Es soll ja auch Leute geben, die sich nicht für Fußball interessieren. Nun denn, sie können eine silberne Scheibe mit einem spannenden Film einlegen, wenn der Run auf den WM-Ball auf allen Kanälen los geht. Und die Fans lassen dann natürlich ihrer Begeisterung freien Lauf! Dem gigantischen Werberummel im Vorfeld und dem medialen Anpfiff, der schon vor Wochen erfolgte, können allerdings beide nur schwerlich entkommen.
Der Millionenpoker oder – wenn man so will – das Roulette mit der schwarz-weißen „Kugel“ um ihre mediale Vermarktung ist in vollem Gange. In nahezu jeder Branche tragen Produkte ein Ballkleid. Alte Hüte werden mit WM-Look als brandneu verkauft. Die Medientechnik hofft auf den großen Hype und suggeriert den Sportfans, dass sie von nun an mithilfe neuester Technologien und Geräte an jedem Ort den Lauf des runden Leders unentwegt und in toller Qualität verfolgen können. Freilich über die Kosten sowohl der WM insgesamt – etwa für den Steuerzahler – als auch für den uneingeschränkten Fußballgenuss der Sportbegeisterten im einzelnen wird weniger gern berichtet. Hintergründe des Geschäfts Fußball und kritische Geschichten über die Protagonisten sind nicht der Renner in den Medien, schmälern womöglich die Werbeeinnahmen.
Mehr hintergründige, reflektierte und sensible Berichterstattung fordert Prof. Christoph Butterwegge von den JournalistInnen auch zum Thema Integration. In seinem neusten Buch belegt er, dass der sogenannte seriöse Journalismus Zuwanderung, Flüchtlinge und Ausländer mit „sprachlichen Stereotypen, ausgeprägtem Kulturrassismus und angsteinflößenden Bildern“ beschreibt. Der Politikwissenschaftler weiß bei seiner heftigen Medienkritik sehr wohl „unter welchem Druck viele Journalisten heute arbeiten“, dennoch appelliert er an sie, „manchmal innezuhalten und an ihre Verantwortung für das soziale Klima und die politische Kultur des Landes zu denken“.
Diese Aufforderung kann weitergegeben werden an jene Verleger, die derzeit wieder mit den Gewerkschaften über Gehälter und Honorare von JournalistInnen verhandeln und gern eine Nullrunde hätten. Oder an solche, die im Südwesten Deutschlands gerade die Dezimierung einer der ältesten Sonntagszeitungen betreiben oder an jene, die Volontäre nicht übernehmen, dafür aber Jungredakteure als Leiharbeiter für 30 Prozent weniger Geld beschäftigen wollen.