalenderjahren erzielt wurde“. Als Nachweise sollen insbesondere die Einkommenssteuerbescheide und Gewinn- und Verlustrechungen dienen. Die Arbeitseinkommen sollen durch „eine wechselnde jährliche Stichprobe“ kontrolliert werden. Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass pro Jahr „nicht unter fünf Prozent“ der Versicherten überprüft werden.
Es wird also wohl bald nicht nur mehr kontrolliert, sondern dabei auch stärker auf „sonstige“ Einnahmen geachtet, die nicht KSK-pflichtig sind. Dabei kann es einer literarischen Übersetzerin, die mehr als 400 Euro im Monat für die Übersetzungen von (nicht zur Veröffentlichung bestimmten) Gutachten bekommt, leicht passieren, dass sie den Schutz der Kranken- und Pflegeversicherung über die KSK verliert. Denn bei regelmäßig mehr als 400 Euro Einnahmen aus nicht-künstlerischer Tätigkeit bekommt sie keinen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung von der KSK. Das war zwar bisher schon so, konnte aber kaum systematisch kontrolliert werden. Außerdem könnte bald wohl auch so mancher Niedrigverdiener an den neuen Kontrollmöglichkeiten scheitern. Wer als langjähriger freier Künstler in den vergangenen sechs Jahren öfter als zwei Mal weniger als 3.900 Euro – der erforderlichen Mindesteinnahme für die Versicherungspflicht – versteuert hat, muss sich darauf einstellen, dass die KSK ihn künftig rauswerfen wird.
Meldepflichten nachkommen
Auch die Verlage, Rundfunk- und Fernsehsender, Theater oder Galerien müssen sich jetzt auf andere, effizientere Kontrollen einstellen. Die vergangenen Jahre hätten gezeigt, „dass eine erhebliche Zahl der zur Künstlersozialabgabe verpflichteten Unternehmer ihren Meldepflichten nicht nachgekommen“ sei, heißt es in der Begründung zur Gesetzesnovelle. Statt der KSK werden künftig die Prüfdienste der Rentenversicherung kontrollieren, ob und in welcher Höhe abgabepflichtige Honorare angefallen sind. Sie sind bislang auch schon als Kontrolleure für andere Sozialversicherungszweige tätig. Durch ihren Einsatz und die Erhöhung des maximal möglichen Bußgeldes von bisher 5.000 auf „bis zu 50.000 Euro“ bei unvollständigen Honoraraufzeichnungen soll sich „der Kreis der Zahler“ und die „Abgabegerechtigkeit“ bei den abgabepflichtigen Unternehmen deutlich erhöhen. Dafür würde der Novelle dann tatsächlich Lob gebühren.