Informationsfreiheitsgesetz längst überfällig – Deutschland Schlusslicht in Europa
Bei der Betrachtung der Informationsfreiheit in Europa kann sich Deutschland nicht mit Ruhm bekleckern. Im Gegenteil, es bildet gemeinsam mit dem kleinen Luxemburg das Schlusslicht. Alle anderen Länder haben ein Informationsfreiheitsgesetz. Und auch der Blick über europäische Grenzen zeigt, dass der offene Umgang mit Behördeninformationen längst zum internationalen Standard gehört.
In Deutschland verkümmert ein entsprechender Entwurf in den Amtsstuben der rot-grünen Koalition, die sich die Verabschiedung des Gesetzes jedoch mit ihrem Machtantritt auf die Fahnen geschrieben hatte. Die Journalistenorganisationen Netzwerk Recherche, Deutscher Journalistenverband (DJV) und die Deutsche Journalistinnen und Journalisten-Union (dju) in ver.di fordern seit Monaten den Vollzug dieses Versprechens aus dem Koalitionspapier. Denn es handele sich in der Tat nicht um eine „mutige Reform“, sondern lediglich um den Anschluss an eben jenen weltweiten Standard, so Manfred Redelfs, Leiter der Recherche-Abteilung von Greenpeace und Mitglied von Netzwerk Recherche bei den 5. Berliner Mediengesprächen der Evangelischen Medienakademie in Berlin. Redelfs plädierte für ein Informationsfreiheitsgesetz, das ein „Jedermannsrecht“ sein wird. Das heißt, jeder Bürger kann ohne Begründung und ohne persönliche Betroffenheit seine Frage an ein Amt richten. Grundsätzlich alle Informationen der Verwaltung sind öffentlich, bei Ausnahmen liegt die Beweispflicht, das dies berechtig ist, bei der Behörde. Es handele sich um ein „Bürgerrecht“, nicht um einen „Gnadenakt“, argumentiert Redelfs. Die Distanz zwischen Bürger und Staat werde abgebaut – weg von der obrigkeitsstaatlichen Tradition hin zum „aktiven Bürger“. Ein solches Gesetz sei eine „heilsame Zumutung“ für die Verwaltung, denn es beuge unter anderem der Korruption vor.
Allgemeines Klima der Offenheit gefördert
Auch für Journalisten liegen die Vorteile auf der Hand. Die Einsicht in Originalakten ersetzt die Information über Dritte, die Pressesprecher. Die Frage nach dem Warum einer erwünschten Auskunft muss unterbleiben, verdeckte Recherche ist leichter möglich. Der beliebte Abblocker für eine Antwort: Das stehe unter Datenschutz, entfällt weitgehend. Insgesamt werde ein „allgemeines Klima der Offenheit gefördert“ so Redelfs, wenn Journalisten ihrer Verpflichtung folgen, Informationen aktiv öffentlich zu machen.
Welchen Stellenwert die Informationsfreiheit – Informationen aus erster Hand – für die Pressefreiheit hat, stellten die ZDF-Reporter Beate Thorn und Udo Frank bei den Berliner Mediengesprächen sehr anschaulich dar. Sie wurden während ihrer Recherchen im Fall des Immobilienlöwen Schneider im Jahr 1995 / 96 umfassend – sowohl privat als auch in der Redaktion des ZDF-Politmagazins frontal – abgehört. Nachdem Schneider in den USA verhaftet worden war, erlangten die Journalisten aufgrund des „Freedom of Information Act“ in den USA Einblick in die gesamten Ermittlungsakten und somit auch in die Abhörpraxis und Observationspraxis deutscher Behörden. 6000 Informationen, die aufgrund dieses Gesetzes erlangt wurden, fanden innerhalb von 12 Monaten Eingang in amerikanische Medien (Redelfs). In Deutschland gibt es erst in vier Ländern, in Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, ein Informationsfreiheitsgesetz. Es ist also auch in dieser Beziehung höchste Zeit für ein bundesweites Gesetz.
Journalisten genießen im Umgang mit vertraulichen Informationen zwar ein Zeugnisverweigerungsrecht. Das jedoch wird zunehmend durch die Abhörpraxis in Deutschland ausgehöhlt. Erst im März diesen Jahres erklärte das Bundesverfassungsgericht das Abhö- ren von Telefonen von Journalisten für zulässig, wenn dies der Aufklärung besonders schwerer Straftaten dient. Kläger war unter anderem das ZDF im genannten Fall.
Vorbeugendes Abhören
Ginge es nach dem vorliegenden bayerischen Gesetzentwurf, wird auch vorbeugendes Abhören künftig erlaubt sein, auch von Journalisten. Wo aber ist die Grenze? Wo setzt Willkür ein oder wann nutzt ein Ermittler einfach die besonderen Recherchemöglichkeiten von Journalisten aus? Wie erfüllen die Behörden die gesetzliche Auflage, dass Abgehörte im Nachhinein informiert werden müssen? Schlecht! So beantwortet eine Studie des Max-Planck-Instituts diese Frage. Nur in 70 bis 80 Prozent der Fälle wurde dies getan. Gäbe es diese Studie nicht, immerhin vom Bundesjustizministerium der Justiz in Auftrag gegeben, gäbe es keine Grundlage, diese Information ohne weiteres zu erlangen. Wird die Öffentlichkeit nun erfahren, welche Schlussfolgerungen die Justiz aus diesen Ergebnissen zieht? Ein lapidares: ja, hier bestehe Verbesserungsbedarf, von Staatssekretär Hansjörg Geiger in der Evangelischen Akademie an einem sonnigen Septembertag darf hier nicht ausreichen.