Die norwegische Regisseurin Vibeke Løkkebergs hat über 50 Jahre verloren geglaubtes Archivmaterial entdeckt und daraus den Dokumentarfilm „The Long Road to the Director’s Chair“ über das „Erste Internationale Frauenfilm-Seminar“ im Westberliner Kino Arsenal realisiert. Sie hatte selbst 1973 mit „Abortion“ (1971) daran teilgenommen und das Event mit Interviews der filmschaffenden Frauen auf 16mm dokumentiert. Die Frauen berichten eindrücklich von den sie diskriminierenden Arbeitsbedingungen in der Film- und Fernsehbranche.
Die beiden Organisatorinnen des Festivals und Seminars, Claudia von Alemann und Helke Sander, kamen in den späteren 1970er und frühen 1980er-Jahren als Filmemacherinnen zu Ruhm. Dann verschwanden sie wie die meisten Regisseurinnen mit feministischem Anspruch von der Bildfläche. Der „Frauenfilm“, so wurden Filme von Frauen damals bezeichnet, hatte aus Sicht der Produktionsfirmen und Fernsehredaktionen ausgedient. Als wenn das Thema Geschlechtergerechtigkeit nur ein Zeitgeist-Phänomen wäre. Claudia von Alemann sicherte ihr Überleben dann ähnlich wie die Filmemacherin Jutta Brückner mit der Lehre an Filmhochschulen.
Frauen im Film: Ablehnung und Konkurrenz
In Løkkebergs Film, der auf der diesjährigen Berlinale Premiere hatte, geht es nicht um die späteren Entwicklungen in der Filmbranche, die Norwegerin arbeitet ausschließlich mit Archivmaterial. Die Dokumentation macht dem Publikum den Urgrund der immer noch anhaltenden Kämpfe um Geschlechtergerechtigkeit bewusst: Die gut ausgebildeten filmschaffenden Frauen wollen nicht mehr nur hübsch anzusehende Cutterin, Regie-Assistentin oder Redaktions-Sekretärin sein. Sie wollen andere Gewerke erobern.
Nurith Aviv etwa, israelisch-französische Filmschaffende: „Als ich meinen ersten Film als Kameraufrau gemacht habe, haben meine männlichen Kollegen nicht mehr mit mir geredet.“ Am Anfang sei sie mit ihrer Arbeit nicht ernst genommen worden, berichtet auch die Fernsehjournalistin Angelika Wittlich. Später allerdings wurde sie dann nur als Konkurrentin wahrgenommen.
Claudia von Alemann, damals freiberufliche Regisseurin beim Fernsehen, spricht von dem psychologischen Druck, aufwändiger arbeiten zu müssen als der männliche Durchschnitt: „You have to prove, prove, prove; you have to be better, better, better.“ Alemann muss beim Fernsehen viele Kompromisse machen, um einfach Geld zu verdienen, das sie wiederum in unabhängige Filme zu feministischen Themen investiert.
Haarsträubende Arbeitsbedingungen
Helke Sander betont, die Redakteure hätten keine Ahnung von diesen Themen, behandelten die Regisseurinnen aber so, als wenn sie wiederum keine Ahnung hätten. Weitere Frauen wie etwa die US-Regisseurin Ariel Maria Dougherty, die Produzentin Christiane Schäfer und die Journalistin Alice Schwarzer berichten von den haarsträubenden Arbeitsbedingungen für Frauen in der Branche, auch von sexueller Belästigung.
Demnächst soll eine mehrteilige historische TV-Serie die Kämpfe um die Gleichberechtigung von Frauen im Filmgeschäft entstehen. Das gab Produzent Anders Tangen kürzlich bekannt. „Wir sitzen immer noch auf einer Goldmine von Material, das wir für eine mehrteilige Serie von 30-minütigen Episoden mit verschiedenen Akzenten verwenden können, was uns erlaubt, tiefer zu graben und andere Themen zu beleuchten“, erklärt Tangen.