Editorial: Noch kein großer Wurf

Das Radio erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit. Der jüngsten Reichweitenergebnisse der Media Analyse zufolge schalten 54,97 Mio. Deutsche täglich ihr Radio ein. Das entspricht einer Tagesreichweite von 78,8 Prozent bei Bürgern ab einem Alter von zehn Jahren.

In Großbritannien gibt es Zuwächse bei den Radiohörern im dritten Quartal 2009 gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 89 Prozent der erwachsenen Bevölkerung hören mindestens einmal die Woche Radio. Als treibende Kraft der Radionutzung werden bei den Briten die digitalen Angebote gesehen. Von 14 auf 21,1 Prozent ist hier die Nutzungsrate angestiegen. Zugpferde seien neben den Webradios die DAB-Dienste (Digital Audio Broadcasting), heißt es in einem Bericht von pressetext.de. Steigend ist auch die Nutzung von Radio auf Mobiltelefonen, besonders bei den jungen Hörern zwischen 19 und 35 Jahren.
In Deutschland haben die Radiomacher mit dem Digitalkurs so ihre Probleme. Das Ziel scheint klar – man will Digitalradio – allein der Weg dorthin ist die heiße Frage. Braucht das Digitalradio einen eigenen Übertragungsweg oder kann es quasi huckepack über andere digitale Wege ins Ohr der Menschen gelangen. Die Verbraucher, also jene interessierten Hörer, die man ja erreichen will, können der vor allem technisch geführten Debatte kaum folgen. Beim Kauf eines Digitalradios werden sie meist im Regen stehen gelassen: Die Gebrauchsdauer der Geräte ist ungewiss, weil die Standards wechseln. Und was nützt letztlich die beste Technik mit durchaus hoher Klangqualität, wenn die Programme wenig Neues bieten? Realismus und koordinierte Gemeinschaftsaktionen sind gefragt, damit Deutschland beim Digitalradio der europäischen Entwicklung nicht weiter hinterher hinkt.
Medienpolitischer Handlungsbedarf besteht gleichfalls mit Blick auf die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Hier wäre es an der Zeit, den Einfluss der Politik in Anbetracht des Verfassungsgebotes der Staatsferne zurückzudrängen. Nicht nur die Debatten um ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender zeigen, wie unverhohlen Parteien ihre Interessen bei der Postenbesetzung durchzusetzen versuchen – ganz auf dem Boden der geltenden Rundfunkstaatsverträge! Auch der schwarz-gelben Regierung ist zumindest mit ihrem Koalitionsvertrag noch kein großer Wurf gelungen. Offenbar ohne es genau zu hinterfragen, wurde die Forderung der Verlage nach einem Leistungsschutzrecht im Internet aufgenommen. In Aussicht gestellt wird die Erleichterung von Pressefusionen. ver.di warnt vor einer weiteren Monopolisierung auf dem Pressemarkt und weniger Pressevielfalt.
Ins „Land der Kindermedien“ entführt der dritte Teil unserer Serie „20 Jahre danach“. Bis auf dieses erfolgreiche Alleinstellungsmerkmal sucht man blühende Landschaften in Thüringen eher vergebens. Wenige Medienkonzerne haben nach der Wende vor allem den Zeitungsmarkt schnell unter sich aufgeteilt.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Top Tarifergebnis im Kino

In den Tarifverhandlungen mit der Kino-Kette UCI (United Cinemas International GmbH) wurde am 19. Februar 2024 ein Tarifergebnis erzielt, das an vielen Stellen die ver.di-Forderungen erreicht, so auch den Einstiegslohn von 14 Euro. In der anschließenden Befragung der Mitglieder bis zum 4. März gab es keinerlei Ablehnung. Somit beschloss auch die ver.di-Tarifkommission einstimmig die Annahme des Tarifergebnisses.
mehr »

Einschüchterungsversuche der Hohenzollern

Eine Studie der Universität Leipzig hat am Beispiel der deutschen Adelsfamilie Hohenzollern untersucht, wie kritische Berichterstattung und Forschung durch gezielte Anwaltsstrategien beeinflusst oder behindert werden sollen. Die Kommunikationswissenschaftler*innen haben dabei die Wirkung von SLAPPs (Strategic Lawsuits Against Public Participation) aus Sicht der Betroffenen nachvollzogen. Verunsicherung und Einschränkung der Arbeitsfähigkeit sind direkte Folgen bei ihnen.
mehr »

Honoraruntergrenzen bei der Kulturförderung

Claudia Roth will ein Versprechen einlösen und Mindeststandards für Honorare von Freien bei der Kulturförderung des Bundes sichern. Laut Ampel-Koalitionsvertrag von 2021 sollten öffentliche Gelder für die Kultur an faire Vergütung gekoppelt sein. Nun, so die Kulturstaatsministerin, werden „für den Kernbereich der Bundeskulturförderung“ Mindesthonorare für Künstler*innen und Kreative eingeführt.
mehr »

Verwaltungsräte treten aus dem Schatten

Die Verwaltungsräte der Öffentlich-rechtlichen Sender sind mächtig. Sie überwachen und kontrollieren die Geschäftsführung des Intendanten oder der Intendantin, soweit es nicht um die inhaltliche Gestaltung des Programms geht. Außerdem legen sie den Haushaltsplan und den Jahresabschluss fest, kontrollieren die Beteiligung an Unternehmen und vieles mehr. Ihre Beschlüsse fassen sie nicht öffentlich.
mehr »