Kalifornien stärkt Arbeitnehmerrechte

Bild: Hermann Haubrich

Am 01. Januar 2020 ist in Kalifornien ein Gesetz in Kraft getreten, welches Unternehmen verpflichtet, selbstständige Auftragnehmer*innen wie abhängig beschäftigte Arbeitnehmer*innen zu behandeln, berichtet Steven Hill für das Mitbestimmungsportal der Hans-Böckler-Stiftung (HBS). Es werde Arbeitnehmerrechtsverfechtern weltweit Auftrieb geben, prognostiziert der Autor des Buches „Die Startup Illusion: Wie die Internet-Ökonomie unseren Sozialstaat ruiniert”.

Die „Assembly Bill 5“ (AB 5) schließe ein „ein Schlupfloch im Regelwerk, das es Arbeitgebern ermöglicht, reguläre Beschäftigte fälschlicherweise als selbständige Auftragnehmer einzugruppieren“, so Hill. Rund zwei Millionen selbstständige Arbeitnehmer*innen in Kalifornien seien davon betroffen, die bisher weder Sozialleistungen erhalten hätten, noch krankenversichert gewesen seien. Auch freiberufliche Autor*innen erwarteten die Auswirkungen des Gesetzes mit Spannung. So schreibe es etwa vor, dass Medienunternehmen maximal 35 Artikel bei einem*r Freiberufler*in beauftragen dürften, bevor sie diese*n einstellen müssen. Sorgen, dass es deshalb weniger Aufträge für Freie geben werde, seien unbegründet, schreibt Hill und zitiert einen Tweet der Arbeitsrechtsjournalistin Margot Roosevelt. Darin berichtet diese, wie die Los Angeles Times bereits 30 vormals freiberufliche Journalist*innen in Vollzeit eingestellt hat.

Auch in Deutschland würden 235.000 bis 436.000 Beschäftigte fälschlicherweise als „Soloselbständige“ eingestuft, schreibt Hill unter Berufung auf Schätzungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Dabei sei das Problem der Scheinselbstständigkeit hierzulande eindeutig hausgemacht und auf die Hartz-IV-Reformen der Schröder-Regierung zurückzuführen, stellt der US-Autor fest.

„Zahlreiche Untersuchungen attestieren Deutschland gravierende Missstände im Zusammenhang mit Scheinselbständigkeit. Unternehmen behandeln verschiedene Arten von Arbeitnehmern als Selbständige, um keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen zu müssen. Durch das Schlupfloch der „Scheinselbständigkeit“ können Arbeitgeber ihre rechtlichen Verpflichtungen umgehen und viele Arbeitnehmer werden so ihrer Rechte beraubt.“

Zwar werde die Problematik von deutschen Entscheidungsträger*innen regelmäßig als zahlenmäßig kaum relevant heruntergespielt, doch gingen die Folgen für die Wirtschaft „weit über die reinen Zahlen hinaus“, warnt Hill. So könne die Scheinselbstständigkeit auch den Status abhängig Beschäftigter untergraben, weil die Stabilität der Belegschaft und damit deren Handlungsfähigkeit gegenüber dem Unternehmen geschwächt würden.

Der US-Amerikaner fordert Deutschland und die EU deshalb auf, Solo-Selbstständige als abhängig Beschäftigte einzustufen und ein „universales Sicherheitsnetz“ für alle Arbeitnehmer*innen zu schaffen. Dies könne beispielsweise durch die Ausweitung der Künstlersozialkasse (KSK) auch auf andere Berufe gelingen, in denen Arbeitnehmer*innen als Solo-Selbstständige tätig sind, schlägt Hill vor.


M – Der Medienpodcast: einzigartig anders, denn wir fragen genauer nach

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von SoundCloud. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Gemeinsame Standards für Medienfreiheit

In Brüssel wird der European Media Freedom Act (EMFA) bereits als "Beginn einer neuen Ära" zelebriert. Ziel der Verordnung ist es, die Unabhängigkeit und Vielfalt journalistischer Medien in der EU in vielfacher Hinsicht zu stärken. Doch wie er von den Mitgliedsstaaten  - vor allem dort, wo etwa die Pressefreiheit gefährdet ist wie Ungarn und der Slowakei - umgesetzt wird, zeigt sich erst im kommenden Sommer.
mehr »

Filmtipp: Die Saat des Heiligen Feigenbaums

Die Alten hüten die Asche, die Jungen schüren das Feuer. Konflikte zwischen den Generationen sind vermutlich so alt wie die Geschichte der Menschheit. Zumindest im Westen haben die im Rückblick als „68er-Bewegung“ zusammengefassten Proteste für tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzungen gesorgt. Angesichts des Klimawandels könnte sich das Phänomen wiederholen. Mohammad Rasoulofs Familiendrama, deutscher „Oscar“-Kandidat, beschreibt anhand der Demonstrationen im Iran, wie sich die Alten wehren.
mehr »

Die Zukunft der Filmförderung

In der morgigen Plenarsitzung des Bundestages wird über die Zukunft der deutschen Filmwirtschaft entschieden, der vom Bundestagsausschuss für Kultur und Medien beschlossene Gesetzentwurf zum Filmfördergesetz (FFG) steht zur Abstimmung auf der Tagesordnung. ver.di begrüßt eine Reform der Filmförderung, denn in Zukunft müssen Filmproduktionen Tarif- und Urheber-Vergütungen verbindlich einhalten.
mehr »

KI-Lösungen: Heise macht es selbst

Das Medienhaus „Heise Medien“ hat kürzlich das auf generative Künstliche Intelligenz (KI) spezialisierte Medienhaus „Deep Content“ (digitale Magazine „Mixed“ und „The Decoder“) aus Leipzig gekauft. Damit will Heise die Zukunft generativer KI mitgestalten. „Deep Content“ entwickelte mit „DC I/O“ ein professionelles KI-gestütztes Workflow-Framework für Content-Teams und Redaktionen. Bereits seit Juni dieses Jahres kooperiert Heise mit „Deep Content“ bei der Produktion des Podcasts „KI-Update“. Hinter der Übernahme steckt die Idee, den neuen Markt weiter zu erschließen und hohe Gewinne einzufahren.
mehr »