Noch immer senden diktatorische und autokratische Staaten im Duktus des kalten Krieges gegen freie Medien an, um ihr Weltbild in den „Westen“ zu tragen. Doch kaum einer hört die Programme, die aus Pjöngjang, Minsk, Teheran, Peking oder Damaskus senden. Und kaum jemand weiß, dass sie täglich versuchen, Hörer*innen in Deutschland zu erreichen. Auf Deutsch. M hat reingehört.
Stimme Koreas, Demokratische Volksrepublik Korea (Nordkorea)
Schon auf der Startseite erhält man schnell einen Eindruck, woher der Wind weht. „Eine Partei der Lügner und Betrüger“, „Umtriebe japanischer Reaktionäre“ oder „Ekelhafte Haltung der Konservativen Südkoreas“ gehören zu den Überschriften, wie sie täglich auf den Webseiten des deutschsprachigen Programms „Stimme Koreas“ (ehemals „Radio Pjöngjang“) zu hören und zu lesen sind. Der Auslandsrundfunk der „Demokratischen Volksrepublik Korea“ sendet Rundfunkprogramme in koreanischer, chinesischer, deutscher, spanischer, englischer, französischer, russischer, japanischer und arabischer Sprache. Die Webseite vok.kp (Voice of Korea), gehört zu den wenigen Webseiten des Landes, die aus dem Ausland überhaupt erreichbar sind.
Kim grenzenlos
Deutschsprachige Sendungen gibt es seit 1983. Mit dem neuen Namen „Stimme Koreas“ unterstreicht das Regime seinen Anspruch auf das ganze Land. Inhaltlich dreht es sich in den Sendungen vor allem um eines: die Dynastie der herrschenden Kims. Biografien und große Werke von Kim Jong Il, Errungenschaften der Vergangenheit und Geschenke ausländischer Staatsgäste für Kim Jong Un. Kim zu Besuch in der Forstwirtschaft, Kim in der Lehrerhochschule, Kim im Trolleybuswerk. Texte und Audiofiles, belgeitet von Fotos freudestrahlender Menschen, die Kims Anweisungen zur Verbesserung der Arbeitsleistung mit großer Begierde zur Kenntnis nehmen. Nicht enden wollende Lesungen Kimscher Werke.
Über das Leben in Nordkorea erfährt man freilich nichts, ebenso wenig über deutsch-koreanische Beziehungen. Dafür wird viel Musik gespielt, wenngleich recht redundant. Vor jedem Programmbeginn ertönt die Nationalhymne Nordkoreas, gefolgt vom „Lied auf den General Kim Il-sung“ und dem „Lied auf den Heerführer Kim Jong-il“. Wer nicht genug davon bekommen kann, der kann sich auf der Webseite weitere Lieder wie „Es lebe der Generalissimus Kim Il-sung“, „Die Partei meine Mutter“ oder „Wir nennen ihn Vater“ anhören. (Werden gelegentlich offline gestellt, kommen aber immer wieder.) Obwohl die Sendungen rein gar nichts mit den Lebensverhältnissen in der Demokratische Volksrepublik Korea zu tun haben, vermitteln sie dennoch einen flüchtigen Eindruck der Lage in einem Land, in dem keine andere Musik im Radio gespielt wird; in dem auf das Hören ausländischer Sender seit vielen Jahrzehnten die Todesstrafe steht.
Und die „Stimme Koreas“ kann durchaus als Indikator der aktuellen Weltsicht Pjöngjangs gelten. Vor wenigen Monaten noch voll mit antiamerikanischer Häme und Spott, haben Beiträge rund um US-Präsident Trump und Amerika seit dem Gipfeltreffen der beiden Staatschefs im Juni 2018 spürbar abgenommen. Zielscheibe der Propaganda sind aktuell vor allem Japan und die NATO.
Nicht immer verständliches Deutsch
Der Sender wirkt dabei wie das Sprachrohr einer Sekte, weder Moderatoren noch Redaktion haben Namen. Kontaktmöglichkeiten oder gar Adresse, Impressum und Social Media, all das gibt es nicht. Die Sprecher verlesen Staatstexte auf Deutsch, die aufgrund der Abgeschiedenheit des Landes – kaum einer der Sprecher dürfte das Land jemals verlassen haben – zudem manchmal schwer verständlich bleiben. Langschweifende Zeilen ohne Punkt und Komma, endloses Funktionenaufzählen hoher Parteifunktionäre machen das Zuhören schwer.
Radio Damaskus (Syrien)
„Hier ist das deutsche Programm von Radio Damaskus, dem Rundfunk der Syrischen Arabischen Republik“. So geht es los, und zwar seit langer Zeit schon. „Radio Damaskus“ sendet bereits seit 1957 deutschsprachige Programme. Die Sendungen wurden damals über Mittelwelle ausgestrahlt und waren so offenbar für Hörer*innen in der Region, Tourist*innen, möglicherweise auch die deutschsprachigen Einwanderer in Israel bestimmt. 1968 begann eine Ausstrahlung auch der deutschsprachigen Sendungen über Kurzwelle, die auch das deutschsprachige Europa erreichte.
Nicht alle Sendeanlagen von „Radio Damaskus“ haben den inzwischen neunjährigen Krieg in Syrien überlebt. Der Auslandsdienst ist noch auf Sendung, inzwischen aber fast nur noch über das Internet. In den vergangenen Jahren führte der Krieg immer wieder zu Programmausfällen für mehrere Tage oder gar Wochen. Inzwischen sendet der syrische Auslandsdienst wieder ein tägliches Programm von etwa einer Stunde, wobei es aufgrund der desolaten Lage der staatlichen Hörfunkanstalt „RTV Syria“ zu regelmäßigen Programmwiederholungen kommt.
Militärische Meldungen mit Trauermusik
Anfangs wurde der Krieg im Land durch die Medien von Machthaber Baschar al-Assad komplett ausgeblendet. Das hat sich geändert. Die knapp einstündigen Sendungen bestehen aus dem Verlesen staatlicher Pressemeldungen, die sich mit Erfolgen des Vormarschs der syrischen Armee, vermeintlichen Lügen westlicher Staaten und der „Liebe“ des syrischen Machthabers gegenüber seinem Volk beschäftigen. Mit „Mr. President“ hat Machthaber Assad eine eigene Rubrik, in der er unwidersprochen syrischen oder russischen Fragestellern Auskunft über seine Weltsicht gewährt. Bestandteil fast jeder Ausgabe sind militärische Berichte, absurderweise immer wieder unterbrochen durch Remo Giazottos Adagio g-Moll, was selbst beim gutgläubigsten Hörer keinen Glauben an die Wahrhaftigkeit der Verlautbarungen und Erfolgsmeldungen aufkommen lassen kann. Ähnlich wie beim nordkoreanischen Auslandsdienst besteht der Großteil des Programms aus Kommentaren; wer hier allerdings was kommentiert, bleibt offen. Ebenso gilt: Namen gibt es keine.
Radio Belarus (Weißrussland)
Nein, es ist kein Privatsender, der in seinem Showopener so poppig und lautstark rüberkommt, als wäre es einer. Schon beim „Nachrichtenblock“ ist klar, dass etwas ungewöhnlich ist. Die Nachrichten eröffnen meist mit einer bekannten Figur des Landes: Langzeitpräsident Alexander Lukaschenko oder Vertretern der Regierung. Verträge zwischen Belarus und Ghana, Freundschaftsfestival der GUS-Staaten, Zoll-Infrastruktur.
„Radio Belarus“, heute Teil der staatlichen „Belaruskaja Tele-Radio Campanija“, begann die Ausstrahlung von Rundfunksendungen 1962, damals noch als Radio Minsk. Zunächst wurde nur in weißrussischer Sprache für Weißrussen außerhalb der Sowjetunion gesendet. Weißrussland ist neben Russland und der Ukraine der einzige Nachfolgestaat der Sowjetunion, der sich noch einen Auslandsdienst mit deutschem Programm leistet. Und bei grade zehn Millionen Einwohner*innen auch der kleinste. Seit 1985 sendet „Radio Belarus“ in deutscher Sprache, erst 1998 kamen russisch- und englischsprachige Sendungen dazu, weitere Sprachen 2006.
Konfliktthemen gemieden
Anders als die Kolleg*innen aus Russland und anders als in früheren Sendungen aus Minsk, setzt „Radio Belarus“ nicht weiter auf einen aggressiven Stil, versucht viel mehr, Erfolge in überhöhter Weise voranzustellen, wenn es beispielsweise um die Beliebtheit weißrussischer Produkte in der Welt oder internationale Veranstaltungen in Belarus geht. Mehr als in anderen Auslandsdiensten stellt man in Minsk Wirtschaftsmeldungen in den Fokus, seien es ein „besonders günstiges Geschäftsklima“ (in einem planwirtschaftlich orientierten Land), Haushaltsüberschüsse, den WTO-Beobachterstaus des Landes oder Exporte Weißrusslands nach Indonesien.
Viele Interviews werden mit deutschen Vertreter*innen von Stiftungen oder Unternehmen in Weißrussland geführt, die den verbindenden Charakter zwischen Deutschland und Belarus betonen sollen. Politische Differenzen mit dem Westen werden weitgehend gemieden, ebenso wie jede Form von Kritik am aktuellen System des Landes und Präsident Lukaschenko.
IRIB Teheran / ParsToday (Islamische Republik Iran)
Der erste Blick auf die deutschen Seiten von „ParsToday“, dem neu aufgesetzten Nachfolger des „Iranischen Auslandsradios (IRIB) Teheran“ vermittelt zunächst eine scheinbar fast normale, moderne Webseite. Die Meldungen arbeiten sich jedoch intensiv an den Erzfeinden USA, Israel und Saudi-Arabien ab. „ParsToday“ berichtet über den Handelsstreit zwischen den USA und Kanada oder Belgiens Lieferstopp für Waffen an Saudi-Arabien, hält sich in den Nachrichten allerdings mit Wertungen weitgehend zurück. Die gibt es in den Kommentaren, auch über Ereignisse in Deutschland. „Tausende Menschen in Berlin sind anlässlich des Al-Quds-Tages auf Straße gegangen, um ihre Solidarität mit den Palästinensern zu bekunden“, heißt es schlicht auf einer Fotostrecke mit bunten Bilder, die friedliche Demonstrant*innen in Berlin zeigen sollen. Dass auf der Kundgebung, unterwandert von Anhängern der Hisbollah, klar antisemitische Parolen dunkelster deutscher Geschichte gerufen wurden, blendet „ParsToday“ für die deutschen Nutzer*innen freilich aus.
Filme als Serie mit deutschen Intertiteln
Deutlicher wird man in den moderierten Sendungen. Die Radiodienste starten mit Revolutionsmusik und der Begrüßung „Im Namen Gottes“. Aber auch in der islamischen Republik wird Modernisierung sichtbar, vor allem durch die wachsende Präsenz von Videoinhalten. Ganze Sendereihen werden inzwischen nicht mehr allein als Audio für den Radiodienst produziert, sondern auch, vor allem religiöse Sendungen, mit Bild fürs Internet. Einzigartig sind auch iranische Propagandafilme, die in Serien geteilt und mit deutschen (und anderen) Untertiteln regelmäßig veröffentlicht werden.
„ParsToday“ präsentiert sich als iranisches Nachrichtenportal, das seine Tätigkeit 2016 auf der Grundlage der 70-jährigen Erfahrungen von „IRIB Worldservice“ und mit einer neuen Medienstrategie aufgenommen hat. Während ein Großteil der internationalen Auslandsdienste weltweit massiven Einsparungen unterworfen ist, konnte sich „ParsToday“ dank wachsender Zuschüsse aus dem Staatsbudget vergrößern. „Die aktuellen politischen Entwicklungen sowie die Rolle Irans als ein wichtiges Land in der Region des Mittleren Ostens machen die internationale Präsenz von ParsToday erforderlich“, teilt der Sender mit.
Radio China International (CRI), Volksrepublik China
Es heißt, es gibt die drei großen „T´s“, die in chinesischen Medien tabu sind: Tiananmen, Tibet und Taiwan. Doch für die kritischen Nutzer*innen im Ausland, die ohnehin davon gehört haben, machen chinesische Medien Ausnahmen, die dann sprachlich allerdings deutlich werden. Da ist von „entmenschlichten Tibet-Separatisten“ die Rede, die für ihre „heimtückischen politischen Versuche immer wieder Selbstverbrennungen anstiften“. Vor allem in den Nachrichten kommt CRI schnell zur Sache. Von „bösartigen Sabotagen in Honkong“ und andauerndem „Hegemoniebestreben, Egoismus, Heuchelei und Arroganz der US-Politiker“ im Wirtschaftskonflikt ist in den letzten Wochen regelmäßig die Rede.
34 überwiegend junge Redakteure zählt CRI auf seiner Webseite auf, allein für die deutsche Redaktion! Im internationalen Rundfunk ist CRI ein Schwergewicht. Gegenwärtig strahlt CRI in 45 Fremdsprachen sowie Hochchinesisch, vier chinesischen Dialekten und Sprachen von fünf chinesischen Minoritäten Radioprogramme in alle Welt aus. Die tägliche Sendezeit liegt bei mehr als 1.520 Stunden.
Zensur und Kultur
Wer CRI auf Deutsch hört, sollte wissen, worauf er sich einlässt. Wer mehr über chinesische Kultur, Bräuche, chinesische Rezepte, Tourismus und Sehenswürdigkeiten erfahren möchte, ist bei CRI vielleicht gut aufgehoben. Das Programm bietet, angereichert mit Videos und Audiofiles, einen Blick auf kulturelle Reichtümer des Landes. Auch wer sich für den Standpunkt und die Sichtweise der chinesischen Regierung auf politische wie wirtschaftliche Fragen interessiert, wird bei CRI gut bedient. Ausgewogene Berichterstattung zu aktuellen politischen Themen, seriöse Berichte über die Lage der Landbevölkerung oder Umgang mit Kritikern sollte man nicht erwarten. CRI ist Staatsrundfunk und dessen Aufgabe ist es, die alleinige Sichtweise der chinesischen Regierung, das heißt einer einzigen Partei – der KP Chinas – ins Ausland zu transportieren. Separate Unter-Webseiten von CRI berichten entsprechend ausführlich über aktuelle Beschlüsse und Konferenzen der Partei.
„Deutsche wissen wenig über China“
Dass CRI nicht frei berichten würde, sieht man dort anders. „Natürlich kann ich über alle Themen berichten, die ich für relevant, wichtig oder interessant erachte“, sagt Yin Fan, Redakteur der deutschsprachigen Sendungen und früherer Chefkorrespondent in Berlin. „Ich kann selbst entscheiden, über welches Thema ich berichten will. Aber ich bekomme gelegentlich auch Vorgaben und Themenvorschläge der Zentralredaktion, etwa wie die deutschen Medien über den Konflikt zwischen China und Japan berichten. Ich wurde auch schon mehrmals gebeten, über die Situation Deutschlands in der Finanzkrise und auch über die Maßnahmen der Bundesregierung und über die dazugehörigen Kommentare der Medien zu berichten“, so Fan.
Fan beklagt eine eingeschränkte Sichtweise vieler Deutscher auf die Volksrepublik. „Ich habe aber den Eindruck, dass die meisten Deutschen ziemlich wenig, sogar sehr wenig über China wissen. Das hat auch damit zu tun, dass sie wenig Zugang und beschränkte Kanäle haben, um sich über China zu informieren“.
WDR-Journalistin Kirsten Rulf bringt einen anderen Einblick aus China mit. In einem Beitrag für die Berliner Zeitung berichtete sie über ihre Erfahrung bei den Kollegen des Auslandsfernsehens in Peking. Man müsse zwar oft genau hinhören, um die subtil eingeschleuste Propaganda als solche ausfindig zu machen. Doch letztlich werde jede Formulierung, jedes Wort kontrolliert. „Das Augenfälligste war, dass die Zensoren sich selbst nicht zu erkennen geben, aber leicht zu erkennen waren: Für das Magazin arbeiten überwiegend sehr junge Journalisten, die so um die 30 sind. Die Zensoren aber waren um die 60, teilweise über 70“, so Rulf. Auch die Themen selbst würden von ihnen festgelegt. „Überraschend war für mich vor allem, dass in der morgendlichen Redaktionssitzung gar keine Diskussionen aufkamen. Das war keine Besprechung, sondern eher ein Rapport: Der Chefredakteur verkündete, was gemacht wird“.
Propagandadienste für Europa, auch auf Deutsch. Wer hört diese Programme? Um konkrete Hörer- oder Nutzerzahlen geht es dabei offenbar nicht. Ein Auslandsrundfunk in verschiedenen Sprachen sei z.B. für Pjöngjang vor allem als Statussymbol wichtig, sagt Kai Hafez, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Erfurt, im Gespräch mit der Deutschen Welle. Länder wie Nordkorea wollten mit ihrem Auslandsrundfunk einen Modernitätsnachweis liefern. „Man muss so etwas haben, ganz egal, ob es wirkt oder nicht“. Man wolle zwar die eigene Regierungsposition in die Vielfalt der Medien aus aller Welt einbringen, außer kleinen regierungstreuen Eliten erreiche man mit „internationalen Monologen propagandistischer Beschallung“ aber kaum jemanden.