Reporter ohne Grenzen (ROG) hat auf der Digitalkonferenz re:publica in Berlin ein Online-Tool vorgestellt, mit dem sich jeder gegen die Analyse seiner Telefon-Verbindungsdaten durch den Bundesnachrichtendienst (BND) juristisch wehren kann. Der „Bitte Nicht Durchleuchten-Generator“ ist die Folge eines wegweisenden Urteils des Bundesverwaltungsgerichts, das dem BND die Speicherung und Nutzung von Daten im sogenannten Verkehrsanalysesystem (kurz VerAS) untersagt. Das Urteil gilt zunächst nur für Telefon-Daten von ROG.
Mit dem Online-Tool kann sich nun jeder darauf berufen und beim BND beantragen, die eigenen Daten ebenfalls aus der illegalen Verarbeitung in VerAS zu nehmen. „Das Urteil ist ein Meilenstein im Kampf für einen besseren Rechtsschutz gegenüber dem Bundesnachrichtendienst. Mit unserem Online-Tool sollen mehr Menschen davon profitieren und ihre Rechte wahrnehmen können“, sagte Christian Mihr, ROG-Geschäftsführer. „Der BND darf im Namen der Sicherheit nicht die Rechte derjenigen missachten, die er schützen soll. Je mehr Menschen der illegalen Verarbeitung widersprechen, desto stärker wird diese Botschaft an den Geheimdienst.“
Bitte Nicht durchleuchten Generator
Unter https://www.reporter-ohne-grenzen.de/bnd-generator/ finden Interessierte eine Eingabemaske. Sie müssen nur ihren Namen und ihre Postanschrift angeben, damit der BND ihnen die Herausnahme aus der VerAS-Datenbank bestätigen kann. Der „Bitte Nicht Durchleuchten-Generator“ erzeugt dann automatisch ein juristisches Schreiben, womit der BND im Namen der Person aufgefordert wird, es künftig zu unterlassen, „Telefonie-Metadaten aus meinen Telekommunikationsverkehren in der Datei VerAS zu speichern oder zu nutzen.“ Eine E-Mail-Adresse ist nur für den Versand einer Bestätigung durch ROG erforderlich, wird jedoch nicht an den Geheimdienst weitergegeben. Der BND hat dann zehn Tage Zeit, um der Aufforderung nachzukommen.
Die Erstellung des Generators ist Teil der Strategie von Reporter ohne Grenzen, um insbesondere den Rechtsschutz von Journalist_innen zu stärken. Sie wurden in der Vergangenheit bereits Opfer von geheimdienstlicher Überwachung. Wie der Spiegel im Februar 2017 enthüllte, überwachte der BND ab 1999 gezielt mindestens 50 Telefon- und Faxnummern von Journalist_innen und Redaktionen unter anderem in Afghanistan, Pakistan und Nigeria, darunter Anschlüsse der BBC, der New York Times und der Nachrichtenagentur Reuters. ROG führte das Verfahren gegen den BND daher zwar im eigenen Namen, wollte Erfolge aber stets für eine breite Öffentlichkeit nutzbar machen.
BND sammelt Daten ohne gesetzliche Grundlage
Am 13. Dezember 2017 hatte das Bundesverfassungsgericht in Leipzig entschieden, dass der BND ab sofort keine Verbindungsdaten aus Telefongesprächen von ROG in der VerAS-Datenbank speichern und nutzen darf. Das Urteil setzt dem deutschen Auslandsgeheimdienst zum ersten Mal seit Jahrzehnten Schranken bei der Sammlung von Metadaten. ROG hatte am 30. Juni 2015 Klage gegen den BND beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht, das in diesem Fall als erste und letzte Instanz zuständig ist. In dem Verfahren wurde ROG von dem Rechtsanwalt Niko Härting vertreten, dessen Kanzlei HÄRTING Rechtsanwälte ROG nun auch bei der Erstellung des Generators juristisch beraten hat. Die Klage aus 2015 richtete sich unter anderem gegen das System VerAS, mit dem der BND seit dem Jahr 2002 ohne gesetzliche Grundlage Metadaten auch von deutschen Bürgern sammelt, die im Zusammenhang mit ihrer Kommunikation anfallen. Davon betroffen sind sowohl die sogenannte Ausland-Ausland-Kommunikation als auch Gespräche zwischen In- und Ausland sowie Verbindungsdaten, die dem BND von befreundeten Geheimdiensten zugeliefert werden. Die Speicherung geschieht so umfassend, dass auch Journalist_innen erfasst werden können, die nur indirekt und über mehrere weitere Kommunikationspartner zum Beispiel mit einem Terrorverdächtigen in Verbindung gebracht werden können.