Rappler ist nur die Spitze des Eisbergs

Rappler-Mitgründerin und Friedensnobelpreisträgerin Maria Ressa auf dem Global Media Forum 2022 der Deutschen Welle Foto: GMF 2022 / Deutsche Welle

Ende Juni fand auf den Philippinen der Wechsel im Präsidentenpalast von Manila statt. Auf Rodrigo Duterte, wegen seines brutalen Feldzugs gegen Drogenkriminalität vielfach kritisiert, folgt Diktatorensohn Ferdinand „Bongbong“ Marcos. Für die Pressefreiheit ist das nicht unbedingt eine gute Nachricht. Duterte hat kurz vor der Machtübergabe noch einen letzten Angriff auf Rappler lanciert. Dem prämierten News-Portal droht das Aus. Das dürfte im Interesse der neuen Vizepräsidentin und Bildungsministerin Sara Duterte-Carpio liegen, der Tochter des Ex-Präsidenten.

Die erste Anweisung von Duterte-Carpio war dem investigativen Internet-Portal Rappler gleich einen Aufmacher wert. „Impfung nicht verlangt, wenn die Schulen den Präsenz-Unterricht wieder aufnehmen“, hieß es da am 14. Juli. Es solle keine Trennung, keine Diskriminierung der ungeimpften Lernenden geben. Denn Impfen sei nicht obligatorisch, so wurde die Ministerin zitiert. Die  Redaktion verwies darauf, dass von 28 Millionen Schüler*innenn nur 9,6 Millionen Jugendliche und 3,6 Millionen Kinder geimpft seien. Rappler fragte in dem Artikel, ob das reicht, um ab dem 2. November wieder zum traditionellen Präsenz-Unterricht zurückzukehren.

Unterricht wie vor der Pandemie scheine die Devise der neuen Bildungsministerin zu lauten, hieß es weiter. Sie plädiere obendrein dafür, dass die Maskenpflicht entfalle. Angesichts von bisher 3,7 Millionen Infizierten, 60.000 Toten und in vielen Fällen überfüllten Klassenzimmern für Rappler durchaus ein Grund zur Nachfrage.

Doch damit könnte es bald vorbei sein. Das 2012 von der im vergangenen Jahr mit dem Friedensnobelpreis prämierten Journalistin Maria Ressa mitgegründeten Portal befindet sich wieder einmal unter Druck. Ende Juni hat die philippinische Börsenaufsicht dem Unternehmen wichtige Lizenzen entzogen. Es werde angeblich von ausländischen Investoren unterstützt. Das verstoße gegen die Verfassung. Dagegen wehrt sich das kritische Medium. Ressa reagierte deutlich: „Es ist wie Treibsand, wenn man sich nicht auf die Rechtsstaatlichkeit verlassen kann“, kritisierte die Journalistin, die Rappler als CEO leitet. 

„Die letzte Patrone Dutertes“

Ressa ist Schikanen von der Regierung gewöhnt. Sie ist eine Unbequeme und blieb es auch, als der damalige Präsident Duterte seinen blutigen Anti-Drogen-Krieg mit Tausenden von Toten begann. Sie berichtete furchtlos über Menschenrechtsverletzungen, verdrehte Fakten, über systematische Lügen, offene und subtile Propaganda.

Der Ex-Präsident hat das Portal als „Fake-News-Verlag“ und „Werkzeug der CIA“ bezeichnet und es behindert, wo er konnte. Für viele Beobachter ist die Attacke der philippinischen Börsenaufsicht so etwas wie „die letzte Patrone Dutertes gegen Rappler“. Sagt Jonathan de Santos. Er ist der Vorsitzende der Nationalen Union der Journalisten der Philippinen (NUJP). Zugleich ist der neuerliche Angriff auf Rappler auch ein Steilpass für Ferdinand „Bongbong“ Marcos, der nicht gerade als Freund der Medien gilt. Im Wahlkampf hat er die Diktatur seines Vaters verharmlost, lässt in den sozialen Medien Geschichtsrevisionismus par excellence betreiben und verweigert unliebsamen Journalisten schon mal Antworten auf unbequeme Fragen.

Ohnehin ist die Arbeit von Journalisten auf den Philippinen riskant, manchmal lebensbedrohlich. Wer den mächtigen Unternehmen und Familien bei Recherchen zu Menschenrechtsverletzungen, Umweltproblemen oder Korruption zu nahe kommt, wird observiert, schikaniert, gern als „Kommunist“ diffamiert. Hin und wieder übernehmen auch das Militär oder die staatliche Kommission für Telekommunikation (NTC) die Drecksarbeit, wie die  International Federation of Journalists (IFJ) am 23. Juni berichtete. Da waren auf Weisung des nationalen Sicherheitsbeauftragten Hermogenes Esperon Jr. 28 Organisationen wegen ihrer angeblichen Nähe zur Kommunistischen Partei und ihres bewaffneten Arms, der  New People’s Army, sowie der Nationalen Demokratischen Front der Philippinen bereits eine Woche blockiert worden. Unter den 28 sind etliche Bürgerrechts- und Entwicklungsorganisationen, aber auch das kritische Nachrichtenportal „Bulatlat“ sowie „Pinoy Weekly“. Beide Medien haben sich mit ihrer Berichterstattung über ausgegrenzte Bevölkerungsschichten den Unmut aus Regierungskreisen zugezogen. 

Cyber-Attacken waren eine Folge, um die Funktionalität der Webseiten zu untergraben. Im Juni 2021 hat die Schwedische Organisation für digitale Grundrechte, Qurium, nachgewiesen, woher die Angriffe kamen: aus der Abteilung für Wissenschaft und Technologie des philippinischen Militärs. Die IFJ forderte daraufhin die Regierung in Manila auf, die Pressefreiheit zu respektieren. Doch das ist nicht mehr als ein frommer Wunsch. Auf der Rangliste der Pressefreiheit belegen die Philippinen Platz 147 von 180. Dass sich daran etwas ändert, bezweifeln regionale Medienorganisationen. Sie haben an den neuen Präsidenten Ferdinand „Bongbong“ Marcos appelliert, mehr für die Pressefreiheit zu tun. Doch das ist wenig wahrscheinlich. Im Wahlkampf hat Marcos meist nur mit Medien gesprochen, die ihm freundlich gesinnt waren. Nach seiner Wahl im Mai ignorierte er die Fragen einer Rappler-Reporterin ganz offen. Kein guter Einstand.

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