Ihre Welt ist seit dem 24. Februar 2022 eine fundamental andere geworden: Die Ukrainerinnen und Ukrainer erleben ein kollektives Trauma, das die meisten von uns in den Nachrichten zwar aus der Distanz ebenfalls betrachten können, aber eben nicht hautnah erleben müssen. Und obwohl der Krieg alle Ukrainer*innen betrifft, hat doch jede*r Einzelne von ihnen ganz persönlichen Erfahrungen und muss auf eigene Weise mit der russischen Aggression umgehen. In einer am 2. März im Museum für Kommunikation Berlin eröffneten Ausstellung unter dem Titel „The Art of Coping with War“ zeigen die Arbeiten von fünf ukrainischen Fotograf*innen deren jeweils persönliche Reaktionen auf den Krieg.
Den Besuchern ermöglichen die Bilder – stärker als aus den Nachrichten – zu erfahren, was es bedeutet, in einem Land zu leben, das sich im Kriegszustand befindet. Eine Erfahrung, die den meisten Menschen in Deutschland seit fast 80 Jahren glücklicherweise erspart blieb.
Die Ausstellung ist Bestandteil des European Month of Photography Berlin (EMOP). „Die Ukraine ist zum ersten Mal beim EMOP vertreten“, betonte der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev, der die Schau eröffnete. Eine Premiere, für die man sich andere Umstände gewünscht hätte. Normalerweise hat eine Ausstellung im Museum für Kommunikation einen Vorlauf von etwa zwei Jahren, wie Dietrich-Wolf Fenner, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit des Hauses, erklärt. Die aktuelle Fotoausstellung wurde in nur wenigen Wochen auf die Beine gestellt. Dass dieser Kraftakt gestemmt werden konnte, ist Ergebnis der fruchtbaren Zusammenarbeit von Museumsmitarbeiter*innen, Fotokünstler*innen und den beiden ukrainischen Kuratorinnen Halyna Hleba und Olga Balashova, die zur Eröffnung durch die Ausstellung führten.
Jede*r vertretene Künstler*in schafft mit einer nuancierten emotionalen Bandbreite ein künstlerisches Bild des Krieges. Es sind Beobachtungen von innen. Dabei ist die Arbeit „Documentation of the War. North of Ukraine“ von Oleksandr Glyadelov am stärksten dokumentarisch geprägt, sie zeigt offensichtliche Zerstörungen, gibt Einblick in die Folgen der seit acht Jahren andauernden russischen Aggression gegen die Ukraine. Dennoch gehen seine Fotografien über eine reine Dokumentation der Ereignisse hinaus. Sie offenbaren den Betrachtern einen Blick hinter die Kulissen. Ganz anders die Serie „Flowers Under Attack“ von Ihor Bondarenko, die visuell zunächst weit von der Realität des Krieges entfernt wirkt. Sie rückt hingegen emotionale Aspekte in den Fokus: Da jeden Tag todbringende Bomben auf die Ukraine fallen, werden die künstlerisch verfremdeten Blumen vor dem Hintergrund der Explosionen zu einem Symbol für das Leben. Die Fotografin Yana Kononova zeigt in „X-Scapes“ abstrakte und unwirkliche Landschaften, die unter dem Einfluss von thermischen Effekten und Explosionen auf verschiedenen Materialien entstanden sind. Die seltsamen Formen erinnern an geisterhafte Dekorationen aus Fantasy-Filmen, in Wirklichkeit sind es jedoch architektonische Schatten und verstümmelte Skelette. Sascha Kurmaz dokumentiert in „The Red Horse“ sein Leben während des Krieges in einem collageartigen Tagebuch. Er sucht Antworten auf existenzielle Fragen: Was bedeutet es, während eines Krieges Kunst zu schaffen? Ist es möglich, die Erfahrung des Krieges künstlerisch zu vermitteln? Olena Subach schließlich stellt in ihrer Arbeit „Hidden“, entstanden in ihrer Heimatstadt Lviv, Museumsrestaurator*innen in den Mittelpunkt. Sie versuchen Kunst- und Kulturgüter vor möglichen Zerstörungen und Raketenangriffen zu schützen. Ihre Fotografien enthalten viel Trauer, aber auch Hoffnung und Zärtlichkeit.
Die Ausstellung ist noch bis zum 2. April 2023 zu sehen: Museum für Kommunikation Berlin, Leipziger Straße 16, 10117 Berlin. Geöffnet Di 9-20 h, Mi-Fr 9-17 Uhr h, Sa, So 10-18 h. https://www.mfk-berlin.de/.